Die Liebe zu Trachten und ihr Beruf der Trachtenschneiderin vereint die beiden ungleichen Frauen Esther Schwaller und Isabelle Nicolet. In Nicolets Atelier «Couture Attitude» im freiburgischen Vuadens präsentieren sie je zwei Trachten aus Deutschfreiburg und dem französischen Kantonsteil. Im Kanton Freiburg sind die Vorgaben für die Trachten nicht ganz so starr festgelegt wie in anderen Kantonen. Viele Trachtengruppen und Musikgesellschaften würden jeweils leicht abgeänderte Formen der traditionellen Trachten tragen. Daher könne die Anzahl der Trachten nicht genau beziffert werden, erklärt Esther Schwaller.

Die eigene Tracht wurde selbst genäht

Sie hat während ihrem Studium zur Hauswirtschafts- und Handarbeitslehrerin in den Sommerferien einen Kurs bei einer Trachtenschneiderin gemacht. «Es gehörte hier einfach dazu, dass die eigene Tracht selbst genäht wird», erklärt die 66-Jährige aus Düdingen, die ebenfalls als Grossrätin tätig ist. Seit vielen Jahren ist sie dem Trachtenmetier eng verbunden, arbeitete als Trachtenschneiderin und erlernte auch das Herstellen des Kränzli, also der aufwendigen Kopfbedeckung der Kränzlitracht. Dabei habe sie die Freude nie verloren und ist ständig auf der Suche nach Material zur Kränzliherstellung.

Trachtenserie
In einer losen Aufeinanderfolge stellen wir Trachtenschneiderinnen und Trachten aus verschiedenen Kantonen vor. Heute, in Teil drei, ist eine Auswahl an Freiburger Gewändern an der Reihe. Bereits erschienen sind die Artikel über die Berner sowie die Solothurner Trachten.

Die Verantwortung verteilen

Während sich Esther Schwaller heute auf das Fertigen von Hübeli für die Sonntagstracht und der Kränzli konzentriert, nähen weitere Kolleginnen die Trachten. Gesamthaft gebe es sechs oder sieben Trachtenschneiderinnen in ihrem Gebiet der Sensler Trachten. Denn Esther Schwaller ist es wichtig, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu legen, damit das Wissen nicht verloren geht. Dies gilt besonders für die Herstellung des Kränzli. Dafür hat sie eine detaillierte Präsentation mit Bildern erstellt, in der die Herstellung eines Kränzli genau beschrieben wird.

Die lokalen Handwerkerinnen sind wichtig

Dasselbe macht Isabelle Nicolet bei den beiden von ihr vorgestellten Trachten, der Frauentracht Gurmels und dem Dzaquillon, welcher in der Region von Gruyère, Veveyse und Glâne getragen wird. Auch ihr ist es ein Anliegen, das Wissen zu erhalten. Beide Frauen sind in der kantonalen Trachtenkommission für ihr jeweiliges Sprachgebiet zuständig. Sie betonen, dass im Kanton Freiburg zudem eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Handwerkerinnen wie Klöpplerinnen und Weberinnen besteht.

Die Tracht wird oft getragen

Dossier Dossier Schweizer Trachten Thursday, 29. December 2022 Im Gegensatz zu Esther Schwaller, bestreitet Isabelle Nicolet ihren Lebensunterhalt ausschliesslich mit ihrem Nähatelier, in dem sie nebst der Trachtenschneiderei auch Änderungen, Hochzeitskleidung und verschiedene Produkte, welche aus traditionellen Stoffen gefertigt sind, herstellt. Zudem ist sie eine der wenigen Trachtenschneiderinnen in ihrem Gebiet. Aufgewachsen ist die 39-Jährige in einer Familie, in der die Tracht eine wichtige Rolle spielt. Der Grossvater war Landwirt, der Vater Käser. «Hier wird die Tracht noch oft getragen. Besonders im Zusammenhang mit der Milchwirtschaft ist das hier noch gelebte Tradition», erzählt sie.

Bereits mit 16 Jahren machte sie einen Kurs, um ihren eigenen «Dzaquillon» zu schneidern. Nach der Ausbildung zur Schneiderin EFZ eröffnete sie als 19-Jährige ihr eigenes Atelier und absolvierte die Berufsprüfung zum Eidgenössischen Fachausweis. Anders als im Kanton Bern gibt es im Freiburgischen keine spezifische Ausbildung zur Trachtenschneiderin. Die Amtierenden geben ihr Wissen an Junge weiter.

Die Freude funkelt in den Augen 

«Mein Beruf ist für mich eine Passion, eine Berufung», erzählt die Trachtenschneiderin. Ihre strahlenden Augen und die liebevoll präsentierten Stücke im Laden unterstreichen diese Aussage. Und auch Esther Schwaller ist die Leidenschaft für das Trachtenwesen anzumerken, während sie der Puppe die aufwendige Kränzlitracht anzieht und dabei einen Einblick in ihr riesiges Wissen gibt. «Ich bin Feuer und Flamme für dieses Metier», betont sie, und das ist nicht zu übersehen.


 

Die Aussergewöhnliche: Sensler Kränzlitracht

Sie hat ihren Namen vom Kopfschmuck, dem Kränzli, welches aus Flitterli, Schlötterli, Pailleten, Schaum- und Glasperlen sowie Stoffblümchen besteht. Es ist ledigen Frauen vorbehalten, Verheiratete tragen ein Samtkäppi (Tätschli). 23 Bestandteile prägen die Kränzlitracht, die über mehrere Stilepochen entstand. Das Oberteil besteht aus rotem Tuch, der Rock aus ebenso rotem Wolltuch oder schwarzer Leine. Auf dem schwarz geblümten Seidenschurz sind Rosen verheirateten Frauen vorbehalten. Die Ärmel des Leinenhemds sind gefältelt und gestärkt. Die Haarzöpfe (Trütsche) mit eingeflochtenem, grün wattiertem Wollband sind wichtige Bestandteile. Ledige Frauen tragen sie lang, Verheiratete aufgesteckt. Heutzutage ist das Tragen der Tracht auch ausserhalb der Kirche zu Festivitäten erlaubt. [IMG 2]

 


 

Die Arbeitstracht Dzaquillon

Der Dzaquillon war früher eine Arbeitstracht. Heutzutage wird er bei religiösen Feiertagen und an Familienfesten getragen. Der Rock besteht aus gestreifter oder karierter Baumwolle. Die Farbe ist frei wählbar, die Stoffe werden in der Region Greyerz gewoben. Am Rücken verläuft an der Taille eine 3,5 Zentimeter breite Rüsche. Die Rocklänge beträgt 30 bis 35 Zentimeter ab Boden. Der Schurz mit Latz, der sechs Zentimeter kürzer als der Rock ist, hat keine Bändel. Er wird mit einer von Hand bemalten Holzbrosche am Rock befestigt. Der Schurz hat oben am Latz und unten am Saum eine Stickerei in denselben Farben des Rockes. Die Bluse besteht aus weisser Baumwolle. Um die Schultern wird entweder ein geklöppeltes Dreieck oder ein gewobenes Foulard aus Baumwolle gelegt. [IMG 3]

 


 

Die Sonntagstracht der Senslerinnen

Mieder und Plisseerock bestehen aus rotem Wollstoff. Das Mieder ist bis zur Taille mit einer leichten Rundung offen. Dieser Brustlatz ist mit einem Brokat­einsatz unterlegt. Verheiratete Frauen tragen ein individuell besticktes Samtgöller, ledige ein Göller aus schwarzen Samtbändern und einem farbigen oder schwarzen Brokateinsatz am Rücken. Dieser soll aus demselben Stoff wie der Brustlatz sein. Im Rock sind zwei gelbe Bänder aufgenäht. Der rote Unterrock besteht aus Satin. Der Schurz besteht aus schwarzem, Ton in Ton geblümtem Seidendamast. Als Kopfbedeckung wird eine schwarze Samthaube mit aufrecht gestellter Silberklöppelspitze (von Greyerzer Klöpplerinnen gefertigt) getragen. An der Seite werden farbige Pailletten aufgestickt. Langes Haar wird unter die Haube gesteckt. [IMG 4]

 


 

Die Tracht der Frauen von Gurmels

Der schwarz plissierte Rock und das weinrote Oberteil (beides Baumwolle) bilden eine Einheit. Rocklänge 15 Zentimeter ab Boden. Dazu gehört ein Unterrock aus schwarzer Seide mit schwarzem Spitzenabschluss. Die weisse Leinen- oder Baumwollbluse hat Ärmel mit Baumwoll-Spitzenabschluss. Der Seidenschurz mit Latz, gewoben in der Umgebung, in den Farben Bordeaux, Dunkelblau, Creme und Gelb ist immer senkrecht gestreift. Schurz und Rock sind gleich lang. Das schwarze Samtgöller hat Brokateinsätze. Deren Farben bestimmt die Besitzerin der Tracht selbst. Die schwarzen Klöppelhandschuhe werden von Greyerzer Klöpplerinnen, der Strohhut wird im Strohatelier Rechthalten gefertigt. Als Schmuck wird ein solcher Minihut als Brosche getragen. Zusätzlich kann eine Silberbrosche am Göller befestigt werden. [IMG 5]