An meiner Konfirmation an Ostern 1960 erklärte ich meiner Tante, ich wolle einmal eine Frau, die besser kochen, aber nicht besser Traktor fahren könne als ich. Und nun lebe ich schon bald 60 Jahre mit einer solchen Person zusammen. Also, das kam so: Im Oktober 1966 besuchten mein zwei Jahre älterer Bruder und ich ein Männerchorkonzert mit Theater in Oftringen AG.

Hübsches Trachtenmädchen

Die Trachtengruppe Oftringen half bei diesem Anlass jeweils mit. Nach dem Konzert, in der Pause, kamen zwei hübsche Trachtenmädchen vorbei und wollten uns Lose verkaufen. Ich nahm allen Mut zusammen und fragte die jüngere Losverkäuferin, ob sie mit mir den nächsten Tanz tanzen würde, aber nur wenn es kein Walzer sei. Dazu muss man sagen, dass ich bis heute nur mässig gut tanzen kann.

Und siehe da, als die Musik aufspielte, kam meine heutige Frau schüchtern, aber mit einem sympathischen Lächeln auf mich zu, und wir versuchten die ersten Tanzschritte. Natürlich hatten mein Bruder und ich nur ein Fahrzeug, das wir vom älteren Bruder ausgeliehen hatten. Ich schlug vor, dass mein Bruder nach Hause marschieren sollte.

Damit war aber Margrit gar nicht einverstanden, also brachten wir Fritz zuerst ins Mühltal. Danach begleitete ich meine neue Bekanntschaft nach Hause. Am nächsten Samstag besuchte ich wieder diese Veranstaltung in der Linde und traf Margrit wieder. So verbrachten wir unser Wochenende danach gemeinsam. Schon früh erzählte ich meiner neuen Freundin von meinem Bubentraum, einmal ein Bauernhaus zu kaufen. Aber davon später mehr.

«Margrit freute sich, umarmte mich, das habe ich nie vergessen»

Der Kauf eines Austin Mini ermöglichte dem jungen Paar neue Freiheiten

Kleines Auto, grosse Freiheit

Damals war es üblich, dass man im Winter aus Kostengründen die Töffnummer bis im Frühling bei der Motorfahrzeugkontrolle deponierte. So hatte ich kein Fahrzeug mehr, und meine Partnerin war auch nicht so begeistert, mit meiner Lambretta auszufahren. Also kaufte ich mir im Dezember 1966 bei der Emil Frey AG in Safenwil AG einen neuen Austin Mini. An einem Sonntag spazierten wir zusammen nach Safenwil, ich zeigte meiner Freundin das Auto und meinte: «Schau, das habe ich gekauft.» Margrit war so überrascht und erfreut, umarmte mich, diese Szene habe ich nie mehr vergessen. Nun machten wir zusammen viele Tagesausflüge, mehrtägige Reisen mit Übernachten waren damals noch nicht erlaubt!

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Im Frühling erledigten wir zusammen an einem Sonntag den Stalldienst, damit mein Bruder an einem Familienfest teilnehmen konnte. Ich verrichtete die Stallarbeiten, Margrit kochte das Nachtessen und wusch das Milchgeschirr. Das hat mich sehr beeindruckt. Auch waren wir bald zusammen beim Heuen oder bei der Getreideernte bei mir zu Hause im Einsatz.

Im Frühling 1969 geheiratet

Dossier Dossier Liebe auf dem Land Friday, 23. December 2022 Im Frühling 1968 wurde Verlobung gefeiert und im April 1969 geheiratet. Wir zogen in ein Zweifamilienhaus, wo wir aber nicht glücklich waren. Bald wurden wir stolze Eltern unserer ersten Tochter. Ich begann nun meine Arbeit als UFA-Berater und wir zogen in eine Blockwohnung nach Lenzburg. Das war für mich eine grosse Umstellung. Wir verbrachten fast jeden Samstag auf unserem elterlichen Betrieb und halfen meinem Bruder in der Landwirtschaft. Im Mai 1973 kam unsere zweite Tochter auf die Welt, unsere Familie war komplett.

Durch einen Arbeitskollegen motiviert, übernahm ich das Amt eines Zuchtbuchführers bei einer Schafzuchtgenossenschaft im Aargau. 1976 verkaufte uns ein «Schäfeler» sein Bauernhaus mit 3 ha Land. Endlich hatte ich mein Bauernhaus. Wir bewirtschafteten das Grasland mit Weiderindern, auch mästeten wir im Sommer eine Gruppe Schweine.

Landwirtschaft und Brennholz

Ich arbeitete weiterhin voll, meine Frau besorgte den Haushalt und schaute zu den Tieren. Unsere Freizeitbeschäftigung bestand nun aus Landwirtschaft und der Beschaffung von Brennholz. Das war eine schöne Zeit, konnte doch die ganze Familie miteinander etwas unternehmen.

Durch unser Heimetli war es nicht möglich, lange in die Ferien zu fahren. Doch unternahmen wir mit den Kindern jährlich einen Ausflug. So umrundeten wir den Boden- und den Genfersee, besuchten Zermatt und den Gornergrat und machten einen Abstecher ins Münstertal. Einmal reisten wir an einem Tag mit dem TGV nach Paris und zurück. Die Ausflüge haben unserer Familie sehr gefallen, unsere Töchter erzählen noch heute davon.

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Schlimme Diagnose

Christian Siegenthaler leidet seit den 60er-Jahren an Morbus Bechterew. Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung mit starken Schmerzen und einer Versteifung von Gelenken.  Schicksalsgeschichte Christian Siegenthaler lebt seit 50 Jahren mit Morbus Bechterew Thursday, 24. February 2022 Mitte der 1990er-Jahre kam eine schwierige Zeit auf uns zu. Durch meine chronische Rheumakrankheit Morbus Bechterew verschlechterte sich mein Gesundheitszustand immer mehr. Seit dem 1.1.1997 bin ich IV-Rentner. Auch meine Frau wurde krank. Diese schweren Wochen und Monaten haben wir aber gut gemeistert und meine Frau hat nie geklagt, obwohl sie auf vieles verzichten musste (Auslandreisen oder Wanderungen usw.). 

Wir verkauften unseren Nebenerwerbsbetrieb im Jahr 2000 an unsere ältere Tochter und ihren Ehemann. Für uns bauten wir ein kleines Einfamilienhaus, unser Stöckli. 1999 heirateten beide Töchter. In den nächsten Jahren wurden uns sieben Grosskinder geschenkt. Nun hüteten wir manchmal die vier Knaben und die drei Mädchen.

Die Enkel(innen) beschäftigen

Meine Frau verstand es meisterhaft, diese lustigen und kecken Kinder zu beschäftigen. So pflanzte Margrit mit unserem ältesten Enkel, er besuchte da etwa die zweite Klasse, Kartoffeln. Unsere Nachbarin, eine Lehrerin, schaute interessiert zu und machte folgendes Kompliment: «Würden sich alle Grossmütter so mit ihren Grosskindern abgeben, so hätte ich es auch einfacher in der Schule.»

An Ostern 2019 wurde die idyllische Zeit jäh unterbrochen, wurde ich doch mit der Ambulanz mit Blaulicht ins Kantonsspital gefahren mit Verdacht auf Herzinfarkt. Es folgten Herzoperationen und Reha. Einmal konnte mich Margrit nicht mehr wecken, durch ihr geistesgegenwärtiges Handeln hat sie mir das Leben gerettet. Für die täglichen Spitalbesuche bin ich ihr heute noch dankbar.

«Unsere Liebesgeschichte ist eigentlich keine spektakuläre»

Christian Siegenthaler über seine Ehe mit Margrit

Ungeschickte Aussage

Noch eine Episode möchte ich aufschreiben. Bei einem Seniorenausflug erwähnte ich bei einer Diskussion mit anderen Reiseteilnehmer(innen), es sei nicht entscheidend, ob die Ehemänner kochen, waschen oder die Kinder wickeln würden, damit eine Ehe Bestand habe. Diese Aussage war nicht gut, und die Frauen meinten, ich sei ein Macho. Da sagte Margrit kurz und bündig: «Mir bruche dänk ennand!»

Vor rund anderthalb Jahren machten sich auch bei meiner Frau Müdigkeitserscheinungen bemerkbar. Der Hausarzt stellte Blutmangel fest. Im Frühling wurde gründlich untersucht und Blutkrebs diagnostiziert. Nun muss sich Margrit einer Chemotherapie unterziehen.

Auch haben wir unser Einfamilienhaus verkauft und sind per 1. November in eine Alterswohnung gezügelt. Margrit und ich hoffen, dass wir noch einige Jahre zusammen das Seniorenleben geniessen können. Eventuell ist es uns vergönnt, unsere goldene Hochzeit zu feiern.

Über ein halbes Jahrhundert

Unsere Liebesgeschichte ist eigentlich keine spektakuläre Geschichte. Einmal meinte eine Nachbarin zu uns, es sei eine langweilige Ehe, wenn nicht gestritten werde. Eine 60-jährige ledige Bekannte sagte, wir seien unromantisch. Und zu guter Letzt fand ein 50-jähriger, geschiedener Mann in einem Restaurant, wir seien altmodisch.

Da frage ich mich manchmal schon, wieso immer nur von den gescheiterten Ehen geredet und geschrieben wird und wenig darüber nachgedacht wird, warum zwei Menschen über ein halbes Jahrhundert ihres Lebens und mehr zusammen verbringen.

Wir suchen Ihre Liebesgeschichte!
Wenn zwei Menschen sich nahe kommen, gibt es Hochs und Tiefs, gemeinsam überstandene schwere Zeiten und Stunden voller Freude.

Zu einer Beziehung gehören aber auch Enttäuschungen, der Aufwand, sich wiederzufinden, und nicht immer war es am Ende der oder die Richtige.[IMG 4]

Wir widmen der Liebe auf dem Land eine Serie und suchen dazu Ihre persönliche Geschichte. Möchten Sie uns von Ihren Erlebnissen erzählen – egal, ob es um die grosse Liebe geht, einen Rückschlag oder eine gute Zeit mit einer besonderen Person. Wir freuen uns auf Ihre Schilderungen!

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