Viele Landwirte kennen es: Nach dem Abendessen will man mit dem Besuch noch rasch einen Blick in den Stall werfen, um die Kühe anzuschauen und ordentlich zu rühmen. Doch beim Öffnen der Stalltüre präsentiert sich der sommerliche «Stallgang-Graus»: Die in Eile überallhin kriechenden Güllenwürmer ekeln nicht nur den Besuch, sondern auch den Bauern. Wo wollen diese Larven hin und was kann man gegen sie tun, fragt man sich, wenn man es auf dem Boden und in den Ecken kreuchen und «chramseln» sieht. Dabei sind die Mistfliegen, die sich aus den Würmern entwickeln, eigentlich Nützlinge, denn neben den Bienen sind sie hierzulande die zweithäufigsten Bestäuber.
Auf vielen Betrieben anzutreffen
Kaum ein Viehhalter, der nicht regelmässig mit ihnen zu tun hat, mit den bleich-grauen, überall herumkriechenden Larven, die der Volksmund in der Schweiz schlicht Güllenwürmer nennt. In Deutschland bezeichnet man die Würmer meist als «Rattenschwanzlarven»; laut einer Umfrage des deutschen Magazins «Agrarheute» haben 64 % von rund 1000 abstimmenden Landwirten jedes Jahr aufs Neue mit den Würmern zu tun.
Güllenwürmer sind die Larven der Mist- oder Schlammbiene, die zur Familie der Schwebfliegen gehört. Diese Fliegen legen ihre Eier gern in die schlammigen Uferbereiche von Tümpeln und anderes fauliges, sauerstoffarmes Wasser – und eben in die unmittelbare Nähe von Güllegruben oder Spaltenböden, wo sie ein vergleichbares Umfeld finden. Aus den Eiern schlüpfen innerhalb weniger Tage die Larven der Mistbiene, die Güllenwürmer.
Mit einem Schnorchel unterwegs
Diese erfüllen in der freien Natur eigentlich eine wichtige Aufgabe, denn sie verwerten totes organisches Material im Wasser. Dabei halten sie sich unter der Wasseroberfläche auf und atmen durch den länglichen Fortsatz am Ende ihres Körpers. Diesen Schnorchel, bei dem häufig die Annahme besteht, er diene zur Fortbewegung, können sie wie ein Teleskop auf mehrere Zentimeter Länge ausfahren und so auf einen steigenden Wasserpegel reagieren oder noch atmen, falls sie in der Gülle leicht einsinken.
Bei günstigen Temperaturen entwickeln sich die Larven innerhalb von zwei bis drei Wochen. Sobald dieses Stadium seinem Ende zugeht, verlassen die Güllenwürmer das schützende Nass und beginnen, sich einen trockenen Ort zum Verpuppen zu suchen.
Ein gemütliches Plätzchen suchen
Dafür wählen Güllenwürmer höher gelegene, trockene Plätzchen, weshalb sie oft an den Wänden hochkriechen. Das können Ecken oder Ritzen im Stall sein, aber eben auch Orte, an denen man die Würmer keinesfalls haben will, etwa im Melkstand oder gar im Bauernhaus. Weil meistens viele Würmer aufs Mal unterwegs sind, kommt es in den Sommermonaten bald einmal zum eingangs erwähnten «Stallgang-Graus».
Die Puppen der Mistbiene sind etwas kürzer und dunkler als die Güllenwürmer und haben eine harte Aussenhülle. Nach einer kurzen Verpuppungszeit von ein bis zwei Wochen schlüpfen schliesslich die Mistbienen aus der Puppe. Weil ihre Entwicklungszeit nur so kurz ist, kann es sein, dass sich mehrere Generationen von Mistbienen in einem Sommer entwickeln.
Mistbienen überwintern entweder als Wurm oder als Biene, also als «adultes Insekt». Fun Fact: Wie Forschende vor wenigen Jahren herausgefunden haben, macht es ein Teil der Mistbienen im Herbst wie die Zugvögel und fliegt zum Überwintern in den warmen Süden.
Handelt es sich um gefährliche Würmer?
Für den Menschen sind die unansehnlichen Tiere nicht gefährlich. Werden sie jedoch von Nutztieren über Wasser oder Futter aufgenommen, können die Würmer im Verdauungstrakt der Nutztiere die Fliegenmadenkrankheit Myiasis auslösen. Die Folge davon sind Magen-Darm-Beschwerden und Durchfall. Selten lösen Güllenwürmer die Krankheit auch am After oder bei weiblichen Tieren an den Geschlechtsorganen aus.
Wie Agroscope in einem knapp 20-jährigen Kurzbericht schreibt, sind nur sehr wenige Fälle bekannt, in denen Güllenwürmer Myiasis auf Menschen übertragen haben. Auch jüngere Studien legen nahe, dass sich solche Fälle äusserst selten und kaum in Europa ereignen.
Mögliche Massnahmen gegen Würmer
Obwohl von den Güllenwürmern also kaum eine Gefahr ausgeht, sind sie häufig lästig und natürlich unhygienisch. Gift gegen sie einzusetzen, lohnt sich kaum, ein paar Massnahmen können jedoch helfen, ihrer ein gutes Stück weit Herr zu werden.
Da Güllenwürmer bei der Fortbewegung feuchte Oberflächen bevorzugen, kann es beispielsweise bereits ausreichen, trockenen, lockeren Sand oder Erde in ihren Pfad zu streuen. Dort sollten sie stecken bleiben und können anschliessend leicht entfernt werden. Weitere einfach umzusetzende Massnahmen sind etwa:
- Regelmässiges Entfernen der Würmer, sobald sich erste Tiere zeigen.
- Das Entfernen oder regelmässige Aufrühren der Schwimmschichten auf der Gülle.
- Vermeiden, dass Gülle länger liegen bleibt. Es reichen schon kleine Mengen, um eine Population wachsen zu lassen.
- Das Anbringen von abgewinkelten, überhängenden Blechen wie bei einem Schneckenzaun.
- Das Abdecken von Spaltenböden dort, wo die Würmer austreten. Dazu reichen z. B. ausgediente Gummimatten.
- Das Anbringen von Nistkästen, denn verschiedene Vögel fressen die Würmer gern.
Am Ende ist es ein nützliches Insekt
Die ausgewachsene Mistbiene gilt wie erwähnt als ein Nützling, denn sie bestäubt gerne Korb- oder Doldenblütler. So gibt es seit einigen Jahren vor allem in England den Trend, dass Hobbygärtner der Mistbiene in ihren Gärten ein geeignetes Lebensumfeld bieten und sich über ihre Larven regelrecht freuen. Aber in den Gärten kreuchen und «chramseln» die Tierchen dann wohl auch nicht zu Hunderten.


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