Ider freien Wildbahn kommt Stress bei Fluchttieren wie dem Rind eine besonders wichtige Rolle zu. So werden bei drohender Gefahr die Stresshormone Cortisol und Adrenalin im Körper freigesetzt und stellen ihm dadurch mehr Energie zur Verfügung, um sich von möglichen Bedrohungen zu befreien.

Langzeitstress hat Auwirkungen

Dass gerade der Langzeitstress starke negative Folgen auf die Leistungsbereitschaft und die Gesundheit unserer Milchkühe hat, wird in der Praxis oft unterschätzt. Ein andauernd hoher Stresslevel führt zu langfristigen Schäden in den Körperzellen. Anders als bei der Milchleistung oder Fruchtbarkeit lässt sich die Stressbelastung nur indirekt wie beispielsweise über Cortisol-Einlagerungen in den Haaren nachweisen.

Umso mehr sollten wir unser Augenmerk auf die schwächsten Kühe im Stall legen. In diese Kategorie fallen besonders rangtiefe, hochträchtige Rinder und Erstlaktierende, welche kürzlich in die Herde eingegliedert wurden. Wird dann der Stall noch zusätzlich überbelegt, sind es immer zuerst diese Tiere, die zu wenig Zeit am Futtertisch verbringen und in der Startphase grosse Körperkonditionsschwankungen aufweisen.

Platz im Stall hilft den Schwachen

Folglich weisen auf vielen Betrieben gerade die jungen Kühe einen schlechten Erstbesamungserfolg auf. Denn Stress beeinträchtig die körpereigenen Abwehrzellen, wodurch Entzündungsprozesse begünstigt werden wie beispielsweise in der Gebärmutter oder im Euter. Tritt eine Entzündung auf, verdoppelt sich das Risiko für einen embryonalen Frühtod. In besonders verwinkelten Stallungen sowie bei häufigem Tierwechsel macht eine Reduktion der Belegdichte auf 90 Prozent immer Sinn. Studien zeigen, dass die Belegdichte im Stall grössere Auswirkungen auf den pH-Wert im Pansen hat als der Fasergehalt im Futter. Um Rangkämpfe bei der Eingliederung spürbar zu reduzieren, lohnt es sich auch immer, die einzugliedernden Tiere mit Apfelessig ganzflächig zu besprühen.

Galtkühe mögen Hitze gar nicht

Die Tatsache, dass das Rind ursprünglich aus der kalten Klimazone stammt und eine enorme Stoffwechselleistung besitzt, führt bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit relativ schnell zur Auslösung von Hitzestress. Auch hier gilt es, zuerst die Tiere zu schützen, bei denen die Auswirkungen von Hitzestress am grössten sind, nämlich die Trockensteher. Stress in der Galtphase reduziert die Fruchtbarkeitsleistung, und die Häufigkeit für Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten steigt in der nachfolgenden Laktation. Auch die Kälber von Kühen mit Hitzestress bleiben in der Konstitution gegenüber ihren Altersgenossen von Kühen mit geeigneter Kühlung zurück und sind bis zur 2. Laktation weniger leistungsbereit.