Das Image als grösste Sorge von Bauern und Bäuerinnen. Die Pflanzenschutz-Initiativen als zweitgrösste und die psychische und körperliche Gesundheit als drittgrösste. Dies waren die Ergebnisse der Umfrage «Bäuerliches Sorgenbarometer» der BauernZeitung (wir berichteten). Was tut die Bildung bei Lernenden gegen solche Sorgen? Wir haben bei verschiedenen landwirtschaftlichen Bildungszentren nachgefragt.
Je älter, desto differenzierter
«Kritische Konsumentenhaltungen und Agrarpolitik beschäftigen nach meiner Wahrnehmung die Lernenden schon», sagt Reto Spörri. Er ist Leiter Grundbildung Landwirtschaft am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG. Aufgrund ihres jungen Alters und noch nicht so grosser Erfahrung in der Arbeitswelt könnten sie diese Themen teilweise noch nicht so gut und breit abgestützt einordnen und gewichten oder es falle ihnen schwer, Gegenargumente zu bilden. Lernende in der Zweitausbildung, die bereits ein paar Jahre älter sind, «können mit diesen Themen differenzierter umgehen».
Selber Imagefilme produzieren
Am LZ Liebegg beschäftigen sich alle Lernenden des dritten Lehrjahres im Rahmen von Bildungszielen mit Öffentlichkeitsarbeit und Kundenkontakt. Im Normalfall finden in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband Aargau die Anlässe «Aarau, Baden und Brugg wird zum Bauernhof» statt. «So spüren die Lernenden direkt den Kontakt zur Öffentlichkeit», erklärt Spörri. Heuer konnten diese Anlässe wegen Corona nicht stattfinden. Stattdessen fanden drei Projekttage zum Thema Image und Öffentlichkeitsarbeit statt. Nach einer Einführung in Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation mit Kunden und Imagefilme produzieren die Lernenden selbst kurze solche Filme. Diese werden später auf den Social-Media-Kanälen des LZ Liebegg publiziert werden.
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Nachgefragt mit Petra Sieghart: «Kommunikative Kompetenzen werden wichtiger»
Die grösste bäuerliche Sorge in unserem Sorgenbarometer ist das Image der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Wird dieses Thema in der Grundbildung behandelt?
Petra Sieghart: Es ist unbestritten so, dass Landwirte lernen müssen, besser zu kommunizieren. Sie müssen die kritischen Fragen des Spaziergängers beantworten können, sie müssen auf Social Media kommunizieren oder sich im Gespräch mit ihren Kunden im Hofladen behaupten. Kommunikative Kompetenzen sollen künftig im Bildungsplan stärker gewichtet werden. Aktuell läuft die Revision der beruflichen Grundbildung.
Es sind herausfordernde Zeiten – ist in der Grundbildung psychische Gesundheit ein Thema?
Es gibt vielleicht Lehrpersonen, die das im allgemeinbildenden Unterricht thematisieren. Das betrifft ja alle gleich und ist damit berufsunab-hängig: andere Branchen haben auch schwierige Zeiten. Generell kann man ja sagen, dass die Landwirtschaft vom Coronavirus nicht sonderlich betroffen ist. Man kann nicht alles in die Grundbildung packen, die Erwartungen, was diese alles abdecken soll, sind teilweise gnadenlos.
Die Lernendenzahlen scheinen eher nicht darauf hinzuweisen, dass sich junge Leute wegen den Erwartungen der Bevölkerung oder politischen Entscheiden von einem landwirtschaftlichen Beruf abschrecken lassen.
Ich habe das Gefühl, dass die Agrarpolitik oder das Image in der Bevölkerung eher der älteren Generation Sorgen bereitet. Man muss bedenken, Lernende in der Grund-bildung sind zwischen 15 und 19. Sie wählen den Beruf aus Freude an der Landwirtschaft. Diese hat man oder eben nicht.
Petra Sieghart leitet den Geschäftsbereich Bildung beim Schweizer Bauernverband (SBV).
Güllen in der Grillsaison
Das Thema Image der Landwirtschaft werde in der Grundbildung immer wieder mal Thema, sagt Ronald Jaudas, Leiter des Fachbereichs berufliche Grundbildung am Berner Inforama. «Zum Beispiel habe ich den Lernenden erklärt, dass es nicht verboten ist, am Samstag während der Grillsaison zu güllen oder während dem Stossverkehr mit dem Bschüttfass auf der Hauptstrasse zu fahren. Bloss: Imagepflege und Wohlwollen werden damit nicht ausgelöst.» Jaudas findet, dass sich durchaus auch Lernende schon für Agrarpolitik interessieren: «Wenn wirim Unterricht ein geplantes Schleppschlauch-Obligatorium durchnehmen, dann löst dies subito Reaktionen aus. Da können sofort angeregte Diskussionen entstehen.»
«Onlinekommentare beschäftigen stark»
Das Beispiel mit dem Güllen am Samstag sei der Klassiker aus der Grundbildung, sagt auch Martin Pfister, Rektor des LBBZ Schluechthof in Cham ZG. Generell komme das Image in diversen Fächern immer wieder zur Sprache. Das Thema beschäftige die Lernenden teilweise stark: «Besonders Onlinekommentare unter Artikeln über die Landwirtschaft bei «20 Minuten» oder «Blick»», sagt er. «Für sie ist das vielleicht schwieriger einzuordnen als für ältere Personen. Sie nehmen das eher noch für bare Münze.» Dabei seien diese Kommentare ja immer Extrempositionen und widerspiegelten nicht die Meinung der gesamten Bevölkerung.
Unterstützung bei psychischen Problemen
Wie sieht es mit dem Thema psychische Gesundheit aus, bekommen Lernende hier Unterstützung, falls sie diese brauchen? «Ja, auf jeden Fall. Und diese Angebote werden auch wahrgenommen», sagt Ronald Jaudas vom Inforama. So seien die Lehrbesuche, bei denen die Klassenlehrperson die Lernenden auf dem Lehrbetrieb besucht und dort auch alleine mit ihm oder ihr redet, trotz Corona sehr gefragt. «In dieser Situation kann ein Lernender offen sagen: ‹Es geht mir nicht gut›.» Es gibt am Inforama eine eigene Beratungsstelle für Lernende und deren Umfeld. «Was aber klar ist: Gegen den Willen des Lernenden oder der Lernenden unternehmen wir grundsätzlich nichts.»
Umfrage der BauernZeitung: Bäuerliches Sorgenbarometer
181 Bäuerinnen und Bauern haben die Online-Umfrage «Sorgenbarometer Landwirtschaft» ausgefüllt. Am häufigsten Bauchweh bereitet ihnen ihr Image in der Gesellschaft. Am zweitmeisten genannt wurden die Pflanzenschutz-Initiativen und am drittmeisten die körperliche und psychische Gesundheit. 131 Männer und 49 Frauen nahmen teil. Aus dem Tal-gebiet stammten 94 Teilnehmende, 39 aus der voralpinen Hügelzone und 48 aus dem Berggebiet.