Kurz vor der Generalversammlung der Suisag brodelt es in der Schweinebranche: Kritik wird laut, der Fusionsprozess zwischen Suisag und der bäuerlichen Schweinezucht-Organisationen EGZH (Bayern) sei zu überhastet, intransparent und gehe zu weit (wir berichteten). Was sagt Suisag-Präsident Leo Müller dazu? Wir haben nachgefragt.
Warum wurde der Fusionsprozess zwischen Suisag und EGZH in einem derart sportlichen Zeitrahmen vorangetrieben?
Leo Müller: Erlauben Sie mir eine wichtige Vorbemerkung: Das Ziel dieses Projektes ist, der bäuerlichen Schweinezucht, die in bäuerlicher Hand bleibt und nicht durch Grosskonzerne dominiert wird, eine Zukunft zu geben. Die schrumpfenden Sauenzahlen mit immer kleiner werdenden Zuchtpopulationen stellen ein Problem dar. Zuschauen in dieser Situation ist keine Option und wäre verantwortungslos. Wir sind unserer kommenden Generation schuldig, eine zukunftsfähige Schweinezucht in bäuerlicher Hand zu erhalten. Im Bereich der Geflügelzucht gibt es nur noch zwei Grosskonzerne, die die Zucht dominieren. Das wollen wir bei den Schweinen verhindern.
Aber hätte denn ein längerer Zeithorizont nicht für mehr Ruhe und Konsens gesorgt?
Die Verhandlungen für die Übernahme des operativen Geschäfts der EGZH durch die Suisag dauern nun schon einige Zeit und diese wurden in aller Ruhe geführt. Zudem haben die EGZH und die Suisag schon beinahe 15 Jahre eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Nun hat sich gezeigt, dass für ein effizientes und erfolgreiches Fortkommen die Zusammenführung des operativen Geschäfts erforderlich ist. Irgendwann ist das Zeitfenster da, um zu entscheiden.
Weshalb wurden die Bedenken der Gruppe um Meinrad Pfister nicht schon vor der Delegiertenversammlung von Suisseporcs vertieft diskutiert oder aufgenommen?
Das Präsidium der Suisseporcs war von Beginn an in das Projekt eingebunden, es herrschte ein offener, konstruktiver Dialog. Ein Vertreter des Zentralvorstandes nahm stets an den Verhandlungen teil. Das Ergebnis wurde dem Zentralvorstand präsentiert und einstimmig gutgeheissen. Kritische Stimmen wurden erst mit dem Antrag Pfister an der DV sichtbar und seither ernst genommen. Der Aktionärbindungsvertrag zwischen EGZH und Suisseporcs – die Suisag ist nicht Vertragspartei – wurde soweit möglich angepasst, wie an der DV erläutert. Die Anträge auf juristische Überprüfung wurden mit über 85 % abgelehnt. Die DV bestätigte damit klar und demokratisch das Vertrauen in den Zentralvorstand.[IMG 2]
Die beiden langjährigen Suisseporcs-Anwälte lehnen den Aktionärsbindungsvertrag und die geplante Statutenrevision der Suisag ab – sie sprechen von einem «groben Verstoss gegen die Interessen der Suisseporcs». Wie beurteilen Sie diese Kritik?
Das trifft nicht zu. Die Suisseporcs bleibt nach wie vor Mehrheitsaktionärin an der Suisag. Sie kann ihr Recht mit dieser Mehrheit nach wie vor ausüben. Auch die verbandspolitische Tätigkeit der Suisseporcs wird in keiner Art und Weise eingeschränkt. Ansonsten hätte doch der Zentralvorstand von Suisseporcs nicht einstimmig diesem Vorhaben zugestimmt.
Kritische Stimmen behaupten, die geplante Aktienkapitalerhöhung gehe über das hinaus, was für die Fusion mit der EGZH notwendig wäre. Gibt es darüber hinausgehende strategische Pläne, die bereits konkretisiert wurden?
Mit der Statutenrevision wird ein sogenanntes Kapitalband in die Statuten aufgenommen. Das neue Aktienrecht sieht diesen Mechanismus vor. Es ist aber so, dass die Suisseporcs zustimmen muss, wenn eine weitere Zusammenarbeit mittels Kapitalerhöhung – auch innerhalb dieses Kapitalbandes – erfolgen soll. Das ist mit einem Vetorecht im Aktionärbindungsvertrag geregelt.
Wird mit der geplanten Strukturreform der Einfluss von Suisseporcs auf ihre Tochterfirma Suisag nicht spürbar geschwächt?
Nein. Die Suisseporcs verfügt weiterhin über eine deutliche Mehrheit im Verwaltungsrat der Suisag. Die EGZH nimmt mit drei Sitzen Einsitz und verfügt über eine Handvoll Vetorechte. Die Vertreter der Suisseporcs im Verwaltungsrat haben dieselben Vetorechte. Das schwächt den Einfluss der Suisseporcs nicht, wie behauptet wird. Man muss bedenken, dass Bayern ihr gesamtes Geschäft in die Suisag integriert. Es sind dort Produzenten wie hier in der Schweiz, die einen mutigen Schritt machen. In solchen Situationen ist es wichtig, einen fairen Umgang unter den Produzenten zu pflegen und demokratische Entscheide zu respektieren. Ohne diese kleinen Kompromisse in den Verhandlungen wäre die Fusion nicht zustande gekommen.
Kritiker befürchten, dass die operative Ebene der Suisag im neuen Konstrukt an Einfluss gewinnt, während die Mitsprache der Trägerschaft schwindet. Wie stehen Sie dazu?
Es gibt kein neues Konstrukt: Suisag bleibt Suisag; sie übernimmt das operative Geschäft der EGZH. Zudem ist und bleibt, wie vorstehend bereits dargelegt, die Suisseporcs Mehrheitsaktionärin an der Suisag und sie kann nach wie vor die Suisag so steuern. Daran ändert sich nichts. Sie wählt weiterhin als Mehrheitsaktionärin die strategischen Organe und über diese die operative Leitung. Der einzige Unterschied ist, dass ein bayrischer Teil in die Suisag integriert wird und das Aktionariat dadurch erweitert wird.
Es gibt Vorwürfe einer gewissen Intransparenz. Um Einsicht in relevante Dokumente zu erhalten, müsse man – so der Wortlaut – «nach Sempach pilgern». Warum wurden diese Unterlagen nicht breiter zugänglich gemacht?
Meines Wissens kann jedes interessierte Mitglied der Suisseporcs Einsicht in diesen Aktionärbindungsvertrag nehmen. Die Transparenz bestand und besteht. Sowohl den Kritikern als auch den Suisseporcs-Anwälten wurde eine Erläuterung des präzisierten Aktionärbindungsvertrages angeboten. Davon wurde nicht Gebrauch gemacht. Festzuhalten ist, dass die zuständigen Entscheidungsorgane über die Unterlagen verfügen; es besteht volle Transparenz. Die eindeutigen Beschlüsse der Delegierten und des Zentralvorstandes geben dem Projekt den nötigen Rückhalt.
Wäre es angesichts der aktuellen Polarisierung nicht sinnvoller, das Fusionsprojekt zu sistieren und zunächst die Branchenakteure wieder an einen Tisch zu bringen?
Die Suisseporcs hat meines Wissens den Juristen angeboten, sie – um in Ihren Worten zu sprechen – an einen Tisch zu bringen. Diese haben das Angebot ausgeschlagen. Zudem: Von Anfang an waren die relevanten Branchenvertreter am Tisch und diese haben mitbestimmt und das Verhandlungsergebnis aktiv mitgeprägt.
Schleichender Kontrollverlust
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Kommentar von Simone Barth
Bei Suisag zeigt sich ein Grundproblem, das weit über diese Fusionsgeschichte hinausgeht: Die bäuerlichen Vorstände verlieren zunehmend die strategische Kontrolle und überlassen viel Macht der operativen Geschäftsleitung – ein Trend, der auch andernorts – nicht nur in der Schweinebranche – zu beobachten ist.
Die eigentliche Gefahr liegt nicht nur im Aktionärbindungsvertrag oder der Fusion, sondern in der lähmenden Trägheit der Vorstände. Statt aktiv mitzugestalten, lassen sie die Geschäftsleitung gewähren – aus Bequemlichkeit. So entsteht eine Machtverschiebung von der strategischen zur operativen Ebene.
Wenn starke Geschäftsführer mit ihrem «Wasserverdrängungsprinzip» die Führung übernehmen, verfallen die Gremien schnell in Passivität, obwohl sie eigentlich das Sagen haben sollten. Die Bauern – als Eigentümer ihrer Organisationen – müssen sich klarmachen: Wer nicht mitzieht und Verantwortung übernimmt, verliert Stück für Stück die Kontrolle.
Ein besonders kritischer Punkt ist die geplante Kapitalerhöhung, die den Anteil von Suisseporcs auf unter 60 Prozent drücken könnte – während offiziell 66 Prozent verlangt werden. So etwas ist mehr als nur Zahlenspielerei, das ist eine Verschiebung von Einfluss.
Viele Vorstände denken: «Das wird schon passen» und verstecken sich hinter der Geschäftsleitung. Doch so wird demokratische Mitbestimmung zur Farce. Die Fusion ist nur ein Symptom – das eigentliche Problem ist, dass die bäuerlichen Kontrollorgane ihre Rolle nicht mehr wahrnehmen. Meinrad Pfisters Kritik trifft daher ins Schwarze: Transparenz und echte Mitbestimmung dürfen nicht zum Lippenbekenntnis verkommen. s.barth@bauernzeitung.ch

