Arno Lietha lebt in zwei unterschiedlichen Welten. Einerseits arbeitet der Agrotechniker über die Sommermonate, hauptsächlich während der Heuernte, im Stundenlohn auf dem elterlichen Mutterkuhbetrieb im bündnerischen Fideris. Andererseits ist er Skitouren-Rennfahrer und Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft. «Nach einem langen Arbeitstag auf unseren Heuwiesen bin ich müde, da brauche ich kein zusätzliches Training mehr», erklärt der 27-jährige Prättigauer. Den ganzen Tag in den steilen Hängen des Maiensässes in den Fideriser Heubergen zu arbeiten, sei für ihn gleichzeitig ein gutes Grundlagentraining.

Jährlich kommt der Bündner Athlet auf rund 750 Trainingsstunden

Neben seiner Arbeit auf dem Hof kommt der 1,89 Meter grosse Sportler auf rund 750 Trainingsstunden pro Jahr. Im Sommer verbringt er viele Stunden auf dem Mountainbike, kurze intensive Einheiten macht er bei Bergsprints mit Stöcken. Ähnlich wie die Alpin-Skifahrer geht es im Herbst auf die Gletscher ins Schneetraining. Nach dem ersten Schneefall wird dann auf den Pisten trainiert.

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Arno Lietha hofft auf eine Qualifikation für die Olympiade

Der Skitouren-Rennsport (Kasten), auch bekannt als Ski Mountaineering, ist die Wettkampfvariante des Skitourengehens. 2026 wird der Sport erstmals an den Olympischen Winterspielen in Milano-Cortina (I) mit den Disziplinen Sprint und Mixed-Staffel Teil des Programms sein. Je zwei Frauen und Männer des Schweizer Nationalteams werden im italienischen Cortina d’Ampezzo dabei sein können. «Die Selektionen finden im kommenden Januar statt, ich hoffe natürlich, dass ich dabei sein kann», so Arno Lietha. In den letzten Jahren gewann er mehrmals den Sprint-Weltcup, im Jahr 2019 wurde er in dieser Disziplin sogar Weltmeister.

Der Skitouren Sport liegt bei Lietha in der Familie

Bis zu seinem 16. Lebensjahr fuhr der grossgewachsene Bündner alpine Skirennen. Erst mit 17 begann Arno Lietha mit Ski Mountaineering. Schon sein Vater habe Skitouren Rennen gemacht und auch seine Schwester und sein Bruder seien in diesem Sport aktiv. «Mir gefällt die Vielfalt am Ski Mountaineering. Man braucht sowohl Ausdauer als auch eine gute Abfahrtstechnik. Wichtig sind zudem die koordinative Fähigkeiten für die Wechsel», erklärt der Spitzenathlet.[IMG 5]

Die Angus-Rasse passt zum Bergbetrieb

Arno Lietha ist im Sport sehr fokussiert. In den kommenden Jahren wird er den elterlichen Biohof übernehmen. Da stellt sich die Frage: Wird er in der Landwirtschaft auch ähnlich ambitioniert unterwegs sein? «Ich habe sicher schon einige kleinere Anpassungen im Hinterkopf, aber grundsätzlich haben meine Eltern den Betrieb, den sie von Grund auf aufgebaut haben, schon ziemlich optimiert», erklärt Arno Lietha in seinem unverkennbaren Prättigauer Dialekt.

Da ein grosser Teil der rund 30 Hektar Betriebsflächen steil sind und sich in der Bergzone 3 und 4 befinden, liegt der Anteil an BFF-Flächen bei fast zwei Dritteln. Im Stall stehen 15 Angus Mutterkühe mit Nachwuchs. «Wir setzen auf diese Rasse, da wir mit Angus ohne Kraftfutter und Mais schön gedeckte Natura-Beef-Tiere erhalten», begründet der Junglandwirt die Rassenwahl. Dank der intensiven Tierbetreuung seien die Tiere sehr genügsam und umgänglich. «Wir binden die Kälber täglich kurz an, damit sie sich an uns Menschen gewöhnen und sich gut führen lassen», so Arno Lietha.

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Ein Ereignis mit dem Grossraubtier, mit Folgen

Bis vor einigen Jahren hätten sie ihre Kühe jeweils im Februar und März abkalben lassen. Kühe und Kälber hätten den Sommer gemeinsam auf der Alp Tarnutz verbracht. Doch dann kam es zu einem Ereignis mit einem Grossraubtier. «Wir hatten zwar keine Tierverluste, unsere Herde verhielt sich aber danach extrem nervös. Unsere normalerweise handzahmen Kühe wurden plötzlich eine Gefahr für Hirten und Wanderer», erinnert sich Arno Lietha zurück. Auch noch im folgenden Winter seien die Tiere im Stall äusserst schreckhaft gewesen. Mittlerweile lässt die Familie ihre Kühe im Oktober abkalben, wodurch keine kleinen Kälber mehr gesömmert werden müssen. «Da die Kühe so keine Jungtiere mehr schützen müssen, ist ihr Mutterinstinkt auf der Alp weniger ausgeprägt, was die Gefahr einer erneuten starken Verhaltensänderung der Kühe reduziert», erklärt Lietha. Mittlerweile wurden dennoch die stark begangenen Wanderwege auf der Alp ausgezäunt, um Konflikte zwischen Tieren und Menschen zu vermindern.

Der Fokus liegt voll auf der Olympia-Qualifikation

Infolge seines Sportlerlebens bewegt sich Arno Lietha oftmals unter Menschen, die kaum noch Bezug zur Landwirtschaft haben. Gerade bei Themen wie Grossraubtieren oder Direktzahlungen beobachtet er dabei viel Unwissen. «Wenn ich gefragt werde, erkläre ich Interessierten die Zusammenhänge und Herausforderungen der Landwirtschaft gerne, missionieren möchte ich aber nicht.» Auf dem Biobetrieb seiner Eltern arbeite man mit regional vorhandenen Ressourcen und wirtschafte dadurch sehr nachhaltig. Auch auf innovative Technik wie den elektrischen Einachsmäher Monotrac wird gesetzt. «Die Nachhaltigkeit wird auch bei meiner zukünftigen Betriebsführung wichtig bleiben. Neben einer naturnahen Produktion sollte es auch wirtschaftlich aufgehen. Dazu ist es mir wichtig, dass es auch im sozialen Bereich stimmt. Ich möchte, dass mir zukünftig neben der Arbeit auch weiterhin Zeit für Freizeit und Sport bleibt.» Die Betriebsübernahme ist zwar angedacht. Momentan richtet Arno Lietha seinen Fokus aber voll auf die Olympia-Qualifikation. «Ich werde sowohl im Training als auch an den diesjährigen Wettkämpfen vollen Einsatz geben, damit es für eine Selektion reicht.»

Der Skitouren-Rennsport im Überblick

Während Alpin-Skifahrer nur die Piste herunterfahren, laufen Skitouren-Sportler auch hoch. Im Skitouren-Rennsport gibt es die vier Wettkampf-Disziplinen Vertical (nur aufwärts, rund 30 Minuten Renndauer), Individual (mehrere Aufstiege und Abfahrten, 45 bis 90 Minuten), Mixed Staffel und Sprint. Der Sprint und die Mixed Staffel sind die einzigen Disziplinen, die an den kommenden Olympischen Spielen ausgetragen werden. Analog zum Langlaufsprint besteht der Sprint aus einem Qualifikationsrennen, das einzeln bestritten wird und den Viertel-, Halb- und Finalläufen, bei denen jeweils sechs Athletinnen beziehungsweise Athleten gleichzeitig am Start stehen. Der Kurs besteht aus einem Aufstieg, welcher teils auf Skiern, teils zu Fuss bewältigt werden muss und einer rasanten Abfahrt. Eine Runde dauert nur rund drei Minuten und ist entsprechend intensiv. Wichtig sind in diesem Wettkampf-Format auch die Wechsel, bei denen die Ski ausgezogen und am Rucksack befestigt und später wieder montiert werden. Beim letzten Wechsel vor der Abfahrt wird dann das Fell vom Ski entfernt. Momentan stellen die Länder Spanien, Frankreich und die Schweiz in der Disziplin Sprint die stärksten Athletinnen und Athleten.