Wer die Braunviehkönigin Luzia Bieri daheim besuchen will, gelangt nur über kurvige, immer enger werdende und teilweise schneebedeckte Strassen ans Ziel. An der Tafel, auf der normalerweise die Leckereien des Hofladens angekündigt werden, prangt ein grosses Bild von Luzia im Dirndl. So wissen die Besucher(innen) gleich, dass sie hier bei der Braunviehkönigin richtig sind.

Wir befinden uns in Rengg, am Under Münenberg, im hügeligen Entlebuch, wo Luzia Bieri in der Dachwohnung des Elternhauses wohnt. Dort erwartet sie uns bereits in Entlebucher Festtagstracht (vom Oberen Amt). Diese habe sie in der dritten Generation direkt von ihrem Grosi übernehmen können, berichtet sie. Sie selber wohne zwar im Unteren Amt, aber ihre Mutter, wie eben auch ihr Grosi, seien aus dem Oberen Amt. Mit ihr zusammen begrüssen uns ihre Eltern und Reto, einer ihrer beiden älteren Brüder.

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Mit dem Liebling aufs Foto

Als erstes holt Luzia Bieris Bruder gleich Moli, Luzias Lieblingskuh, aus dem Stall, denn die Fotoaufnahmen sollen mit ihr zusammen gemacht werden. Moli ist eine Original-Braunvieh-Kuh aus dem Natursprungstier Mano, von dem Familie Bieri mehrere euterstarke Kühe erhalten hat.

Moli ist knapp achtjährig, in der fünften Laktation und ein «alter Hase» im Modelbusiness. «Wenn jemand ein Foto mit einer Kuh machen will, dann nehmen wir immer Moli. Sie weiss, wie es geht, und ist nicht aus der Ruhe zu bringen» meint Vater Ueli Bieri schmunzelnd. «Sie ist einfach ein Garant, dass alles klappt. Schon ihre Mutter Alpenrose war eine ‹Gmüetsmoore›.» Die Gelassenheit der Zuchtfamilienkuh Alpenrose und ihrer Nachkommen könnte daher rühren, dass diese ursprünglich aus dem bernerischen Süderen vom Zuchtbetrieb von Simon Maurer stammt.

Die mit exzellent 91 eingestufte Moli ziert bereits Familienfotos, hat für Braunvieh Schweiz posiert und steht auch für die BauernZeitung hin, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Ihre ruhige Art und das Strahlen von Luzia geben ein harmonisches Bild ab. Man merkt: Die beiden kennen und mögen sich. Luzia erzählt, dass Moli aus eigener Zucht stamme; sie kenne das Tier schon, seit es ein kleines Kälbchen war. Nun habe Moli im letzten November mit Eli zum ersten Mal ein Kuhkälbchen geboren. Eli stamme aus dem Jungstier Einar Edelweiss, von dem an Rinderschauen aktuell viele starke Nachkommen zu sehen sind. Die ganze Familie habe sich riesig darüber gefreut, dass man nun eine Tochter von Moli «nachnehmen» könne. Die Zucht erfolgt bei Bieris mehrheitlich noch mit dem Natursprung; der letzte Stier war Konsag, ein Ursin-Sohn aus der Dauerleistungskuh AJA-ob Leo Walli.

Von der Kuh inspiriert

Die Natursprungstiere werden zugekauft und stehen jeweils zwischen Herbst und Frühling auf dem Betrieb. Eigentlich wird auf dem Betrieb von Familie Bieri mit dem Natursprung gearbeitet. Die einzige Ausnahme im Stall sei Moli, die Bieris künstlich besamten. Der Grund dafür sei, dass Moli so mit einem Muni mit positiven Abkalbeeigenschaften angepaart werden könne. Denn sie habe bei der Geburt bereits ein paarmal Pech gehabt und immer wieder Zeit benötigt, um sich zu erholen.

«Ich muss sagen, sie ist für mich ein grosses Vorbild», meint Luzia. «Never give up» ist ihr Lebensmotto, das sie auch als Tattoo auf dem Arm trägt. Das passe auch zu Moli sehr gut. Bieris haben die sympathische Hornkuh nie aufgegeben, sie ist schon fast ein bisschen eine Familienkuh. «Wenn es mir mal nicht so gut geht, dann denke ich an Moli. Sie ist auch immer wieder aufgestanden», meint Luzia. Und sie sei das erste Rind gewesen, das sie als Jungzüchterin vorgeführt habe.

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Hoch hinaus auf die Alp

Luzia kennt die Zucht und weiss, was für Kühe im Stall stehen. Das Züchten und die Auswahl des Munis überlasse sie aber ihrem Vater, das sei sein Reich. Und irgendwann dann das ihres Bruders, der den Hof übernehmen werde, sagt Luzia.

Ursprünglich hat Familie Bieri mit Brown-Swiss-Tieren gezüchtet. Als sie jedoch einmal auf einer Alp Original-Braunviehkühe sahen, waren sich Luzia Bieris Eltern einig, dass sie auf diese Doppelnutzungsrasse wechseln wollten. Zuerst kreuzten sie ihre BS mit OB ein, später kauften sie dann reine OB zu. Inzwischen stehen nur noch selbstgezogene OB im Stall, alle mit Hörnern. «Wir haben auf der Alp die bessere Milchleistung als vorher mit den reinen Milchrassen-Tieren», erzählt Luzias Vater Ueli Bieri.

Im Sommer geht die Familie immer z’Alp mit ihren Kühen und Rindern, einzig die Aufzuchtkälber bleiben auf dem Talbetrieb. Bieris produzieren ihren eigenen Alpkäse. Diesen verkaufen sie sowohl in einem Kühlschrank auf der Alp als auch im kleinen Hofladen direkt beim Haus und einigen Läden in der Region. In ihrer Freizeit hilft Luzia ihrer Mutter gerne beim Abpacken oder auch beim Ausliefern des Käses. «Sie ist mir eine grosse Stütze», sagt Martha Bieri.

«Die Alpzeit ist schon etwas, das unsere Familie geprägt hat», sagt die 21-jährige Luzia, als sie an ihre Kindheit zurückdenkt. Die Alp «Gross Risch» ist mit dem Auto in ungefähr zwanzig Minuten erreichbar. So ist es nicht verwunderlich, dass Luzia auch heute noch im Sommer, wenn sie Ferien hat oder es die Arbeit zulässt, auf der Alp anzutreffen ist. Wenn sie früh Feierabend hat, ist sie immer im Stall anzutreffen, und im Sommer schaut sie zu den Aufzuchtkälbern, die dann auf dem Weideland im Talbetrieb sind. Oder sie hilft bei der Heuernte; dabei sei sie gerne auf dem Heukran, erzählt Luzia. Wenn sie daneben noch etwas Zeit hat, geht sie reiten oder ist in der Natur anzutreffen, wandernd im Sommer, beim Schneeschuhlaufen im Winter. Luzia jodelt sehr gerne und auch das Kochen und Backen machen ihr Freude.

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Gerne in Kontakt mit Menschen

Luzia ist Fachfrau Betreuung und hat im Sommer 2024 noch den Pflegebehandlungskurs mit Kompetenzen für den Beruf Fachfrau Gesundheit abgeschlossen. So könne sie nun nicht nur die betreuenden Aufgaben übernehmen, sondern auch die medizinaltechnischen, wie beispielsweise Blutabnehmen.

Luzia arbeitet in dem Altersheim, in dem sie auch ihre Ausbildung gemacht hat. So arbeitet sie zuerst mit den Senior(innen) und schaut, dass es ihnen gut geht. Zu Hause im Stall kümmert sei sich dann um die Kühe. «Sie hat eine soziale Ader», bestätigt ihre Mutter nicht ohne Stolz.

Die Kühe sind im Altersheim auch immer wieder ein Thema. Einige der Menschen in der Demenzabteilung, in der Luzia arbeitet, haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund und reden sehr gerne mit ihr darüber. «Wenn Erinnerungen hochkommen, dann erzählen sie mir, wie es früher war», berichtet Luzia. «Und sie haben grosse Freude, wenn ich von daheim erzähle und sie so mit jemandem über die Landwirtschaft reden können.»

Manchmal sei es schon psychisch und physisch anstrengend. Doch sie habe von Haus aus eine gute Grundfitness, so Luzia. Den Beruf hat sie gewählt, weil sie schon immer gerne den Kontakt zu Leuten pflegte. Und in der Betreuung sei sie sehr eng mit Menschen zusammen.

Der lange Weg zum Titel

Ihre Kontaktfreudigkeit hat sicher auch eine Rolle gespielt, als Luzia sich als Kandidatin für das Amt der Braunviehkönigin anmeldete. Mit ihrer Vorgängerin Alessia Sonderegger zusammen habe sie schon Erfahrungen als Ehrendame sammeln dürfen. Durch den elterlichen Zuchtbetrieb hat Luzia auch den Kontakt zum Braunvieh gehabt. «Es wäre schon schön, wenn ich das Braunvieh als Königin vertreten könnte», habe sie sich gedacht. Zudem hätten sie die Familie und Bekannte, vor allem solche, die auch in der Viehschau-Szene unterwegs seien, zum Mitmachen motiviert.[IMG 5]

Für den definitiven Entscheid, mitzumachen, habe sie aber etwas Zeit gebraucht, erinnert sich Luzia. Sie wusste, dass ihre Familie voll hinter ihr stehen würde und auch der Arbeitgeber hätte sie von Anfang an unterstützt. «Man ist dann zwei Jahre in der Öffentlichkeit, das muss man sich schon bewusst sein», meint Luzia.

Vorab hatte sie mit den anderen Kandidatinnen ihre fixen Auftritte. Daneben hat sie sich zusätzlich die Zeit genommen, um weitere Viehschauen zu besuchen. Es war ihr wichtig, sich zu zeigen, damit sich die Leute ein Bild von ihr machen konnten. Von Anfang an kommunizierte sie klar, dass sie mit Original Braunvieh aufgewachsen ist. «Auch, dass wir z’Alp gehen und eigenen Käse produzieren, wussten die Leute. Ich würde sagen: Ich bin schon eher die Traditionelle.»

Eine schöne Bestätigung

Als sie Ende November 2024 an den Swiss Classics, einer Viehschau mit modernen Brown-Swiss-Tieren, zur Braunviehkönigin gewählt wurde, «war es für mich schon grad schnell ein bisschen unglaublich», erzählt Luzia Bieri. Ein wenig überrumpelt sei sie gewesen im ersten Moment, aber sie freute sich riesig. Es sei auch eine Bestätigung dafür gewesen, dass sie es bei der Kandidatur gut gemacht habe.

Dass sie ihren «Braunviehprinzen» aus dem Urnerland dann ausgerechnet an einer Viehschau kennengelernt hat, scheint somit kein Zufall zu sein. Die beiden teilen die Leidenschaft fürs Vieh und er hat entsprechend auch Verständnis für ihr Amt als Braunviehkönigin. Denn so langsam fülle sich ihre Agenda und sie freue sich sehr auf die nächsten Termine, sagt Luzia Bieri.

Chrut und Rüebli
 
Was wäre deine liebste Superkraft?
Fliegen

Welches Ziel möchtest du im Leben erreichen?
Eine eigene Familie

Welche Rechnungen nerven dich?
Alle. Kleiderrechnungen sind sicher, die kommen so langsam.

Wo gehst du am liebsten in den Ausgang?
Viehschauen, oder irgendwo, wo urchige Musik spielt.

Kerzenlicht oder Discobeleuchtung?
Kerzenlicht!

Alphütte oder Strand?
Alphütte

Lieblingsessen?
Rahmschnitzel mit Nüdeli, nicht mit Pommes Frites

Welche ist deine liebste Traktorenmarke?
(scherzhaft) Ross und Wagen

Mathe oder Turnen?
Turnen

Volksmusik oder Electro?
Volksmusik

Tracht oder Dirndl?
Tracht!

Wohin würdest du gerne mal in die Ferien reisen?
Kanada. Für Ferien und zum Arbeiten, so ein bisschen ausgeglichen.

Lebensmotto?
Never give up!