Die Frau mit den strahlend blauen Augen lächelt herzlich bei der Begrüssung. Dann krempelt sie die Ärmel hoch, nimmt ihre massgefertigte Sägesse in die Hände und alle gehen ihr aus dem Weg. Iris Aebli ist die schnellste und präziseste Handmäherin der Schweiz. Sie legt los, und das Gras fliegt.

Ungenauigkeit wird bestraft

Iris Aebli arbeitet sich mit enormem Tempo und Kraft vorwärts. Das Video im Zeitraffer zeigt hochpräzise und fliessende Bewegungen, während die Augen den Weg abscannen. Beim Handmähen zählt nicht nur die Schnelligkeit, im Wettkampf gibt es Strafpunkte für «Schnäuze» und unregelmässige Schnitthöhe.[IMG 1]

Iris Aebli führt den Schweizermeister-Titel im Handmähen seit drei Jahren in Folge, an der Europameisterschaft 2017 – sie findet alle zwei Jahren statt – wurde sie Dritte, seit Ende Juli ist sie sogar Vize-Europameisterin (Video vom WM-Lauf). Die 31-Jährige schafft mit einem Schwung eine Breite von 260 Zentimetern; keine Frau mäht im Wettkampf breiter, obwohl Iris Aebli mit 162 Zentimetern Körperlänge nicht zu den Grossgewachsenen gehört.

Den Stiel ihrer Sägesse hat ihr Bruder, ein Mechaniker und ebenfalls Handmäher, aus Alu geschweisst. Die landläufigen Holzstiele halten der Kraft der Bäuerin nicht immer stand. Das 125-Zentimeter-Blatt blitzt in der Sonne, Schärfen ist Sache der Chefin.

Ziegen und OB-Kühe im Stall

Franz und Iris Aebli mit ihrer sechsjährigen Tochter Mia führen in Mogelsberg im Toggenburg SG einen Landwirtschaftsbetrieb. Mit Original-Braunvieh-Kühen und Gämsfarbigen Gebirgsziegen produzieren sie Milch und verkaufen Zuchttiere. Spitzenplätze weisen sie auch in dieser Sparte vor, so steht die amtierende Miss OB Toggenburg in ihrem Stall beziehungsweise den Sommer durch auf der Alp.

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Aeblis betreuen zusammen mit Vater Jakob Aebli auf der 330 Hektaren grossen Alp Jetz in Elm 150 Rinder und Galtkühe.

Iris Aebli arbeitet auf dem Landwirtschaftsbetrieb voll mit. Die gelernte Bäckerin-Konditorin hat den Umgang mit Melkaggregaten genauso im Griff wie mit Kochtöpfen. «Jede Bäuerin ist eine Leistungssportlerin.» Dieser Satz fiel in einem Chat unter Berufskolleginnen zum Thema Bäuerinnen und Sport. «Der ganze Alltag ist Training», bestätigt Iris Aebli: Heuen, z Alp gehen, Eingrasen für die Ziegen. Kondition holt sie sich beim Schwimmen und Radfahren. Im Hinblick auf die Europameisterschaft, die vor einem Monat in Slowenien stattfand, übte sie gemäss EM-Modus das Mähen einer Fläche statt einer Bahn, wie es in der Schweiz üblich ist. Sie intensivierte ihre Trainingseinheiten, ging zweimal wöchentlich schwimmen. Dann erwischte sie zwei Wochen vor der EM eine Erkältung, das Training musste ruhen. Sie überlegte sich eine Absage vom Wettkampf und ging doch.

Das Schweizer Team reiste im Car nach Slowenien, mit dabei war Ehemann Franz. «Die vier Tage waren für uns Ferien», sagt Iris Aebli. Der Anlass sei immer ein Riesenfest.

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Maushaufen und Blacken weggeräumt

Die Wettkampffelder wurden ausgelost. Die Toggenburgerin räumte in ihrem Feld ein halbes Dutzend Maushaufen weg und riss einige Blacken aus, wie es das Reglement erlaubt, dann ging sie an den Start. In 55 Sekunden hatte sie die Fläche von 5 auf 7 Meter gemäht, schneller als die Siegerin, aber mit mehr Strafpunkten bei der Genauigkeit. Viel gab es allerdings auch bei Iris Aebli nicht auszusetzen – einen Podestplatz hatte sie angestrebt und reiste mit EM-Silber zufrieden nach Hause.

Das sportliche Hoch von Iris Aebli ist konstant: Die Ostschweizer Meisterschaft gewann sie kurz vor der EM, im August holte sie an der Berner Meisterschaft den Tagessieg und an der Innerschweizer Meisterschaft Ende August den dritten Rang. Damit wurde sie zum vierten Mal Schweizermeisterin im Handmähen. Und an der nächsten Europameisterschaft in zwei Jahren wäre Iris Aebli auch gerne dabei: «Einer von drei Podestplätzen fehlt noch.»

Das Preisgeld beim Handmähen sei nicht gerade überzeugend, scherzt Ehemann Franz, der das Mähwerk statt der Sägesse bevorzugt. Geld gibt es an diesen Wettkämpfen nämlich gar keines, sondern Kränze für das beste Drittel und Naturalpreise wie gravierte Stabellen für Podestplätze. Sponsorenverträge kennt diese Branche noch nicht. Immerhin bekam das Schweizer Team die Bekleidung für ein einheitliches Auftreten gesponsort. Der Rest wird aus eigener Kasse bezahlt.

Die Tochter kann es auch schon

Tochter Mia hingegen ist beim Handmähen voll dabei.

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Gerade fährt sie mit einem Kinderquad vor, lädt in die angehängte Kiste das Gras, das ihre Mutter gemäht hat, und bringt es den Ziegen. Das Quad gewann die Sechsjährige diesen Juli mit einem zweiten Rang an der Ostschweizer Handmäh-Meisterschaft.

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Betriebsspiegel
- Betriebsleiter Franz und Iris Aebli, Tochter Mia (6 Jahre) 
- Ort Mogelsberg SG
- LN Heimbetrieb mit 10 ha Grünland, dazu Pacht einer Alp in Elm mit 330 ha
- Tierhaltung 15 Original-Braunvieh-Kühe mit 8 bis 10 Aufzuchttieren; 20 Gämsfarbige Gebirgsziegen; auf der Alp Betreuung von 150 Tieren
- Nebenerwerb Betriebsleiter als Fütterungsberater