Dicke Schneeflocken tanzen vom Himmel, legen sich sanft auf die Terrasse und verwandeln den Hof der Familie Jud im sankt-gallischen Necker in ein Wintermärchen. Im gemütlich umgebauten Haus sitzt Mathias Jud am grossen Tisch, seine Gedanken bei den Plänen für die Zukunft. «Dr erscht isch immer en hääle Schnee», sagt sein Vater Wendelin, der eine Weile in der Runde verweilt, bevor er hinausgeht in Richtung Stall. «Hääl» – was so viel bedeutet wie glatt, fast schimmernd.

Kritischer Blick

Abo Analyse Weiden darf nicht zum Feigenblatt verkommen Monday, 23. December 2024 Mathias Jud, der den Betrieb mit Milchkühen und Schweinezucht seit einigen Jahren führt, beobachtet manche Entwicklungen in der Landwirtschaft kritisch. So zum Beispiel auch den Trend in den Milchviehställen hin zur Holsteinkuh – eben nicht nur weltweit, sondern ganz speziell auch in seiner Region – dem Toggenburg. Diese Rasse bringe durchaus Vorteile, erklärt er, erfordere jedoch Erfahrung und Fingerspitzengefühl bei der Fütterung – «und da scheitert es oft».

Selbst setzt die Familie auf Braunvieh. Auf dem Betrieb stehen derzeit 28 Brown-Swiss-Kühe mit einer durchschnittlichen Leistung von 8900 kg – eine Erweiterung auf 35 ist geplant. «Wenn man in die Milch investieren will, dann muss man jetzt handeln», sagt Mathias Jud überzeugt. Der Anbindestall soll daher bald ausgebaut werden, die Pläne liegen ausgebreitet vor uns auf dem Tisch: Laufstall mit Liegehalle und Melken im alten Stall. Und dabei geht es nicht nur um mehr Tiere, sondern auch um die Gesundheit und Effizienz der Herde. Der Antibiotikaverbrauch sei dabei ein wichtiges Thema – Mathias betont, wie entscheidend es sei, dessen Einsatz zu reduzieren.

«Wenn man in die Milch investieren will, dann muss man jetzt handeln.»

Mathias Jud über den geplanten Umbau.

Weg von der Kälbermast

Früher hatte der Betrieb einen anderen Schwerpunkt. Zu Spitzenzeiten mästeten Juds fast 200 Kälber und arbeiteten mit zwölf Lieferanten. Wendelin Jud trat im März nach 17 Jahren im Vorstand des Schweizer Kälbermäster-Verbandes (SKMV) zurück.

Im Jahr 2021 wechselte Mathias den Kurs von Kälbermast in Richtung Milch. Seit dem ersten Tag geht diese zu Züger Frischkäse AG in Oberbüren SG. «Wir mästen weitgehend nur die eigenen Kälber, anstatt fremde zu kaufen. Als die Nachfrage nach Industriemilch anstieg, war die Rechnung für den Landwirt schnell gemacht. Heute liefert der Betrieb die Mastkälber aus den eigenen Kühen direkt an die Micarna, wo sich die Bauernfamilie über stabile Preise freut, wie der Betriebsleiter sagt. «Der Zwischenmarkt fällt weg, und das hilft den Bauern.»

So sei auch der Antibiotikaverbrauch auf dem Betrieb deutlich gesunken. Zum einen, weil keine fremden Tiere mehr eingestallt werden müssen, und zum anderen, weil der Krankheitsdruck in der kleineren Gruppe entsprechend tiefer ist.

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Mit Ursi im Stall

Nach einer Weile lassen wir die warme Stube hinter uns und gehen hinüber in den Stall. Mathias Jud packt die beiden Töchter Lea und Mara in warme Schneekleider. Heute sei Vatertag, sagt er. Denn Mathias’ Frau Stefanie arbeitet zwei Tage pro Woche in ihrem Beruf als Tierärztin.

Wir laufen durch den glatten Schnee zielstrebig dem Stall entgegen. Die beiden Mädchen haben Pläne. Sie sind oft und gerne mit ihrem Vater im Stall. Hier zwischen Kühen, Rindern und Kälbern zeigt sich Mathias Juds Züchterherz. Besonders stolz ist er auf seinen Braunviehbestand – robuste, elegante Tiere, die den Betrieb prägen.

Eine von ihnen ist Ursi, geboren im August 2008. Mit einer Lebensleistung von über 127 000 Kilogramm Milch ist sie ein Ausnahmetier. Ein Blick auf ihr Leistungsblatt zeigt: Sie hat alle Jahre gekalbt – wie am Schnürchen. Überzeugen kann sie neben ihrer hohen Fruchtbarkeit mit tiefen Zellzahlen, viel Milch und Protein und einer hervorragenden Klauengesundheit.

Foto mit Familienliebling

Die Kuh trägt ein Halfter, die Mädchen wollen sie nach draussen nehmen – sie gehört aufs Familienfoto. Souverän läuft die alte Dame aus dem Stall ins wilde Schneetreiben, posiert vor der Kamera, wie sie das schon getan haben dürfte. «Ursi ist so, wie eine Kuh sein muss, um alt zu werden», sagt er. «Robust, gesund und zuverlässig – krank war sie nie», so Jud.

Mathias Jud sieht Braunvieh als die ideale Rasse für seinen Betrieb. «Die Tiere passen einfach. Sie sind langlebig, hitzeresistent und brauchen weniger Kraftfutter. Wir geben ihnen 700 bis 800 Kilogramm im Jahr, das reicht. Mit Holstein hätte man bei der gleichen Menge viel schneller Fruchtbarkeits- und mehr Klauenprobleme», ist er sicher.

Seit 2023 ergänzt Mathias Jud seine Arbeit auf dem Hof durch eine Tätigkeit als Zuchtberater für den Braunviehverband. «Ich bin Bauer mit Leib und Seele, aber ich schätze auch eine Herausforderung ausserhalb des Betriebs.» In einem Nebenerwerbs-Pensum besucht er Betriebe, erstellt Paarungspläne und berät bei Fragen um die genomische Selektion. «Es gibt immer mehr Stiere im Angebot, und manche Betriebe stützen voll auf die Beratung ab, während andere sie einfach als Ergänzung nutzen», weiss er.

Das Potenzial der Braunviehzucht sieht Mathias vor allem auf Grünlandbetrieben. «Die braune Kuh ist langlebig, bringt gesunde Kälber und ist hitzeresistent. Sie muss ja nicht so gross sein wie eine Holstein, aber sie bringt trotzdem gute Leistungen und ist wirtschaftlich», so der Landwirt. Er ist sicher, dass sie bestens zum Label IP-Suisse passe, wo Jud seit 2019 auch im Vorstand sitzt.

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Pläne und Geschichten

Als wir zurück zum Haus kommen, hat sich die Terrasse draussen noch tiefer unter den Schneeflocken versteckt. Mathias blickt auf das umliegende Land, das zum Betrieb gehört und langsam unter der Schneepracht verschwindet: «Der Betrieb liegt in der Bergzone II, mit 26 Hektaren arrondiertem Land und 11 Hektaren Wald», erklärt er. Der Aus- und Umbau des Stalls ist für ihn notwendig, um mit der Milchproduktion wirtschaftlich zu bleiben.[IMG 4]

Die Familie plant, die Milchmenge von derzeit 210'000 Kilogramm auf rund 270'000 Kilogramm zu steigern. «Das geht nur mit einem guten Partner», erklärt der Landwirt, der Züger als Abnehmer schätzt. «IP-Suisse-Wiesenmilch würde mich interessieren, aber dafür fehlen aktuell die Absatzmöglichkeiten», ergänzt er.

Mathias Jud ist zuversichtlich, auch wenn sich vieles aktuell nicht einfach präsentiere. «Die Futtergrundlage auf unserem Hof ist gut, und mit Braunvieh sehe ich die Milchwirtschaft an diesem Standort als absolut zukunftsfähig.»

Realität und Märchen

Als wir den Hof verlassen, dämmert es bereits. Die Nacht legt sich über das Märchenland, das die Schneeflocken geschaffen haben, und das Haus der Familie Jud strahlt warm im Halbdunkel. Hier, zwischen Tradition und Innovation, lebt Mathias Jud mit seiner Familie seinen Traum von der Landwirtschaft – mit Herzblut, Mut und ganz viel Realitätsbezug.

Hof Loch: In dritter Generation

Der Landwirtschaftsbetrieb der Familie Jud befindet sich seit 66 Jahren in Familienbesitz. 1958 legte Mathias’ Grossvater den Grundstein, als er den Betrieb «Loch» erwarb. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Hof aus 18 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche und 8 Hektaren Wald. Da es damals kein Milchkontingent gab, entschied sich der Grossvater für die Kälbermast.

1991 übernahm Mathias’ Vater Wendelin den Betrieb seines Vaters. Es gelang ihm, diesen stets zu vergrössern und weiterzuentwickeln.

Die Welt entdeckt

2018 übernahmen Mathias und seine Frau Stefanie den Hof. Mathias hatte bis dahin auf der ganzen Welt Erfahrungen gesammelt. Nach seiner Ausbildung zum Landwirt und der Rekrutenschule arbeitete er zwei Jahre auf einem Kernzucht-Schweinebetrieb in Roggwil TG. Doch sein Traum war es, die Landwirtschaft auch international kennenzulernen. So führte ihn 2007 eine Reise für elf Monate nach Kanada, wo er auf einer Milchfarm mit 100 Kühen mit einer durchschnittlichen Milchleistung von 12 000 Kilogramm pro Kuh arbeitete. Diese Zeit prägte ihn nachhaltig, wie er sagt.

Zurück in der Schweiz war Mathias sechs Jahre lang als Zuchtberater in der Schweinebranche tätig, bevor er erneut ins Ausland reiste. Diesmal erkundete er für drei Monate die Landwirtschaft auf der gegenüberliegenden Seite des Erdballs – in Australien und Neuseeland. Auch die dortigen Verhältnisse vermochten ihn zu beeindrucken.

Meisterlandwirt und Tierärztin

2014 absolvierte er die Meisterprüfung, während seine Frau Stefanie ihren Doktortitel in der Veterinärmedizin erlangte. Sieben Jahre später erwarb sie zusätzlich die Facharztqualifikation für Schweine.

Von 2013 bis 2018 war Mathias als Agrarleiter bei der Landi Säntis AG tätig, bevor er und Stefanie am 1. Januar 2018 den elterlichen Betrieb übernahmen. Stefanie arbeitet seit 2013 als Grosstierärztin in der Tierarztpraxis am Tannenberg.

2021 begann der Betrieb, seine Milch an die Züger Frischkäse AG in Oberbüren zu liefern (210'000 Kilogramm Lieferrecht). Bis dahin wurde die Milch ausschliesslich für die Mastkälber verwendet.