Um es gleich vorweg zu nehmen: die Titelfrage wird in diesem Artikel nicht abschliessend beantwortet. Ganz einfach darum, weil es gar keine 100-prozentige Antwort gibt. Aber der Reihe nach.

Grobfahrlässigkeit: Vollbrand wegen überhitztem Motor

Landwirt Müller ist spät dran. Den Traktor, der tagsüber auf dem Feld in Betrieb war, stellt er um 21.30 Uhr ganz einfach ins Ökonomiegebäude. Nicht gut: der überhitzte Motor fängt infolge eines Defekts eine halbe Stunde später Feuer. Müller bemerkt dies erst, als das Gebäude schon in Vollbrand steht. Trotz Grossaufgebot der Feuerwehr brennt es vollständig ab. Und mit ihm auch Landwirtschafts-Inventar im Wert von Fr. 240'000.–. Müller wird wegen «fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst» verurteilt. Der Inventar-Versicherer kürzt die Entschädigung wegen Grobfahrlässigkeit um 25 Prozent – Müller trägt also Fr. 60'000.– selbst.

Grobfahrlässigkeit ist «eine Ausserachtlassung der elementarsten Sorgfaltspflichten»

Der Begriff «Grobfahrlässigkeit» ist keine Erfindung der Versicherer. Weder in der Versicherungs-Gesetzgebung noch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen wird umschrieben, was Grobfahrlässigkeit genau ist. Als Faustregel gilt: Grobfahrlässigkeit ist «eine Ausserachtlassung der elementarsten Sorgfaltspflichten».

Im Volksmund wird Grobfahrlässigkeit oft mit «Das darf nicht passieren» umschrieben – im Gegensatz zur leichten Fahrlässigkeit: «Das kann mal passieren». In letzter Konsequenz entscheidet also nicht ein Versicherer, sondern eine Gerichtsbarkeit, ob etwas grobfahrlässig ist oder nicht, anhand von individuellen Kriterien.

Bei Grobfahrlässigkeit wird Entschädigung gekürzt

Was die Versicherungs-Gesetzgebung aber vorsieht, ist das Kürzungsrecht. Artikel 14, Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) besagt: «Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grob­fahrlässig herbeigeführt, so ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in ei­nem dem Grade des Verschuldens entspre­chenden Verhältnisse zu kürzen.» Darauf bezieht sich der Versicherer also. Wenn er vermutet oder es sogar richterlich belegt ist, dass der Schaden grob-fahrlässig verursacht wurde, macht er von seinem Kürzungsrecht Gebrauch.

Volle Entschädigung, wenn ...

Wichtig: Diese Bestimmung gilt sowohl für die Haftpflicht- als auch für die Sachversicherung. Die meisten Privatversicherer bieten in diesen beiden Ver-sicherungszweigen Zusatzversicherungen an, die dem Kunden den Verzicht auf dieses Kürzungsrecht garantieren. Aber Achtung: Der Verzicht gilt nicht, wenn beim Schadenfall Alkohol, Drogen oder Medikamenten-Missbrauch im Spiel waren.

Generell gilt: Gerade, weil der Begriff «Grobfahrlässigkeit» grosse (Rechts-) Unsicherheit beinhaltet, sollte der Kürzungsverzicht wo immer möglich mitversichert werden – gerade auch in Sachversicherungen. Mit einer geringen Zusatzprämie können hier unliebsame Überraschungen vermieden werden.