Auf dem Kehrhof in Oberkirch LU schirren Samuel und sein Vater Stefan Künzli die Freibergerpferde an und führen sie zum Stoppelfeld. «Das Wichtigste beim Pflügen mit Pferden ist, dass diese nicht überfordert werden», sagt Henry Spychiger, ehemaliger Präsident des Schweizerischen Freibergerverbandes und erfahrener Pflüger. «Sie müssen nicht nur die nötige Kraft haben, sondern entsprechend ausgebildet sein.» Doch vieles hänge vom Können und richtigen Verhalten des Fuhrmanns ab. «Pflügen ist die Königsdisziplin im Ackerbau», ist Spychiger überzeugt.
Den Pflug richtig einstellen
Die Interessengemeinschaft Arbeitspferde hat den Anlass organisiert, um den gegenseitigen Erfahrungsaustausch der Fuhrleute zu ermöglichen, wie Beat Bachmann von der IG sagt.
«Die Pferde zu schonen, beginnt beim Einstellen des Pfluges», betont Spychiger. Dabei ist vor allem auf das richtige Verhältnis von Furchenbreite zu Furchentiefe zu achten. Dieses liege idealerweise bei 1:1,4. Der Winkel des Pfluges zum Gelände soll 90 Grad betragen. Er ist so einzustellen, dass er gerade in der Furche gezogen wird. Zum richtigen Einstellen zieht das Doppelgespann den Pflug einige Meter weit. Dann misst Spychiger Furchentiefe und Furchenbreite.
Doppelmeter und Pflugschlüssel sind die Werkzeuge, die jeder Fuhrmann für den Pflug bei sich haben muss. Die Furchentiefe lässt sich an der Pflugspindel verstellen, die Furchenbreite, indem man den Abstand der Räder variiert. Je weiter der Abstand der Räder voneinander, desto breiter die Furche. Die beiden Rosse ziehen den Pflug zügig über das etwa 160 m lange Stoppelfeld. Am Ende des Feldes gibt es jeweils eine Verschnaufpause von einigen Minuten.
Spychiger lässt ein drittes Pferd einspannen. Beim Dreierzug entstehen allerdings mehr Seitenkräfte, vor allem dann, wenn die Pferde breit sind. Kräfteschonender ist es, mit einem Vierergespann zu ackern, je zwei Pferde hintereinander. Umlenkrollen an den Zweispännerwaagen, sogenannte Rollbracken, sorgen dafür, dass jedes Ross gleich stark ziehen muss.
Feder dämpft Stösse
An der Waage, auch Ortscheit genannt, ist eine Feder angebracht, welche die Stösse beim Anfahren dämpft und auch, wenn der Pflug gegen einen Stein stösst. Sie sind es, die das Pferd Kraft kosten und es anstrengen, erklärt der Pflugexperte. Vater und Sohn Künzli lenken die Pferde für den Zuschauer fast unmerklich. Die Tiere hören auf die Stimmen der beiden Fuhrleute und unterscheiden sie von den Stimmen der Zuschauer.
Für das Pflügen braucht es ruhige und starke Pferde, erklärt Samuel Künzli: «Es ist nicht wie vor einem Wagen, der nach dem Anfahren rollt – das Pferd muss praktisch ununterbrochen ziehen.» Gut ausgebildete Pferde werden nicht unruhig, wenn der Zugwiderstand grösser wird. Sie machen kleinere Schritte und passen das Tempo an. Wie heute üblich, führen auch Künzlis die meisten Feldarbeiten auf ihrem Hof mit dem Traktor durch. Wenn es die Zeit erlaubt, dann kommen die Rosse zum Einsatz, sei es beim Säen, Eggen der Wiesen, Mähen, Ausbringen von Mist oder auch beim Holzrücken im Wald.
«Freude am Ross»
Der Einsatz des Pferdes in der Landwirtschaft führt dazu, dass weniger fossile Energie verbraucht wird und der Energiekreislauf geschlossen wird. Das ist für Samuel Künzli allerdings nicht ausschlaggebend. «Die Freude am Ross ist meine Hauptmotivation», bringt er es auf den Punkt. «Die Ruhe der Pferde überträgt sich auf den Menschen und umgekehrt.»
Nach der Mittagspause steht die Zugwiderstandsmessung bei sieben verschiedenen Pflügen auf dem Programm. André Stähli, der zusammen mit Henry Spychiger das «Handbuch für die Arbeit mit Pferden» verfasst hat, bringt dafür jeweils ein Kräftemessgerät an der Waage vor dem Pflug an. Es misst kontinuierlich den Zugwiderstand, den die Pferde beim Pflügen überwinden müssen. Etwa alle vier Sekunden lesen seine Helfer(innen) die Werte ab. Da die Pflüge alle ähnlich sind, zeigen die durchschnittlichen Zugkraftwerte keine markanten Unterschiede zwischen den Pflugmodellen.
Die Messungen belegen nicht nur den höheren Zugkraftbedarf beim Anstieg des Geländes, sondern lassen erkennen, dass der Zugwiderstand stark von der Bodenbeschaffenheit abhängig ist. Kommt der Pflug in die Fahrspur des Mähdreschers, dann steigt der Widerstand sprunghaft an. Der schwere Mähdrescher hat den Boden unter der Fahrspur verdichtet. Ähnliches geschieht an der Pflugsohle, wenn man mit schweren Maschinen pflügt.
Gut für den Boden
Bodenverdichtungen führen zu Staunässe und Sauerstoffmangel im Boden. Diese haben zur Folge, dass sich die Ackerfrucht schlechter entwickelt. Es gibt weniger Bodenlebewesen, vor allem Regenwürmer, welche die Ernterückstände in Nährstoffe für die Folgefrucht umwandeln. Das Pflügen mit dem Pferd dagegen schont den Boden und hilft, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. «Tierische Zugkraft hat andere Qualitäten als nur Leistung», fasst es Spychiger zusammen.
Im gleichen Rhythmus
Das Pflügen an diesem warmen Tag Ende August ist anstrengend für die Pferde. Sie kommen ins Schwitzen. Nach dem Ausschirren geniessen sie es, mit kühlem Wasser abgespritzt und vom Schweiss befreit zu werden.
Die harte Arbeit scheint sie aber nicht überfordert zu haben, denn die beiden Fuhrmänner wissen, was sie ihren Pferden zumuten können, und passen das Tempo der Kondition der Pferde an. «Fuhrmann und Ross arbeiten im selben Rhythmus», erklärt Samuel Künzli. «Die Pausen tun nicht nur dem Pferd, sondern auch dem Fuhrmann gut.»
Starker Zugwiderstand
Der Zugwiderstand wird in Dekanewton gemessen. Ein Dekanewton entspricht näherungsweise der Erdanziehung der Masse eines Kilogramm. Die Zugwiderstandsmessungen bestätigen das, was Landwirte, die mit Pferden arbeiten, schon wissen, nämlich dass rostige Pflugscharen den Zugwiderstand stark erhöhen und die Pferde schnell ermüden. Während die Zugkraft bei den getesteten Pflügen in der Regel unter 400 Dekanewton (daN) lag, stieg er beim rostigen Pflug auf über 500 daN, sodass dieser Pflug nur für einige Arbeitsmeter verwendet wurde. Die Pflugschar muss glatt und glänzend sein, nur so werden die Pferde geschont.
