Was für ein Jahr! Man kann sich fast nicht vorstellen, dass es möglich ist, all diese Gegebenheiten reinzupacken. Wir stürzten uns hoffnungsvoll in einen Corona-freien Winter, wurden von Änderungen, Zertifikaten und Aufforderungen überzeugt, oder eben nicht. Es folgte ein Frühling mit einem kalten Nebengeschmack, frostigen Nordwinden, Stürmen und ein politischer Sommer.

Ein einziges Donnerwetter

Unser Landwirtschaftsjahr war ein einziges Donnerwetter, richtig daneben. Wir haben von einer neuen Ära, von florierendem Post-Corona-Direktverkauf geträumt, gehofft, dass die lieben Schweizer Bürger(innen) jetzt endlich die Rüebli bei uns kaufen werden und nicht beim orangen Riesen.

Wir waren bereit, sie «mal auszuprobieren», die Sache mit der Nachhaltigkeit. Sogar politisch gab es einen gewissen «Wind in der Sache», Wasser wurde aufgeschäumt, der Schweiz drohte bis zum 13. Juni der Untergang, wir verabschiedeten unsere Alarmbereitschaft am 14. Juni, bis auf jene, die sich in das Thema AP 22+ eingelesen hatten. Die schlafen auch jetzt noch nicht gut.

Was dann kam, war unglaublich

Aber was dann kam, unglaublich. Ich dachte schon, jetzt kommt der Nachbar mit der Arche Noah und holt meine Spiegelschafe ab. Es regnete und regnete, in einem Monat den Niederschlag von einem Walliser Jahr. Unglaublich, dass es uns nicht die 13 Sterne weggeschwemmt hat. So ging es mancherorts, es war nass bis zum Schluss. Ich habe nach dem 10. Regentag, dem 20. Juli, resigniert.

Die verheissungsvollen Bestellungen wurden abgesagt, die Buchhaltung wurde zum alltäglichen Taschenrechner, um zu entscheiden, wie wir jetzt unsere Investition vom Winter am besten abschreiben sollen, welche Rate von welcher Hypothek wir wirklich bezahlen sollten, welche Rechnung bis zur nächsten Direktzahlungsüberweisung warten muss. So ging es mir, als meine Ernte zu 90 % einfach wegschwamm bzw. verfaulte.

Vermutlich bin ich nicht die einzige, welche nächtelang die Gehirngänge nach neuen Lösungen absuchte: Agrotourismus, Nebenjob etc. Und dann frage ich mich in meiner Verzweiflung, wer wir eigentlich sind und was in Donnerwetters Namen wir da eigentlich treiben? Realisieren wir unsere Träume mit diesem schönen Beruf, der eigentlich ein Hobby sein sollte oder produzieren wir Lebensmittel für die Schweizer Bevölkerung?

Landwirt(innen) sind wir eigentlich gar nicht mehr oft. Wir sind Betriebe mit Unterhaltszahlungen geworden, weil die Schweizer Konsument(innen) nicht den teuren Mehrwert für Ihre Ernährung bezahlen sollen. Wir verschenken unsere Marge an Grossverteiler und werden vom Bund dafür entschädigt.

Warum kann man nicht von Schafen leben?

Wo geht die Schweizer Landwirtschaft hin? Das Schwarznasenschaf ist ein Aushängeschild für Luxus-Kurorte, aber weshalb kann man von ihm nicht leben? Reichen Kuhkämpfe als einziger Grund für eine Rasse, weiter zu existieren? Alte Sorten ohne Chance, eine fünfköpfige Familie zu ernähren? Ungenutzte Biodiversitätsflächen für das gute Gewissen, aber mit überwuchernder Biodiversität, welche sich wegen unseres Nichtstuns für Berufskraut entscheidet?

Ja, ich stelle mir diese Fragen, weil ich jetzt gerade im Mist bin, leider nicht in der wohltuenden Wärme eines Misthaufens, aber im Seich, dort wo man nicht einfach so wieder rauskommt. Ich, das ist eine gelernte Landwirtin. Aus- und weitergebildet, eigenerBetrieb, nicht vom Vati übernommen, selbst gemacht wie unsere Produkte. Noch Lizenznehmerin von Bio Suisse, im ersten Umstellungsjahr. Alte Nutztierrassen, hübsche Blümchen, schön wild, ein paar Instagram-Followers, innovative Ideen – ein landwirtschaftliches Start-up halt.

Aber weil mir die Scheune nicht in den Schoss gefallen, sondern durch ein partizipatives Projekt finanziert ist, weil die Starthilfe für den Start nicht reichte, weil 200 % arbeiten nicht mehr geht, weil fast alles, wofür ich heuer gearbeitet habe, dem Wetter zum Opfer fiel: deswegen sitze ich jetzt im Seich. Ich werde wieder rauskommen, werde meinen Wein verkaufen und mein Konto wird von seinem Koma erwachen, und dann?

Seit ein paar Tagen ist mein erster Gedanke am Morgen, wenn ich die Stalltür öffne und die Langohren in den Schnee lasse; wer finanziert eigentlich die Landwirtschaft der Zukunft? Wer wird für die nicht mehr liquide Landjugend bürgen, wenn die Eltern wegfallen? Wie werden wir die neuen Auflagen in unseren Ställen und Abwasser-Systemen umsetzten können, damit wir in Zukunft ökologische Betriebe haben?

Kein Geld «gefunden»

Ich frage mich all dies, weil ich jetzt nach 6 Monaten intensiver Geldsuche keines «gefunden» habe. Zu jung für einen Kredit, zu wenige Buchhaltungsabschlüsse für eine Hypothek, zu wenig Dramatik für einen Notfallfonds irgendeiner Stiftung, zu wenig biodynamisch, zu wenig Innerschweiz, zu viel Landwirtschaft und viel zu wenig technische Innovation! Sollen wir mit dem Biohofding eigentlich weitermachen und daran glauben, dass dies die Zukunft ist, wenn wir nicht davon leben können? Oder wartet die Politik, die Schweizer Wirtschaft nur darauf, bis wir Landwirt(innen) endlich damit aufhören?