Die Zeit drängt. In vielen Kantonen sind die Erhebungsfenster bereits offen oder öffnen innert Kürze. Und obschon die neuen Anforderungen an den ökologischen Leistungsnachweis erst in elf Monaten, nämlich am 1. Januar 2024, in Kraft treten, müssen sich die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter bereits jetzt damit auseinandersetzen. Denn wer zum Beispiel einen Wiesenumbruch plant, muss Stolpersteine beachten. Ein Grund für diesen Wiesenumbruch könnte der Wunsch sein, dass der gesamte Anteil Biodiversitätsförderfläche (BFF) auf dem Betrieb nicht weiter ansteigen soll. Dazu wird auf vielen Betrieben teilweise über die Aufhebung von bestehenden Flächen – meist extensiv genutzten Wiesen – nachgedacht.
Es gibt Vorgaben zur Vorkultur
Als Vorkultur zu einer Acker-BFF sind andere BFF aber nicht möglich, ausser vor Getreide in weiten Reihen, dem Ackerschonstreifen und dem Nützlingsstreifen. Diese drei Elemente dürfen als einzige Acker-BFF auch direkt nach extensiv genutzten Wiesen angebaut werden. Alle anderen nicht. Das bedeutet, dass sie bereits 2023 umgenutzt werden müssten, sollte darauf im kommenden Jahr Acker-BFF «wachsen».
Diese Woche hat in mehreren Kantonen eine ganze Reihe von Informationsveranstaltungen zu den neuen Anforderungen, hervorgerufen durch die Agrarpolitik, begonnen. Im Zentrum stehen dabei die Produktionssystembeiträge (PSB), die am 1. Januar 2023 starteten. Die Teilnahme daran ist freiwillig.
Nicht freiwillig ist, was am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Zum einen kommt ein Schleppschlauchobligatorium. Weiter wird die Suisse-Bilanz ohne Fehlerbereich von 10 Prozent eingeführt und zu guter Letzt müssen Betriebe mit Ackerbau neu 3,5 Prozent der BFF auf dem Ackerland anlegen. Ebenfalls ab 2024 wird es zu Kontrollen im Bereich Drift und Abschwemmung kommen.
Steckbriefe zu den 7 Acker-BFF
Das Wichtigste in Kürze zu:
- Mehrjährige Nützlingsstreifen (PSB) – der Attraktive
- Saum auf Ackerfläche (559) – der Verbindende
- Rotationsbrache (557) – die Unkompliziertere
- Buntbrache (556) – die Wertvollste
- Getreide in weiten Reihen (Attribut) – das Neue
- Einjähriger Nützlingsstreifen (PSB) – der Kurzlebige
- Ackerschonstreifen (Attribut) – der Produktive
Motion Rieder scheiterte
Die Sache ist ambitiös und im Grunde fehlt die Zeit, sauber und lückenlos zu informieren und die einzelnen Massnahmen und Elemente im Detail zu prüfen. Warum hat man nicht früher informiert, wenn man doch wusste, dass ein solches Paket daherkommt? «Man wartete auf den Entscheid der Räte zur Motion von Beat Rieder», erklärt Claudia Degen, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Sektor Pflanzenproduktion am Institut Grangeneuve in Posieux FR. Die Motion Rieder «Nahrungsmittelproduktion hat Vorrang» scheiterte Mitte Dezember im Nationalrat mit 97 zu 89 Stimmen bei vier Enthaltungen. Der Ständerat hatte dem Ansinnen vorgängig noch zugestimmt. Angesichts der angespannten Versorgungslage hatte Rieder gefordert, die Vorgabe von 3,5 Prozent BFF auf Ackerflächen aus dem ÖLN streichen. Hätte der Nationalrat die Motion ebenfalls gutgeheissen wären die Acker-BFF vom Tisch.
«Zu informieren, ohne zu wissen, ob die Acker-BFF ab 2024 wirklich umgesetzt werden müssen, wäre bei den Landwirten auf wenig Interesse gestossen»,
weiss Degen.
Knapp und spät
Der Entscheid war also knapp und er kam spät. Dieses Wissen ändere leider nichts an der aktuellen Situation, so Claudia Degen. Die entscheidende Frage, die sich alle Landwirtinnen und Landwirt jetzt stellen müssten sei: «Wie schaffe ich ab 2024 meine ÖLN-Anforderungen?» Dazu gehörten neben der Auseinandersetzung mit den bekannten und auch neuen Elementen (siehe Kästen rechts) diverse Abklärungen. So müssen laufende Verträge von BFF-Elementen mit und ohne Vernetzungsprojekte beachtet werden und eventuelle finanzielle Auswirkungen von Fall zu Fall abgewogen werden. Noch wichtiger ist laut Claudia Degen aber, den angepassten Standort zu wählen, vor allem bei langjährigen Elementen. «Sonst riskiert man einen totalen Misserfolg mit enormem Arbeitsaufwand, Saatgut- und Maschinenkosten und nach einer Saison muss man das Ganze wieder ‹runterfahren›», erklärt sie.
Was Acker-BFF bringen können
Die neue Vorgabe von 3,5 Prozent BFF explizit auf Ackerflächen soll einerseits ein Defizit bei der Förderung der Biodiversität in diesen Gebieten beheben, andererseits aber auch zur Zielerreichung der Pa.Iv. 19.475 beitragen. Zwar werden die Effekte auf die Reduktion der Stickstoff- und Phosphorverluste und die Einsparungen an Pflanzenschutzmittel als vergleichsweise gering eingeschätzt, dabei ist aber laut Bundesrat die positive Wirkung von Nützlingen nicht eingerechnet. Deren Förderung durch die zur Auswahl stehenden BFF-Typen verspricht eine verbesserte natürliche Schädlingsbekämpfung.
Agronomische Gründe
Die Vogelwarte nennt verschiedene Insektenarten, die für die Landwirtschaft von Nutzen sind: Schlupfwespen und Laufkäfer vertilgen Unkrautsamen, Wildbienen, Schmetterlinge und Käfer sind wichtige Bestäuber für Raps, Kartoffeln und andere Ackerkulturen. Meist würden Ackerbaugebiete in klimatisch günstigen Regionen liegen, in denen auch besonders viele Tier- und Pflanzenarten vorkommen (könnten). Sie sind aber auf Lebensräume angewiesen, wie sie im Kulturland teilweise selten geworden sind.
Am richtigen Ort
Damit Acker-BFF ihre positive Wirkung auf die Biodiversität voll entfalten können, sollten sie nicht auf vernässten, schattigen oder mit Problemunkräutern belasteten Standorten angelegt werden. Gemäss Strickhof gelingen Frühlingssaaten oft besser und dem Saatbett sei grösste Aufmerksamkeit zu schenken. «Wenn mit Nützlingen Erfolge erzielt werden sollen, muss ein Netz von BFF vorhanden sein», heisst es weiter. Eine gute Planung zahlt sich also aus – nicht nur, was die Bundesbeiträge angeht.
Weitere Informationen und bald eine Entscheidungshilfe zu finden unter: www.agrinatur.ch