In der Wirtschaftslehre halten Ökonomen ganze Vorträge über die Rolle des Vertrauens in einem Wirtschaftssystem. Es gibt verschiedene Auslegungen dazu, nur in einem Punkt sind sich viele einig: Nur wer seinen Partnern vertraut, kann wirtschaftlich arbeiten, sich weiter entwickeln und sich in Zukunft auf dem Markt behaupten.
Wie steht es um das Vertrauen der Schweizer Landwirte in ihre wichtigsten Handelspartner, staatliche Institutionen oder die Medien? Die BauernZeitung hat im Rahmen der nicht-repräsentativen Umfrage zum Sorgenbarometer Landwirtschaft nachgefragt. 181 Bäuerinnen und Bauern beurteilten ihr Vertrauen in hiesige Organisationen und Institutionen.
Grosses Vertrauen in SBV
Das grösste Vertrauen sprechen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Schweizer Bauernverband (SBV) aus: Jede Zweite vertraut dem Verband voll und ganz. Nur 12 Prozent traut dem Verband nicht. «Ich finde, Ritter macht einen guten Job. Er schmiedet die richtigen Allianzen, argumentiert geschickt und setzt sich für die produzierende Landwirtschaft ein», sagt Martin Graber aus Zell LU, der bei der Umfrage teilgenommen hat.
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«Dieses Resultat freut uns», schreibt SBV-Mediensprecherin Sandra Helfenstein. «Es ist ein Zeichen, dass wir unsere Arbeit im Dienst der Bauernfamilien mehrheitlich in ihrem Sinn machen.» Das sei nicht selbstverständlich, als die Haltungen innerhalb der Landwirtschaft oft recht unterschiedlich sind.
Komplexe Zusammenhänge
Auf der anderen Extreme der Skala steht das Vertrauen der Bäuerinnen und Bauern gegenüber den Medien. Die Teilnehmer begründen ihr Misstrauen, dass die Berichterstattung häufig «negativ» oder «einseitig» sei. «Landwirtschaft ist eine komplexe Geschichte, gespickt mit Zielkonflikten», sagt David Eppenberger, Präsident der Vereinigung der Schweizer Agrarjournalistinnen. «Viele Publikumsjournalisten sind nicht bereit, sich in die Materie zu vertiefen, oft fehlt ihnen auch die Zeit dazu.» Meist zielen die Geschichten auf die intensive Landwirtschaft: «Kaum jemand ist beispielsweise bereit, sich auch mit negativen Seiten der Biolandwirtschaft auseinanderzusetzen.»
Weshalb ist es für die Landwirtschaft trotzdem lohnenswert, sich den Fragen der Journalisten zu stellen? «Eine Verweigerungshaltung ist natürlich nicht zielführend», sagt Eppenberger.
Der Sorgenbarometer
Was beschäftigt hiesige Bauern und Bäuerinnen? Was bereitet ihnen Kopfzerbrechen? Worum sorgen Landwirte sich am meisten, wenn sie an die Zukunft ihres Hofes oder der Schweizer Landwirtschaft denken? Welchen Institutionen vertrauen sie? Und was lässt sie optimistisch in die Zukunft blicken? Diesen Fragen wollte die BauernZeitung auf den Grund gehen.
Die fünf grössten Sorgen
Zwischen dem 15. Januar und dem 5. Februar 2021 nahmen über 200 Bauern und Bäuerinnen an der Umfrage teil. 181 Leute haben die Umfrage komplett ausgefüllt: Nur vollständig ausgefüllte Fragebögen konnten in der Auswertung berücksichtigt werden.
Die grössten Sorgen der Schweizer Landwirtinnen und Landwirte wurden wie folgt ermittelt: Die Teilnehmerinnen konnten aus 19 vorgegebenen Themen fünf auswählen, die sie als die wichtigsten Probleme oder Sorgen der Schweizer Landwirtschaft ansehen.
| Teilnehmerstruktur: | |
| Aus dem Talgebiet: 94 | |
| Männlich: 131 | Aus voralpiner Hügelzone: 39 |
| Weiblich: 49 | Aus Berggebiet: 48 |
Zu viele Auflagen
Viele der befragten Bäuerinnen und Bauern stehen dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) misstrauisch gegenüber: Vier von zehn Leuten haben kein Vertrauen ins BLW, eine der wichtigsten staatlichen Stelle für die Schweizer Landwirtschaft.
«Die immer neuen Auflagen brechen uns Bauern irgendwann einmal das Genick», sagt Landwirt Sepp Burch aus Stalden SZ, der an der Umfrage teilgenommen hat. Burch führt einen Mutterkuhbetrieb. «Kaum hat man Betriebsstrukturen oder den Stall umgebaut, muss etwas anderes angepasst werden», sagt er. Das sei nicht nur aufwendig, sondern auch finanziell kaum tragbar – insbesondere weil die Margen in der Landwirtschaft tief seien.
Das BLW entgegnet: «Beim Vollzug der agrarpolitischen Massnahmen legt das BLW hohen Wert darauf, die Bedürf-nisse der Landwirtinnen und Landwirte zu berücksichtigen. Gesetze werden dann angepasst, wenn das Parlament Handlungsbedarf sieht.» Der Bund habe die Pflicht, diese Gesetze auf Verordnungsstufe umzusetzen. Für Anliegen habe das BLW stets ein offenes Ohr: «Im Rahmen von Vernehmlassungen haben alle Interessengruppen und Parteien immer die Möglichkeit, sich zu äussern. Gerade dieser Prozess ist wichtig, um Vertrauen zu schaffen und dieses zu stärken.»
Viel Macht, wenig Vertrauen
Landwirtinnen und Landwirte, die an der Umfrage mitgemacht haben, sprechen nur ein mässiges Vertrauen gegenüber hiesigen Zwischen- und Detailhändlern aus. Nur vier Prozent haben grosses Vertrauen in die wichtigsten Verkäufer von Lebensmitteln an die breite Bevölkerung. Jeder zweite Teilnehmer vertraut ihnen wenig.
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Einige der Teilnehmer(innen) sprechen von «zu grosser Marktmacht». 32 Prozent der Landwirte geben an, der Druck grosser Detailhändler – sei es auf den Preis oder die Qualität – gehöre zu ihren fünf grössten Sorgen (die BauernZeitung berichtete).
«Wir setzen uns für faire und marktgerechte Preise ein – sowohl gegenüber den Produzenten wie auch gegenüber unseren Kunden. Unsere Preise bilden sich auf Basis der realen Kosten», schreibt eine Coop-Mediensprecherin. Man suche bei Bedarf Lösungen und stehe im Austausch mit den Produzenten.
Die Migros sagt, sie wolle für die Bäuerinnen und Bauern eine verlässliche und zukunftsorientierte Partnerin sein. Als grösste Abnehmerin der Schweizer Landwirtschaft trage die Migros grosse Verantwortung, der sie nachkommen wolle.
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