Fast so lange Eliane Christen laufen kann, steht sie auf den Ski. Ihre Eltern Sonja und Remo Christen sind beide Skilehrer. «Wir wuchsen sozusagen auf den Pisten des Skigebiets der Ski-Arena Andermatt-Sedrun auf», erinnert sich die heute 24-Jährige zurück.

Schwester als Vorbild

Schon von klein auf eiferte sie ihrer eineinhalb Jahre älteren Schwester Maria nach, folgte ihr erst in den Skiclub und durchlief mit ihr viele Kaderstufen. Die beiden Christen-Schwestern galten als sehr talentiert, entsprechende Erfolge stellten sich ein. Das bedeutete für die Bauernfamilie aus Hospental viele Wochenenden, die sie in der ganzen Schweiz an Jugendskirennen verbrachten. «Das war für mich nie ein Muss, Skifahren begeisterte mich schon immer, und auch heute liebe ich es, auf zwei Brettern in den Bergen unterwegs zu sein.»

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Matura an Sportmittelschule

Die frühen Erfolge hatten den Vorteil, dass die Schwestern bereits in jungen Jahren von Marken wie Head unterstützt wurden. Dies entlastete das Familienbudget etwas. Nach Abschluss der Schulzeit wechselte Eliane in die Sportmittelschule Engelberg, wo sie die Matura machte. Nach drei Jahren, in denen sie Teilzeit in einem Sportgeschäft arbeitete, begann sie 2021 an der ETH Zürich ein Studium der Agrarwissenschaft und plant, dieses in drei Jahren abzuschliessen.

Schwere Verletzungen

Weniger gradlinig als ihre Ausbildung lief ihre Vergangenheit im Sport. Zwar erreichte sie schöne Erfolge wie 2017 den U-18-Junioren-Schweizer-Meister-Titel im Riesenslalom. Mehrere schwere Verletzungen, darunter zweimal ein Schien- und Wadenbeinbruch, warfen sie in ihrer sportlichen Entwicklung aber zurück. Im Frühjahr 2022 hatte sie ihre letzte von bisher zehn Operationen. Nach einem intensiven Aufbautraining im vergangenen Sommer startete sie im letzten Winter im Europacup. Der Einstieg war zäh. Nicht nur musste sie wieder volles Vertrauen in ihren Körper und ins Skifahren gewinnen, auch ihre Anfang Winter sehr hohen Startnummern und die damit verbundenen schwierigen Pistenverhältnisse erschwerten gute Resultate. «Erfreulicherweise konnte ich mich dann im Verlauf des Winters steigern und schaffte so den Sprung ins B-Kader von Swiss Ski.» Dass sich Eliane Christen nach so einer Verletzungsserie wieder zurückkämpfte, ist nicht selbstverständlich. «Eliane hat einen unbändigen Willen und einen ziemlich harten Kopf», erklärt ihr Vater Remo Christen mit einem Schmunzeln, und seine Tochter ergänzt unmittelbar: «Meine Kindheit und die Mitarbeit auf unserem Hof haben sicher zur Härte und Ausdauer beigetragen, die im Spitzensport so entscheidend sind.»

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Beim Heuen spät Feierabend

Dossier Dossier Sportliche Bäuerinnen und Bauern Friday, 7. July 2023 An ihre Jugendzeit auf dem grossen Schafbetrieb hat sie sehr gute Erinnerungen, auch wenn es beim Heuen manchmal schon ziemlich spät Feierabend gab. Die Landwirtschaft bedeutet ihr viel, das unterstreicht auch ihre Studienwahl. Den Bauernhof ihrer Familie wird voraussichtlich Remo Christen, der ältere ihrer beiden Brüder, übernehmen. Der 20-Jährige plant, in naher Zukunft die Ausbildung zum Landwirt EFZ zu machen.

Aufgabenbereich auf dem Hof

Wenn es sich in ihr gedrängtes Programm einbauen lässt, unterstützt Eliane Christen ihre Familie bei Erntearbeiten oder bei der Schafbetreuung. Einer ihrer fixen Aufgabenbereiche sind die TVD-Meldungen. Bei der grossen Tierzahl, und da ihre Schafe auf vielen unterschiedlichen Standorten weiden, sei dies ein enormer Aufwand. «Ich bin froh, übernimmt Eliane diese Arbeit, welche mich selber nicht wirklich begeistert. Zudem macht Eliane das viel und effizienter als ich», betont der erfahrene Schäfer Remo Christen.

Anspannung bei Tierverlusten

Rund 480 Schafe leben auf dem 35-Hektaren-Betrieb der Familie Christen, 330 Tiere davon gehören zur Rasse Engadinerschaf. Diese gelten als Entbuschungskünstler, welche Grünerlen erfolgreich zurückdrängen können. Mit der Unterstützung eines Schafhirten bewirtschaftet die Familie Christen zusätzlich noch grosse Weidgänge im Urserntal und die Schafalp Guspis im Gotthardgebiet. «Wir hatten leider auch schon Tierverluste durch Grossraubtiere. Gibt es bei uns in der Region eine Wolfsichtung, steigt die Anspannung innerhalb der Familie spürbar an», erklärt Eliane Christen. Die Arbeit auf dem Hof und das Agrarwissenschaftenstudium seien für sie ein guter Ausgleich zum Spitzensport. «Wir Skifahrer leben schon in unserer eigenen Bubble. Dank Studium und unserem Betrieb wird mir immer wieder vor Augen geführt, dass die Welt nicht nur aus Spitzensport besteht.» Dennoch fühle sie sich in der Skifahrerfamilie sehr wohl. Mehrere ihre Fahrerkolleginnen würden ebenfalls aus Bauernfamilien oder aus ländlichen Regionen stammen.

Liebe zur Bergwelt

Sie liebe Skifahren. Insbesondere der Speed beim Fahren und die herrliche Bergwelt hätten es ihr angetan. Zudem sei der Skisport eine harte Lebensschule. «Trotz all der Widrigkeiten, welche die Verletzungen mit sich brachten, entwickelte ich mich in dieser Phase persönlich weiter.» Der Skisport hat für die junge Urnerin im Moment höchste Priorität. Eliane Christen wünscht sich, verletzungsfrei zu bleiben, und möchte sich im kommenden Winter mit guten Resultaten in Europacup-Rennen für Weltcupeinsätze aufdrängen. Ihre berufliche Zukunft sieht sie definitiv in der Agrarbranche. «Ich wünsche mir in meinem späteren Berufsleben, ähnlich wie beim Skifahren, viel Zeit in der schönen Bergwelt zu verbringen.»

 

Eliane Christen
Wohnort Hospental UR
Daten 24 Jahre, 162 cm
Ausbildung Matura, aktuell Studium der Agrarwissenschaften
Disziplinen Hauptsächlich Slalom und Riesenslalom
Erfolge U-18-Junioren-Schweizer-Meister-Titel im Riesenslalom, U-21-Vize-Schweizer-Meister-Titel