«Meine Zukunft», sagt Patric Gonzalez, indem er die Journalistin mit diesem Blick, in dem ein «Wie kann sie so etwas fragen» liegt, anschaut, «ist sicher hier, in diesem Tal». Punkt. Er sagt es so überzeugt, dass sein Gegenüber sich hütet, weiter zu forschen.

Den Berufsentscheid noch nie bereut

Schon in der ersten Klasse, als Patric Gonzalez in den Ferien erstmals Auslieferungen erledigte, habe er gewusst, dass er eines Tages das Geschäft seiner Eltern Jorge und Jolanda im Dorf der engen Gassen und steinernen Häuser übernehmen würde. Diese hatten 1990 die Panetteria Pasticceria Gonzalez angetreten.

Der Jüngling schnupperte nach der Schule noch als Multimediafachmann. «Aber mich interessierten das Verzieren von Torten und das Formen von Gebäck mehr», blickt Gonzales zurück, «und ich absolvierte die dreijährige Lehre als Bäcker-Konditor-Confiseur bei Laagers in Samedan.» Ein Entscheid, den er noch keine Minute bereute.

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Besonders seine künstlerische Ader ausleben kann Partic Gonzalez, wenn er «Cake Design»-Kreationen herstellt.

Ein schweizweit bekannter Panettone

Dank eines Videos der Schweizer Berghilfe über seine Panettone-Produktion im November 2020 erreichte der Jungunternehmer nationale Berühmtheit. «Die Telefonleitungen liefen heiss, wegen Anrufen aus der ganzen Schweiz. Wir konnten bei weitem nicht alle Bestellungen erledigen», sagt er glücklich. Das werde dieses Jahr anders sein, denn das Familienunternehmen hat dank eines Neubaus die Produktionsstätte und den angegliederten Lebensmittelladen – der grösste im Tal – beträchtlich vergrössern können. Das Gebäude wurde letzten Monat eingeweiht.

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Ein speziell feines Dessert mit Kastanien

Nebst Helligkeit, Sauberkeit und grosszügigen Platzverhältnissen im Laden fallen die freundlichen Gesichter des Verkaufspersonals und der Bäcker auf, die alle, meistens mit Namen, begrüssen. Als Unterländerin fühlt man sich sofort wohl, auch wenn man nicht alles versteht. «Es war schon meinen Eltern wichtig, im Unternehmen eine familiäre Stimmung zu schaffen», erklärt der frisch gebackene Inhaber. «Ein Ort, wo sich die langjährigen Mitarbeiter, die einheimische Kundschaft, Wanderer und Touristen wohlfühlen.»

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Team der Panetteria Pasticceria Alimentari Gonzalez (v. l. n. r.): Jasmin Schneider, Massimo Pedroni, Maria Luisa Ferrari, Giada Roganti, Patric Gonzalez, Jolanda und Jorge Gonzalez, Gregorio del Curto (nicht auf dem Bild: Angela Merlo, Silvana Sciuchetti, Nicole Giovanoli und Alex Guanella).

Obwohl die Panetteria Pasticceria Gonzalez jetzt vor allem berühmt ist für die in völliger Handarbeit hergestellten, neun verschiedenen Sorten Panettoni, ist auch die Kastanientorte seit Jahren weitherum ein Begriff. «Ich verwende das Rezept meines Vaters», erklärt Patric Gonzalez, «und habe wenig daran geändert.» Überhaupt, das Bergell und seine Kastanien: Die Nussfrüchte, die schon seit hunderten Jahren eine grosse Tradition im Tal haben, werden für süsse und salzige Nahrungsmittel verwendet, in Backwaren oder Würsten.

Patric Gonzalez erzählt von seinen Kastanien, die er in Cognac und Zuckersirup aufkocht. «Diese zusammen mit Vanille-glace servieren und schon gibt es ein schnell zubereitetes, himmlisches Dessert», schwärmt er.

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Getrocknete Bergeller Kastanien.

Metzger ohne Nachfolger[IMG 5]

«Wäre es nicht jammerschade, wenn das Familienunternehmen in dritter Generation verloren ginge», fragt Metzger Renato Chiesa. «Seit einem Jahr bin ich pensioniert und suche einen Nachfolger.» Er fährt weiter: «Alle Räume sind auf einemBoden und mit modernen Maschinen ausgerüstet: Der Laden mit regionalen Produkten, das Schlachtlokal, die Wursterei, die Räucherkammern und – mein Bijou – der Lufttrocknungsraum.» Seit 1986 führt er mit seiner Frau Giannina das Geschäft und ist überzeugt, ohne die Unterstützung der Frau wäre so ein Unterfangen heute nicht mehr möglich. Seine beiden Söhne absolvierten die Ausbildung als Metzger, entschieden jedoch später, sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Chiesas beschäftigen drei Metzger und je eine Teilzeitangestellte im Laden und im Büro.

Renato Chiesas Geschäftspartner sind ausschliesslich Bauernfamilien aus der Gegend, denen er die Schlachttiere abkauft. Während der Jagdsaison bringen ihm Jäger die Tiere zur Weiterverarbeitung. «Wir verkaufen hauptsächlich Einheimisches», sagt er stolz. Obwohl er aus der Gegend stammt, ist sein ostschweizerisch gefärbter Dialekt nicht zu überhören. Er meint lachend: «Ich absolvierte meine vierjährige Lehre damals im Appenzellerland bei Jakob Graf in Speicher. Offensichtlich ist etwas hängengeblieben.»

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Renato Chiesa, in seinem Lufttrocknungsraum, produziert seine Salami mit einheimischen Kastanien, Kräutern, Haselnuss oder aus Hirsch.

Die Hoffnung auf Rettung

Bekannt ist Renato Chiesa für seine handgemachten Salametti, und er demonstriert der Journalistin stolz den Werdegang des kleinen Salamis vom Anfang bis zum Ende. Er bereitet sie mit Kastanien – womit denn sonst? – mit Kräutern und Haselnüssen sowie mit Hirschfleisch zu. Auf das grosse, schmackhafte Fleischangebot muss niemand verzichten; Chiesas verschicken ihre Produkte fachgerecht in die ganze Schweiz.

Als die Journalistin an der Postautohaltestelle auf die Rückfahrt ins Oberengadin wartet, fragt sie ein Einheimischer, weshalb sie ins Tal gekommen sei. Als sie ihm von den Besuchen bei Gonzalez und Chiesa erzählt, kann er beide nicht genug rühmen. Und er befiehlt ihr: «Schreiben Sie in der BauernZeitung darüber. Das soll helfen, dass unsere Metzgerei nicht schliesst! Wir brauchen sie unbedingt; wir Einheimischen und unsere Besucher!»