Bekommt sie Reaktionen darauf, dass sie als Frau die Ausbildung zur Meisterlandwirtin abgeschlossen hat? Rebecca Streit überlegt. Ja, doch, es gäbe schon Leute, die das gut fänden, sagt sie.
«Chefin geheiratet»
«Am meisten Reaktionen bekomme ich!», fällt ihr Mann Walter ein. Welche denn? «Der Stift hat die Chefin geheiratet und Ähnliches», sagt er trocken. Alle am Küchentisch in Egg ZH beginnen zu lachen.
Walter Streit ist eigentlich Kaminfeger, absolviert aktuell die Zweitausbildung zum Landwirt auf dem künftigen Hof seiner Frau. Hier, auf dem Pachtbetrieb von Rebeccas Eltern, ist auch sie angestellt. 2022 wollen die beiden den Hof übernehmen.
Biomilch für Emmi
Der Betrieb ist gut aufgestellt. 45 Kühe produzieren Biomilch für Emmi. Es sind Holstein, «Nicht die typische Bio-Rasse», meint Rebecca Streit mit einem Schmunzeln. Die Umstellung auf Bio erfolgte bereits 2003. Daneben betreiben sie Futterbau, pflanzen etwas Mais und Dinkel an, der Grossteil der 50 Hektaren im Hügelgebiet ist Grünland.
Die Eier der 160 Legehennen werden direkt an Restaurants und Läden in der Umgebung verkauft. Ein Teil geht über den Hofladen mit Selbstbedienung an die Kunden. Auch der Süssmost und der Apfelschaumwein aus den Äpfeln der 200 Hochstammbäume werden so verkauft.
Erst Schreinerin gelernt
Rebecca Streit lernte zuerst Schreinerin, dann Landwirtin. Ob sie den Hof einmal übernehmen möchte, liess sie eine Weile offen. Dass es ihren Bruder, Ingenieur im Automobilbereich, nicht in die Landwirtschaft zieht, war früher klar. «Irgendwann wusste ich, wenn ich einen Hof mit solchen Möglichkeiten habe, muss ich diese Chance packen», erinnert sich Streit zurück. Deshalb absolvierte sie unter anderem auch die Weiterbildung zur Meisterlandwirtin.
Im vergangenen Mai hat sie diese am Strickhof erfolgreich abgeschlossen, zwei Monate später kam Töchterchen Aileen zur Welt. Mittlerweile ist das Baby sieben Monate alt. «Zur Diplomübergabe konnte ich sie schon mitnehmen», sagt Rebecca Streit.
Die Weiterbildung, den letzten Teil davon schwanger, war eine intensive Zeit. Rebecca Streit scheint es relativ locker gemeistert zu haben. Sie ist eine Frau mit Power – so war sie fünf Tage nach der Geburt wieder am Silieren, das Baby im Tragetuch. «Es ist praktisch, so ein Tragetuch», sagt sie lächelnd.
Meisterlandwirt(in)
Meisterlandwirte leiten landwirtschaftliche Betriebe. Mit ihrer Ausbildung und Erfahrung sind sie sowohl für fachliche Fragen als auch für die Unternehmensführung zuständig.
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«Schulisch anspruchsvoll»
Trotzdem, ganz ohne war die Weiterbildung dann doch nicht. «Nach der Betriebsleiterprüfung sagen alle, mach weiter, jetzt hast du es doch schon fast geschafft. Aber schulisch ist es schon anspruchsvoll», räumt sie ein. Und Zeit nimmt sie auch in Anspruch: Drei Winter hat die 28-Jährige investiert. «Man muss sich ausklinken können, um zu lernen oder um den Businessplan zu erstellen.» Wenn das nicht möglich sei, gehe es nicht.
Als Abschlussarbeit müssen die Absolventen einen Businessplan verfassen. Rebecca Streit rechnete die Hofübernahme von den Eltern und den Hofkauf durch. Die Eigentümer des Pachtbetriebs sind nach Kanada ausgewandert. 1996 konnten Rebecca Streits Eltern den Hof pachten und haben ihn mit dem eigenen Familienbetrieb im Dorf zusammengelegt. Nach 25 Jahren wird der Pachtvertrag auslaufen, der Hofkauf ist eine Option.
Netzwerk wächst durch Weiterbildung
«Nach Übernahme und Kauf haben wir eine solche finanzielle Belastung, dass ich nicht noch einen Hühnerstall oder etwas Ähnliches bauen kann», erklärt Rebecca Streit die Themenwahl ihres Businessplans. Meist rechnet man mit dem Businessplan sonst einen neuen Betriebszweig durch.
Rebecca Streit würde die Meisterprüfung auf jeden Fall weiterempfehlen. «Es kommen so viele unterschiedliche Referenten und man lernt viele Leute kennen. Wenn man später eine Frage zu Versicherungen oder zur Buchhaltung hat, weiss man, wen man fragen kann.»
Die Weiterbildung hat ihr auch neue Themen nähergebracht – etwa die Politik. «Früher war ich weder auf dem Laufenden, noch habe ich mich dafür interessiert. Doch dann lernt man so viel darüber und tauscht sich auch mit anderen aus.»
Umzug auf Hof steht an
Vor der Hofübernahme steht der Umzug der jungen Familie auf den Hof an, während ihre Eltern Rolf und Erika Maurer wegziehen. Die gemeinsame Arbeit auf dem Hof bleibt, es braucht alle. Dass beide Generationen mitziehen, hat Vorteile. Da alle melken können, haben sie abwechselnd am Sonntag frei. Auch Ferien sind möglich.
Tochter Aileen kann familienintern betreut werden, beide Grosselternpaare helfen mit. Dass man trotz Arbeit immer zu Hause ist und man sich die Arbeit selbst einteilen kann, ist denn auch etwas, was Rebecca Streit an der Landwirtschaft besonders schätzt.
Kind, Mann, Hund, Pferd
Auf die Frage nach ihren Hobbies zählt Rebecca Streit auf: Kind, Mann, Pferd, Hund. Er sei sehr froh, dass er auch noch erwähnt worden sei, wirft Walter Streit ein und bringt seine Frau zum Lachen. Mit ihrem Freibergerpferd ist sie gerne mindestens eine Woche pro Jahr unterwegs. Sie präsidiert den lokalen Freibergerverein, der monatlich Anlässe organisiert. Den Kopf lüften hoch zu Ross, das gibt Kraft für künftige Herausforderungen.
Bezüglich Zukunft der Landwirtschaft versucht das Ehepaar Streit-Maurer optimistisch zu bleiben, mit einigen Fragezeichen. «Mit dem Biobetrieb sind wir in Bezug auf die Ökologie ja richtig unterwegs. Aber manchmal frage ich mich schon, ob wir jetzt noch 20 Jahre melken können oder ob irgendwann jeder eine Nische finden muss? Das ist ja gar nicht möglich!», sagt Rebecca Streit.
Es brauche alle Bauernfamilien, auch jene, die konventionell und für den Grosshandel produzieren. «Der grösste Teil der Leute geht schliesslich immer noch im Supermarkt einkaufen.»
Serie: Landwirt(in) - und dann?
In der Artikel-Serie zur Aus- und Weiterbildung zeigen wir, welche Chancen die Weiterbildung in der Landwirtschaft eröffnet. Wir zeigen die Weiterbildungswege, die mit dem Erwerb des Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses offenstehen. Und wir zeigen, was die Berufs- und Meisterprüfung bringen können.
Alle Artikel der Serie unter bauernzeitung.ch/weiterbildung2020