Pouletfleisch bleibt im Trend. Schaut man auf die aktuellen Statistiken der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft (Proviande), stagniert der Gesamtfleischkonsum seit Jahren. In langsamen Schritten sinkt er beim Schwein, beim Rind ebenso. Auch bei weniger populären Fleischsorten wie Pferd oder Schaf nimmt der Konsum ab.
Nicht so beim Poulet. Schon seit Jahren kennt der Trend hier nur eine Richtung, nämlich die nach oben.
Passt auf jeden Teller
Dieser Boom hat mehrere Gründe:
- Fitness und Lifestyle: Pouletfleisch gilt als reich an Proteinen, als fettarm und enthält wenig Cholesterin. Laut dem Branchenverband der Schweizer Geflügelproduzenten (SGP) geniesst es somit in einer modernen Ernährung einen hohen Stellenwert.
- Milder Geschmack: Gegenüber anderen Fleischsorten schmeckt Pouletfleisch milder und «neutraler». Dadurch kann es Aromen von Marinaden besser aufnehmen und gilt in Küchenkreisen als vielseitig einsetzbar.
- Kulturelle Akzeptanz: Jede Kultur hat ihre kulinarischen Tabus. Ein Engländer rümpft ob eines Pferdesteaks die Nase, ein Rindsragout gilt als «No-Go» für einen Hindu und das Schwein gilt Muslimen als unrein. Das «Chicken» überwindet hier die kulturellen Tellergrenzen und findet auf jedem Speiseplan seinen Platz. Weil die Schweizer Bevölkerung immer diverser wird, zeigt sich diese Entwicklung schliesslich auch auf den Tellern.
- Bevölkerungswachstum: Die Bevölkerung der Schweiz wächst. Wohnten 2003 7,3 Millionen Menschen in der Schweiz, sind es 2024 über 9 Millionen.
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Höhere Selbstversorgung
Gerade in den vergangenen Jahren stieg der Pouletfleischkonsum stark an. Laut dem Bildungs- und Kompetenzzentrum der Schweizer Geflügelwirtschaft (Aviforum) konsumierte ein Durchschnittsschweizer im Jahr 2003 noch 9,52 kg Poulet, zwanzig Jahre später sind es bereits 14,69 kg, was einer Zunahme von über 50 % entspricht.
Zur selben Zeit stieg auch die Produktion der Schweizer Geflügelproduzenten stark an. Laut Bundesamt für Statistik produzierte die Schweiz 2003 etwa 56 000 Tonnen Poulet (verwendbare Produktion), zwanzig Jahre später waren es etwa 110 000 Tonnen (verwendbare Produktion) – eine glatte Verdoppelung. Neben der einheimischen Produktion werden jährlich mehr als 40 000 Tonnen Poulet aus dem Ausland importiert. Knapp die Hälfte davon stammt aus Brasilien, danach folgen Ungarn, Frankreich und Deutschland.
Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz stieg trotz Importen und höherer Nachfrage. 2003 betrug er beim Pouletfleisch 45,2 %, zwanzig Jahre später liegt der Selbstversorgungsgrad bei 66,3 %. Zum Vergleich: Laut Proviande liegt der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch bei 98 %, beim Rindfleisch sind es 83,8 % und beim Kalb 97,6 %.
Sicheres und stabiles Einkommen
Können die Produzenten auch in Zukunft mit der steigenden Nachfrage mithalten? Und was beschäftigt die Branche aktuell? Die BauernZeitung hat sich bei David Zumkehr, Direktor Aviforum, dazu erkundigt.
Herr Zumkehr, kann die Produktion mit dem Konsumverhalten in Zukunft noch mithalten?
David Zumkehr: Die inländische Pouletproduktion hat aktuell jedenfalls Mühe damit. Der Inlandanteil sank von 67,2 % im Jahr 2020 auf 63,2 % im Zeitraum Januar bis November 2024. Neue Geflügelproduzenten sind gesucht.[IMG 3]
In Supermärkten kann man importiertes Pouletfleisch kaufen, das gemäss Werbung nach Schweizer Tierschutznormen produziert wurde. Wie muss man sich das vorstellen?
Der Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel, das Verbot antimikrobieller Leistungsförderer, der minimale und streng kontrollierte Einsatz von Antibiotika, die besonders tierfreundlichen Stallungen und weitere Selbstverständlichkeiten sind bei uns nicht im Tierschutzgesetz geregelt. Somit ist es vor allem ein Hinweis auf eine geringe Besatzdichte im Stall – was in Ländern mit hohen Aussentemperaturen und tiefen Baukosten sowieso sinnvoll ist.
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Mit welchen drei wichtigsten Herausforderungen sehen sich die Produzenten zunehmend konfrontiert?
Für Neueinsteiger sind die hohen Auflagen der Raumplanungsgesetzgebung zu nennen, welche die Realisierung neuer Geflügelställe stark erschweren. Das Auslagern der Herausforderungen via erhöhte Importe ist bedeutend einfacher.
Für die Verschärfung der Umweltauflagen – Stichwort Ammoniakreduktion – zeigt die Geflügelbranche Verständnis und will ihren Anteil beitragen. Jedoch bereitet bestehenden Produzenten wie auch Neueinsteigern Sorge, dass vermehrt explizit Abluftreinigungsanlagen gefordert werden. Diese verursachen enorme Investitions- und Betriebskosten, haben aber gerade in Pouletmastställen gegenüber Alternativmassnahmen einen überschaubaren Effekt.
Es ist auch eine Herausforderung, dass man sich durch die laute Minderheit, welche die Nutztierhaltung kritisch sieht oder komplett infrage stellt, nicht demotivieren lässt, sondern dass der Fokus auf der systemrelevanten Produktion gesunder, sicherer Lebensmittel bleibt.
Bei der Pouletmast bestimmen die Integratoren Genetik, Fütterung, Haltung und Mastdauer. Sie übernehmen im Gegenzug das Schlachten und Vermarkten der Poulets. Gibt es nicht auch Bestrebungen von jungen Landwirten, unabhängiger zu werden, und aus diesem Quasi-Lohnmastsystem wegzukommen?
Ich erlebe die vertraglich basierte Zusammenarbeit grundsätzlich partnerschaftlich und positiv. Die einzelnen Produzenten bündeln ihre Interessen in Produzentenorganisationen. Diese verhandeln die Konditionen mit ihren Integratoren jährlich – und das selbstbewusst und ergebnisorientiert. Zudem tragen die Beratungsdienste der Integratoren sowie einheitliche Produktionsstandards massgeblich zu guten Herden- und Betriebsergebnissen bei. Diese Zusammenarbeitsform gibt Sicherheit, was angesichts der hohen Investitionen wichtig ist. So betrachtet ist es durchaus ein unternehmerischer Entscheid, wenn junge Berufsleute auf einen Betriebszweig setzen, der in gesunden Marktverhältnissen ein sicheres und stabiles Arbeitseinkommen ermöglicht.
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Das sagt der Handel
Der Handel hält sich bedeckt mit Umsatzzahlen. «Genaue Umsatzzahlen geben wir, wie üblich, nicht bekannt», lautet die gängige Antwort. Die BauernZeitung wollte auch wissen, wie viel Fleisch aus dem Ausland stammt, wie hoch der Bio-Anteil ist und ob man bereits Bruderhahnfleisch anbiete. Dazu bekamen wir die folgenden Antworten:
Aldi Suisse: Man möchte 100 % Schweizer Fleisch verkaufen. Gäbe es ausreichend Zugang zu Schweizer Pouletfleisch, würde der Gesamt-Fleischanteil bei 90 liegen. Import-Poulets entsprächen zudem dem BTS-Standart. Knapp jedes zehnte verkaufte Frischfleisch-Poulet sei Bio, Bruderhahnfleisch komme in Aktionsartikeln zum Einsatz.
Coop: Bei Coop stammen 85 % des Pouletfrischfleischs aus der Schweiz. Bei importiertem Pouletfleisch achte man ebenfalls auf die Einhaltung des BTS-Standards.
Migros: 86 % des Poulet-Frischfleischs stammen aus der Schweiz. 2 % der Gesamtmenge werden unter dem Bio-Knospe-Label verkauft. 0,3 % seien Bruderhahnfleisch.