Wie macht man aus Gras Geld? Diese Frage wollte der Österreichische Weide-Berater Manuel Winter am Praxiskurs mit den Teilnehmenden beantworten. Einige Tage vor dem Kursbeginn ist der Landwirt aus Kanada zurückgekehrt – mit einem Rucksack voller Erfahrungen, die er dort auf verschiedenen Farms sammeln konnte. «Ich habe mir damit einen langersehnten Traum verwirklicht», sagte der Österreicher.

Gleich eingangs seines Referats im Seminarraum der Stone Ranch rief der selbstständige Berater und Gründer der «Change Grazing» Initiative in Erinnerung, dass Nachhaltigkeit aus drei Pfeilern «Wirtschaftlichkeit», «Ökologie» und «Soziales» bestehe: «Ohne Geld zu verdienen, ist auch der ökologischste Betrieb nicht nachhaltig». Lebensmittel nachhaltig zu produzieren und gleichzeitig Geld zu verdienen, sei kein Widerspruch. Deshalb war der Kursname auch Programm. Wie kann man das Beste aus dem vorherrschenden Weidepotenzial herausholen und dabei noch wirtschaftlich sein?

Die Weide-Profit-Formel

Abo Alternatives Weidemanagement Futterbau im Klimastress: Ist Mob Grazing eine Antwort? Monday, 17. June 2024 Manuel Winter setzt auf ein angepasstes und flexibles Management. Tiere sollen Bestände erst nach einer ausreichenden Ruhephase beweiden, möglichst kurz und intensiv. Darauffolgend kommt wieder eine Rastzeit, um das Ertragspotenzial bestmöglich auszunutzen. Für die Profitabilität von «Graslandbetrieben» brauche es eine weidebasierte Genetik, tiefe Fixkosten, ein smartes Marketing, eine hohe Fruchtbarkeit, mehr Rinder pro Arbeitskraft und mehr Rinder pro Hektare, so seine Formel.

Mobgrazing ist eine von vielen Weidestrategien und soll grundsätzlich das natürliche Weideverhalten von Wildtierherden nachahmen: Viele Tiere weiden eng nebeneinander in kurzer Zeit auf einer kleinen Fläche mit hohem Aufwuchs. Anschliessend zieht die Herde weiter und der beweidete Bestand geht in eine Ruhepause von 20 bis 30 Tagen, um sich zu regenerieren.

Niedertrampeln und mulchen

Die Vorteile der Mobgrazing-Strategie liegen laut dem Berater auf der Hand:

Schutz: Die Tiere fressen den oberen, nährstoffreichen Teil des Grasbestands ab und trampeln den Rest nieder. Dabei entsteht eine Mulchschicht, die den Boden vor Austrocknung und Erosion schützt. Auf lange Sicht führt sie zudem zu einer Anreicherung von Humus im Boden und fördert so die Bodenfruchtbarkeit.

Sauberkeit: Durch den hohen Weidedruck entsteht eine Konkurrenzsituation unter den Tieren, die dazu führt, dass diese bei der Futteraufnahme weniger wählerisch sind. Dies führt dazu, dass die Fläche gleichmässiger abgeweidet wird und die Bestände weniger verunkrauten.

Homogenität: Durch die hohe Besatzdichte wird eine relativ gleichmässige Verteilung von Kot und Harn über die Fläche erzielt. Punktuelle Überdüngung in hochfrequentierten Bereichen wie Tränke oder Ruheplatz bleiben dadurch aus.

Ertrag: Durch die lange Regenerationszeit steht den Pflanzen mehr Energie zur Verfügung, um ein intensives und tiefreichendes Wurzelwerk auszubilden. Dadurch gelangen die Pflanzen nicht nur an Wasser und Nährstoffe in tieferen Bodenschichten. Die absterbenden Wurzeln hinterlassen dadurch auch deutlich mehr Biomasse im Boden für den Humusaufbau. Allerdings sei zu bedenken, dass diese Form der Weidehaltung für Trockengebiete konzipiert worden ist. «Eine Mulchschicht kann bei viel Niederschlag auch Nachteile bringen. Daher gilt es immer abzuwägen und gegebenenfalls verschiedene Strategien je nach Jahreszeit anzuwenden», so Winter.

Lakations- und Graswachstumsspitze stimmen überein

Um beim Bild von Wildtieren zu bleiben, rät Manuel Winter auch, die Abkalbesaison in dieselbe Zeit zu legen, in der die Wildtiere abkalben, also Februar/März, weil dann rund drei Monate später das Nahrungsangebot üppig ist. Diese Übereinstimmung der Laktationsspitze mit der Graswachstumsspitze und des Nährstoffbedarfs der Herde sei auch in domestizierten Systemen anzustreben, um Überschüsse und Unterversorgungen zu eliminieren. «Ich stelle fest, dass man generell eher zu spät mit der Beweidung startet und somit die Umstellung nicht immer reibungslos klappt», so Winter. Das Graswachstum beginnt, wenn die Knospen an den Bäumen spriessen.

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Manuel Winter machte darauf aufmerksam, dass Mutterkühe heute tendenziell gleichrahmig gezüchtet werden, also grob gesagt, rechteckig. Dabei sei das sogenannte «wedge-shaped-cattle» erstrebenswert, also keilförmig geformte Tiere, wobei die Stiere vorn breit und tief sind und hinten schmal und die Kühe vorn schmal und hinten, im Euter- und Beckenbereich breiter und tiefer. Lange habe man auch die Kühe auf ihre Fleischleistung getrimmt, stellt Winter fest. «Das ist ein Fehlanreiz: Gesunde Mutterkühe dürften ruhig ‹feminin› wirken und ein gesundes Kalb pro Jahr zur Welt bringen, die Stiere sollen fleischig sein», so sein Grundsatz. In seinem Referat betonte er, dass man sich vielmehr auf die Herdenleistung statt lediglich auf die Einzeltierleistung achten sollte. Im Kurs ging der Berater konkret auf Praxisbeispiele ein und rechnete vor, wie er die Weideintensität berechnet und auch der Witterung anpasst.

Wie viele Koppeln sollen eingeplant werden?

Abo Video Die Original-Aberdeen-Angus-Mutterkühe der Stone Ranch verbringen den ganzen Sommer draussen. Im Herbst fressen sie Zwischenfrüchte und Gründüngungen, was die Weidesaison verlängert. Alternatives Weidemanagement Familie Schreiber hat Mob Grazing als «Hochgrasweide» für sich massgeschneidert Friday, 14. June 2024 Die benötigte Rastzeit pro Koppel hängt vom Bestand, der Witterung, der Weideintensität, der nötigen Unkrautunterdrückung, der Düngung und der Besatzdichte pro Koppel ab. Prinzipiell strebt Manuel Winter eine jeweils möglichst lange Rastzeit an. In der Konsequenz braucht es dazu möglichst viele Koppeln, weil die Anzahl Koppeln (abzüglich der aktuell geweideten Koppel) die Anzahl Ruhetage vorgibt. Im Sommer muss teils die Rastzeit aufgrund der Trockenheit verlängert werden – und in der Folge nimmt die Weidedauer pro Koppel ab. Wenn man also die Rastzeit verlängern will, um den Bestand zu schonen, verkürzt man sie automatisch. «Ohne Reserven und Flexibilität gerät man schnell in einen Teufelskreis», so der Berater.

Eine mögliche Lösung für das Problem ist die Vergrösserung der Anzahl Koppeln in den Monaten August und September, also die weitere Unterteilung bereits bestehender Koppeln. Oder aber man geht bei der Koppelplanung grundsätzlich von eher extremen Sommerbedingungen aus, statt von einer «Norm». 

Die vier Gesetze von Voisin

Manuel Winter verwies zum Schluss des ersten Kurstages auf die vier Gesetze des französischen Weidepioniers André Voisin, dessen Gedankengut noch heute täglich genutzt wird.

  • Erst beweiden, wenn Reservestoffe eingelagert und Wachstumsspitze erreicht wurde
  • Beweidungdauer kurz, sodass zweiter Verbiss nicht möglich ist
  • Tiere mit höchstem Nährstoffbedarf sollten die grösste Futterquantität mit bestmöglicher Qualität zur Verfügung haben
  • Beweidungsdauer 1 bis 3 Tage

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