«Das weiss ich gar nicht, das waren vor mir so viele», meint Martina Wicki auf die Frage, die wievielte Generation sie auf dem Hof sei. Sie hat den Betrieb 2018 als Schenkung erhalten. Und nur vier Jahre später – durch eine Scheidung – fast verloren.

Die Zeit läuft

Martina Wicki ist gelernte Milchpraktikerin, auf dem Beruf hat sie zunächst auch gearbeitet, bis sie mit 24 Jahren Mutter von Larissa wurde. Eine landwirtschaftliche Ausbildung hat sie damals keine gehabt, sie hätte immer gedacht, sie habe ja noch viel Zeit.

Im Jahr 2015 lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen, er stammte nicht aus der Landwirtschaft. Ein Jahr später hat das Paar geheiratet. Ein weiteres Jahr später erblickte Lea, die gemeinsame Tochter, das Licht der Welt. Das Glück schien perfekt, als sie dann 2018 den elterlichen Betrieb von Martina Wicki als Schenkung erhielten. Durch die Schenkung hatten sie die Möglichkeit, das Elternhaus abzureissen und einen Ersatzneubau zu erstellen mit der Familienwohnung und einer Alterswohnung für ihre Eltern. Der Betriebsleiter war und ist bis heute allerdings noch ihr Vater.

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Gekämpft für ihre Familie

Im Grundbuch wie auch bei der Bank als Hypothekarschuldner stand sie stets gemeinsam mit ihrem damaligen Mann. Er habe ihr versichert, im Falle einer Trennung würde er nichts haben wollen, es sei ihr Betrieb und er würde keine speziellen Verträge machen wollen. Das jedoch entpuppte sich Ende 2020 als grosser Fehler.

Dadurch, dass sie gemeinsam in den amtlichen Dokumenten aufgeführt waren und sich auch die Schenkung nicht genauer deklarieren liess, musste Wicki ihren Mann auf dessen Forderung nach der Trennung ausbezahlen. «Ich habe zweieinhalb Jahre gekämpft, damit ich wieder alleinige Eigentümerin des Betriebes bin», erzählt Wicki mit unüberhörbarer Verzweiflung in der Stimme. Denn es ist nicht nur der Betrieb, sondern auch das Zuhause von ihr und ihren Mädchen, ihrer Eltern und auch ihrer Tiere. Schliesslich konnten sie sich einigen, dass sie ihrem Ex-Mann die Hälfte des Ertragswertes ausbezahlen muss.

Da Wicki bis dato allerdings für die Kinder, den Haushalt und die Mithilfe auf dem Betrieb zuständig war, hatte sie entsprechend kaum eigene Mittel. Die Hypothek für den Neubau konnten sie damals aufnehmen wegen des auswärtigen Lohnes ihres Ex-Mannes und der Sicherheit in Form der Liegenschaft. So war ihre einzige Chance eine Erhöhung der Belastungsgrenze, um eine weitere Hypothek aufzunehmen. Das sei in Scheidungsfällen zum Glück oft möglich. Ansonsten hätte sie den Betrieb verloren. Dadurch habe sie nun aber auch mehr Schulden. «Das haben die Leute, welche im Dorf über mich geredet haben, damals, natürlich nicht gesehen. Da hiess es, ich hätte mir von meinem Mann alles bezahlen lassen», erzählt die 34-Jährige. Sie arbeitet nun nebst dem Hof noch zweieinhalb Tage in der Woche auswärts. Ohne ihre Eltern ginge das nicht, ihr Vater übernimmt nach wie vor viele Arbeiten auf dem Hof und ihre Mutter betreut sehr gerne die Kinder.

Trennung und Neuanfang

Da Wickis Vater dieses Jahr pensioniert wird, hat sie nun letztes Jahr erfolgreich den Nebenerwerbskurs absolviert und übernimmt den Betrieb auch als Betriebsleiterin auf Anfang 2025. «Für mich war schon im Kindergarten klar, dass ich auf dem Betrieb bleiben werde.» Ihre beiden Brüder gehen beide ihren eigenen Weg, wobei der Ältere sie und ihre Eltern bei Arbeitsspitzen sehr gerne unterstützt. Er war es damals auch, der bemerkte, dass in der Beziehung von Wicki etwas nicht stimmte. Und zwar so sehr nicht stimmte, dass sie bereits körperliche Symptome wie Ohnmachtsanfälle entwickelt hatte. Sie sei sich damals vorgekommen, wie in ihrem eigenen Zuhause gefangen. Durch seinen Weckruf hatte sie die Kraft, sich zu trennen. «Ohne meine Familie wüsste ich nicht, wie ich das durchgestanden hätte, sie waren mir immer eine grosse Stütze», sagt Wicki.

«Macht Verträge! Und behaltet eure Stärke!»

Martina Wicki, Landwirtin, Milchpraktikerin und Mutter von zwei Mädchen.

Und die Familie hat sie auch im Stall: Vier Generationen Simmentaler-Mutterkühe sind der Stolz ihres Vaters. Und ihre älteste Kuh hätten sie dieses Jahr mit stolzen 23 Jahren erlösen müssen. «In all den Jahren hat sie uns nur ein einziges Kuhkalb geboren», erzählt die Landwirtin, der Rest seien alles Stiere gewesen. Wobei sie die letzten zwei Jahre kein Kalb mehr gehabt habe, manchmal müsse es nicht nur rentieren, sondern das Herz soll auch dabei sein.

Klarheit von Anfang an

In ihr Herz gelassen hat sie mittlerweile auch einen neuen Partner, vorerst als Fernbeziehung. Er kennt ihre Geschichte und weiss, dass sie nun klare Regeln vorgibt. Weil sie im Nachhinein nun viel schlauer sei. Das will sie auch unbedingt – insbesondere den Frauen mit eigenem Betrieb – weitergeben: «Macht Verträge! Und behaltet eure Stärke!»

Das dient nicht dazu, den Partner vor den Kopf zu stossen, sondern der Absicherung beider Partner im Fall der Fälle. Denn so ist der Familienbetrieb geschützt, aber auch allfällige Investitionen des Partners sind klar definiert.

Dass sie wegen ihrer Scheidung fast den Betrieb verloren hätte, nagt noch heute an ihr und ihren Töchtern. Sie will nun aber nach vorne schauen. Den Betrieb will sie erfolgreich führen, um ihre Schulden gut begleichen zu können. Weiter möchte sie den Anbindestall zum Laufstall umfunktionieren und einen Teil des Fleisches ihrer Tiere selbst vermarkten. So bleibt der kleine Betrieb mit dem auffälligen rot gestrichenen Wohnhaus eine weitere Generation in der Familie Wicki.

Betrieb Wicki
 
Betriebsleiterin: Martina Wicki (ab Januar 2025)
Ort: Hasle LU
LN: 8 ha, ausschliesslich Futterbau
Viehbestand: 9 Mutterkühe mit eigener Aufzucht, 2 Pferde mit eigener Aufzucht, 4 Ponys, 1 Esel, 18 Ziegen, 4 Kaninchen, 15 Hühner, 12 Masttruten und 2 Hunde.