Abo Interview zur Nachlassregelung «Schwierige Themen ansprechen und regeln, solange man noch im Guten miteinander ist» Wednesday, 14. December 2022 Gabriela Coray hat eine schwierige Zeit hinter sich. Im April dieses Jahres starb ihr langjähriger Lebenspartner Edi Schild. Während 22 Jahren hatten die beiden einen zwölf Hektaren grossen Landwirtschaftsbetrieb in der Gemeinde Berg, nahe bei Weinfelden, geführt. «Eigentlich war in Edis Testament alles geregelt. Ich sollte als Alleinerbin den Betrieb weiterführen.» Doch es kam anders. Coray musste darum kämpfen, dass sie überhaupt auf dem Hof bleiben durfte. Sie wandte sich an die BauernZeitung, um ihre Geschichte zu erzählen. «Ich möchte den Frauen Mut machen. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen.»

Zwangsheirat und Scheidung

Abo Soziale Absicherung Tiefe Arbeitspensen bergen für Frauen Risiken Thursday, 27. October 2022 An einem kleinen Tisch im ehemaligen Milchzimmer erzählt Gabriela Coray ihre Lebensgeschichte, die alles andere als einfach war. Aufgewachsen ist sie als zweitjüngstes von zehn Kindern in Altstätten im St. Galler Rheintal. Als Minderjährige sei sie zwangsverheiratet worden und kam so in den Kanton Thurgau. Sie gebar zwei Söhne, aber glücklich war sie in dieser Ehe nicht. 1994 liess sie sich scheiden. «Ich fürchtete um mein Leben», sagt Coray mit tränenerstickter Stimme. Bei der Scheidung wurden die Kinder dem Vater zugesprochen. Über 30 Jahre hatten sie keinen Kontakt zu ihrer Mutter.

Coray machte ihren Weg trotzdem. Sie besuchte den landwirtschaftlichen Kurs am Arenenberg und arbeitete danach bei der Spitex. Edi Schild lernte sie über den Wirt im Dorfrestaurant kennen. «Er sagte, Edi könne Hilfe auf dem Betrieb gebrauchen, ich solle mal vorbeigehen.» Anfangs half Coray an den Wochenenden aus, dann verbrachte sie immer mehr Zeit auf dem Hof. Die beiden lernten sich kennen und lieben. An Edis 40. Geburtstag feierten sie Verlobung. «Das war der Tag, an dem ich einzog», erzählt Coray lächelnd. Heiraten kam für die damals 35-Jährige nicht mehr infrage. «Wir waren auch so glücklich.»

Alles war im Testament geregelt

2018 wurde bei Edi Schild Krebs diagnostiziert. In der Folge gaben sie die Milchviehhaltung auf. «Den Krebs konnte er besiegen, doch dann erkrankte er an Diabetes», berichtet Gabriela Coray. Das Arbeiten sei ihm zunehmend schwer gefallen. Darum hätten sie sich 2021 entschieden, das Land an einen grossen Gemüseproduzenten aus dem Nachbardorf zu verpachten.

Schilds Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Am 10. April erlitt er einen Schlaganfall. «Am 25. April kam er nach Zihlschlacht in die Reha. Von dort aus sollte er am 30. April in ein Spital transportiert werden sollen», erzählt Coray. Doch Schild verstarb im Krankenwagen. «Abschied nehmen konnte ich nicht von ihm», sagt sie leise.  Noch bevor die Beerdigung stattfand, meldeten sich die zwei Lebensversicherungen bei ihr.

«Man drängte mich dazu, die Liegenschaft zu verkaufen, da ich nicht in der Lage sei, das hier weiterzuführen.»

Gabriela Coray zum Vorgehen der Lebensversicherungen

Doch sie wollte nicht, dass der Bauernhof «ein Objekt für Immobilienspekulationen» würde. «Ich war im Trauerprozess, musste etliche Behördengänge erledigen und dann kam das noch dazu», sagt sie kopfschüttelnd. Sorgen machte sie sich zu diesem Zeitpunkt keine, denn Schild hatte seine Lebenspartnerin abgesichert. Coray ist im Testament als Alleinerbin eingetragen. Schild war kinderlos und seine Schwestern waren ausbezahlt worden, als er den Betrieb von seinem Vater übernahm. Im Pachtvertrag ist Gabriela Corays Name als Vertreterin von Edi Schild eingetragen.

«Es geht nur ums Geld»

Einige Wochen nach der Beerdigung meldete sich dann auch der Pächter bei Gabriela Coray. «Er meinte, ich sei doch überfordert mit dem ganzen Papierkram und solle mir einen Anwalt nehmen», führt Coray aus. «Ich fragte ihn, wofür ich einen Anwalt brauche. Wir hatten innerhalb der Familie ja alles geregelt.» Die 57-Jährige liess sich nicht darauf ein.

«Ich bin schon zweimal bei Erbgängen leer ausgegangen. Das sollte mir nicht noch einmal passieren.»

Gabriela Coray zum Erbgang

Mit den Versicherungen musste sie sich weiter herumschlagen, weil die Lebensversicherungen nicht zahlen wollten. Es war ein Kampf gegen Windmühlen. Erst im August, vier Monate nach Edi Schilds Tod, war die Eigentumsübertragung abgeschlossen.

Leider kein Einzelfall

Abo Ab Januar 2023 erlaubt das revidierte Erbrecht mehr Freiheiten beim Pflichtteil. Nachlass Revidiertes Erbrecht ab 2023: Mehr Spielraum beim Pflichtteil Thursday, 20. October 2022 Gabriela Coray sagt rückblickend: «Unter dem Vorwand, man wolle mir helfen, hat man möglicherweise versucht, mir den Betrieb und das Land wegzunehmen. Und ich bin kein Einzelfall.» Sie habe lange darüber nachgedacht, wie und mit wem sie Verträge abschliessen wolle, und auf ihr Bauchgefühl gehört. Sie wolle andere Frauen ermutigen, stark zu bleiben, nicht einzuknicken und vor allem genau hinzuschauen, was geklärt werden muss und was nicht. «Es ist wichtig, dass wir uns wehren», betont sie.

Coray hat alle Dokumente und den Schriftverkehr mit dem Pächter, den Versicherungen und den Ämtern aufbewahrt und datiert. «Ich empfehle allen, sich eine Mappe bereit zu legen mit allen Unterlagen in zweiter und dritter Kopie», sagt sie. Für die Invalidität- und Todesfallversicherungen würde sie heute ein separates Konto eröffnen. «Ich bin gerne bereit, anderen Auskunft zu geben», sagt sie und erwähnt: «Bei korrekt vorausgegangener Regelung bezüglich dem Testament und den Lebensversicherungen schaltet sich keine Kesb ein.»

Doch noch ein Happy End

Zuspruch erhielt Gabriela Coray während dieser schwierigen Zeit von ihrem Umfeld, allen voran von ihren Söhnen. Edi Schild hatte nämlich noch vor seinem Tod für ein Wiedersehen gesorgt. «Ich bin stolz, dass meine Söhne auf einem guten Weg geblieben sind, auch wenn sie 30 Jahre keinen Kontakt zu ihrer Mutter hatten», meint Coray und wird von ihren Emotionen übermannt. Das Fest zur Wiedervereinigung hätte am 22. Mai stattfinden sollen. Leider erlebte Edi Schild das nicht mehr. «Das Fest haben wir trotzdem gemacht», sagt Coray.

«Wir schauen jetzt optimistisch in eine leichtere Zukunft.»

Gabriela Coray zu ihren Zukunftsplänen

Der Plan ist, dass ihre Söhne, heute 34 und 37 Jahre alt, in baldiger Zukunft nach Mauren ziehen werden und ihre Mutter auf dem Hof unterstützen. Damit gibt es für Gabriela Coray doch noch ein Happy End.

Hier bekommen Sie Hilfe

Auf der Website des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) finden betroffene Bäuerinnen unter dem Reiter «Hilfe & Unterstützung» Kontaktadressen von Fachleuten aus der ganzen Schweiz. Als wertvolle Hilfe erweisen sich dabei die Suchraster, aufgeteilt nach Region, Themenbereichen und Art der Beratung, ob eine Rechtsberatung, Mediation oder Coaching gesucht wird.

In schwierigen Situationen braucht es Mut, Kontakt zu Fachpersonen aufzunehmen, die man nicht kennt. Hilfreich ist es, sich wenn immer möglich im Bekanntenkreis zu erkundigen und nachzufragen, welche Erfahrungen von dieser Fachpersonen bekannt sind. Wichtig ist, dass die beigezogene Fachperson tatsächlich vertiefte Kenntnisse über das bäuerliche Bodenrecht hat.

Allenfalls hilft auch ein Anruf beim bäuerlichen Sorgentelefon. Dort kann man anonym bleiben. Auch das bäuerliche Sorgentelefon kann Fachleute empfehlen, ist in erster Linie aber da, um zuzuhören und Gedanken und Gefühle zu ordnen. Das Sorgentelefon mit der Nummer 041 820 02 15 ist Montag von 8.15 bis 12 Uhr, Dienstag von 13 bis 17 Uhr und Donnerstag von 18 bis 22 Uhr bedient.