Es herrscht eine angeregte Stimmung im Raum. An die zwanzig Frauen verschiedenen Alters sitzen von Garnen umringt über Stickrahmen gebeugt und mit Nähnadeln in der Hand. Einige dieser Nadeln stechen durch Seide und ziehen einen Faden aus demselben Material hindurch. Andere gleiten durch gröberes Material und hinterlassen Reihen aus X- oder V-Stichen auf den Stoff. Nochmals andere fädeln Silberdrahtstücke auf und erzeugen dadurch eine Bouillon-Stickerei. Wir sind im Sticktreff der Schweizerischen Trachtenvereinigung in Windisch AG. Gearbeitet wird an Stickereien für Trachten vom Wallis bis ins Zürcher Oberland.
Trachtenstickerei
Die grosse Vielfalt an Trachten in der Schweiz erfordert unterschiedliche Sticktechniken und Kenntnisse der verschiedenen Sujets. In den Kantonen gibt es ausgebildete Stickerinnen, die in den spezifischen Begebenheiten der jeweiligen Trachten bewandert sind. Während es in einigen Kantonen noch mehrere Stickerinnen gibt, hat es im Aargau beispielsweise nur noch eine aktive Stickerin.
Was vor neun Jahren mit einem Stickkurs der Schweizerischen Trachtenvereinigung begann, um die Kunst des Trachtenstickens an die nächste Generation weiterzugeben, hat sich in der Zwischenzeit zu einem Treff für stick- und trachtenbegeisterten Frauen gemausert. Mehrmals im Winterhalbjahr tauchen die Teilnehmerinnen unter Anleitung von Agi Limacher und Ursina Wülser in die Kunst des Nadelmalens, der Buntstickerei oder sogar des Goldstickens ein. Auch Anfängerinnen sind willkommen.
Der nächste Sticktag findet am 22. Februar in Windisch AG statt und ab Herbst 2020 sind weitere Treffen geplant. Informationen bekommt man bei Ursina Wülser:
- sina.wuelser(at)simplemail.ch
- 077 473 15 58
Kontakte zu Trachtenstickerinnen aus der Region bekommt man bei seiner Trachtenschneiderin oder bei der Schweizerischen Trachtenvereinigung:
www.trachtenvereinigung.ch
Es herrscht eine angeregte Stimmung im Raum. An die zwanzig Frauen verschiedenen Alters sitzen von Garnen umringt über Stickrahmen gebeugt und mit Nähnadeln in der Hand. Einige dieser Nadeln stechen durch Seide und ziehen einen Faden aus demselben Material hindurch. Andere gleiten durch gröberes Material und hinterlassen Reihen aus X- oder V-Stichen auf den Stoff. Nochmals andere fädeln Silberdrahtstücke auf und erzeugen dadurch eine Bouillon-Stickerei. Wir sind im Sticktreff der Schweizerischen Trachtenvereinigung in Windisch AG (siehe Kasten). Gearbeitet wird an Stickereien für Trachten vom Wallis bis ins Zürcher Oberland.
«Sticken ist ansteckend»
Ist das Stricken seit Längerem auch bei jungem und städtischem Publikum wieder in, so erlebt seit geraumer Zeit auch das Sticken ein Revival. Vorbei sind die Zeiten, in denen man im Handarbeitsunterricht seine Kreuzstich-Übungsstücke absolvieren musste. Wer kennt ihn nicht, den weissen Stoff mit
rotem Faden bestickt: A bis Z,
Eins bis Null sowie mit Geburtsjahr und Initialen der Stickerin versehen.
Fragt man die Frauen des Trachtenstickkurses, weshalb sie anwesend sind, kriegt man folgende Antworten: «Ich will, dass das Wissen nicht verloren geht.» «Ich will meine eigene Tracht besticken.» Oder: «Sticken ist ansteckend.» Tatsächlich, wenn man die Gruppe beobachtet, mit welcher Freude sie die Fäden durch die Stoffe zieht, würde man sich am liebsten ebenfalls hinsetzen und mitmachen.
Vorzeichnen ist A und O
Jede Teilnehmerin hat ein anderes Vorwissen und arbeitet an ihrem ganz eigenen Stickprojekt. Damit jede weiterkommt, dabei helfen Agi Limacher und Ursina Wülser. Erstere ist mit über
70 Jahren ein eigentliches Urgestein in Sachen Trachtensticken. Letztes Jahr zierten ihre Stickereien sechs der zwölf Trachten der Ehrendamen am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Zug. 25 bis 30 Stunden
benötigte sie pro bestickten Seidenlatz.
«Das A und O ist das Vorzeichnen», meint der Stickprofi. Doch nicht jede Person ist gleich gebaut. Ab und zu muss Agi Limacher ihre Vorlagen anpassen. Ist die Frau sehr schmal, wird das Muster enger gestickt, ist sie breiter gebaut, ergänzt Limacher das Gestickte mit einer zusätzlichen Blumenranke. Für das Vorzeichnen gibt es verschiedene Methoden: Bleistift, Kreidestift, der muss jedoch mit Fixierspray befestigt werden, sonst ist er gleich wieder weg, oder Pauspapier. Beliebt sind Filzstifte (Marke Pilot Frixion), die beim Bügeln wegen der Hitze wieder weggehen.
Seit Neustem setzt Agi Limacher auf moderne Technik. Sie lässt ihre Vorlage von einer Nähmaschine elektronisch einlesen. Anschliessend werden die Umrisse auf den Stoff genäht. Egal, welche Art man wählt: «Wichtig ist, dass man mit dem Stickgarn die Striche oder das Genähte überdeckt.» Und noch einen anderen Trick gibt die versierte Kursleiterin mit auf den Weg: «Hat es auf der Seide Bleistift- oder Pauspapierspuren, gehen die am besten mit etwas ‹Speuz› auf dem Finger wieder weg.»
Königliches Stickwissen
Die andere Kursleiterin, Ursina Wülser, besuchte drei Jahre lang die Königliche Stickschule in London (GB). Unterdessen gibt es diese Ausbildung nicht mehr, sie wurde durch ein Hochschulstudium ersetzt. «Der Unterricht fand in einem Palast statt, und die Cousine der Queen überreichte mir mein Diplom», erzählt die Fachfrau. Ursina Wülser ist im Kurs für das Fachwissen rund ums Sticken zuständig. Sie zeigt Stiche und Techniken vor oder erklärt Begriffe wie Schwarz- oder Weissstickerei.
«Vom Sticken allein kann man heute nicht mehr leben.» Früher gab es noch die Hefte wie «Orella» oder «Meiers Modeblatt», die Ursina Wülser Stickvorlagen abkauften. Bei den Trachtenstickerinnen hat man sich auf 20 bis
30 Franken Stundenlohn geeinigt. «Und auch das ist den meisten noch zu teuer», ergänzt Agi Limacher. Vielerorts werde das Sticken immer noch als Hobby angeschaut, dabei sei es ein Kunsthandwerk, ist man sich unter den Kursteilnehmerinnen einig.