Die Dauerkritik, unter der die Landwirtschaft steht, scheint die Investitions­bereitschaft der St. Galler Landwirte nicht zu bremsen. Die Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft St. Gallen (LKG) hat im vergangen Jahr 98 Investitionskredite im Umfang von 21,64 Millionen Franken genehmigt. Diese Zahlen unterscheiden sich nicht wesentlich von jenen des Vorjahres. Mit Blick auf die im vergangenen Jahr gewährten Kredite für Starthilfen ist Bruno Inauen denn auch erfreut, «dass es so viele wagen, in diesen Beruf einzusteigen». Er hat Anfang 2019 als Nachfolger von Roger Peterer die Leitung des St. Galler Landwirtschaftsamts übernommen. Seit September letzten Jahres ist er auch Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaft des Kantons St. Gallen.

Bruno Inauen, betrachtet man die von der LKG gewährten Investitionskredite, so sind die Zahlen für das Jahr 2019 mit jenen für 2018 vergleichbar. War 2019 ein ganz gewöhnliches Jahr?

Bruno Inauen: Es war beinahe ein gewöhnliches Jahr. Ungewöhnlich waren die Folgen des Lawinenwinters 2018. Im Säntisgebiet ging eine grosse Lawine auf die Schwägalp nieder. Davon waren auch einige Alpbewirtschafter betroffen. Das ist eine Situation, die glücklicherweise nicht jedes Jahr eintritt. Da war teilweise eine vorzeitige Baubewilligung nötig, damit auf den Zeitpunkt der Bestossung der Alp zumindest ein Provisorium gebaut war. Auf der Säntisalp waren Rohbau und Dach beinahe bereit, als der Bewirtschafter mit den Tieren zur Alp fuhr. Um diesen Start zu ermöglichen, war ein besonderer Effort nötig. Im Finanzbereich ist eine weitere Besonderheit zu erwähnen. Wir haben bereits seit 2018 Negativzinsen. Auf diese Situation haben wir reagiert. Wir haben ­versucht, bei den einzelnen Bankinstituten nicht zu viel Geld zu platzieren, damit wir etwas weniger von Negativzinsen betroffen sind.

 

Etwas mehr Investitionskredite als im Vorjahr

Im Jahr 2018 genehmigte die Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft des Kantons St. Gallen (LKG) 81 Investi­tionskredite im Umfang von 19,26 Millionen Franken. Im Geschäftsjahr 2019 war die Zahl der genehmigten Gesuche und die Gesamtsumme der gewährten Kredite etwas höher: Für 98 Investitionsprojekte wurden Kredite von insgesamt 21,64 Mio Fr. bewilligt. Wie aus dem Jahresbericht der LKG hervorgeht, wurde die Realisierung von 19 Ökonomie- und vier Alpgebäuden in der Berg- und Hügelzone sowohl mit Kantonsbeiträgen wie auch mit Bundesbeiträgen unterstützt. Bei 49 der 120 bewilligten Investitionskrediten handelt es sich um Starthilfen.
83 Gesuche in Arbeit
Bei den 30 bewilligten Investitionskrediten für Ökonomiegebäude handelt es sich zumeist um Ställe für Rindvieh. Mit Investitionskrediten unterstützt werden ausserdem drei Schweineställe und ein Geflügelstall. Zudem gewährte die Genossenschaft Investitionskredite für 29 Wohngebäude.
Ende 2019 waren bei der Genossenschaft 83 Gesuche für Investitionskredite in Arbeit. Die Kreditgenossenschaft gewährte zudem im vergan­genen Jahr drei Betriebshilfedarlehen im Umfang von 341 000 Franken. Es handelt sich um eine Überbrückungs-hilfe für einen unverschuldet in finanzielle Bedrängnis geratenen Betrieb, um eine Umfinanzierung bestehender Schulden sowie um ein Darlehen bei der Betriebsaufgabe.
Acht Bürgschaften gewährt
Die Landwirtschaftliche Bürgschaftsgenossenschaft des Kantons St. Gallen gewährte im vergangenen Jahr laut Jahresbericht ausserdem acht Bürgschaften im Umfang von insgesamt  988 000 Franken auf langfristige Darlehen.

 

Die Corona-Krise sorgt für eine grosse Verunsicherung. Ist die auch schon bei der Landwirtschaftlichen Kreditkasse angekommen? Wurden Projekte zurückgezogen?

Gegenwärtig haben wir nach wie vor recht viele Projekte in der Planungsphase. Bei den Projekten in der der Umsetzungsphase haben wir aber solche, bei denen die Realisierung schwierig ist, weil teilweise Rohstoffe nicht erhältlich sind. Die Planungsfreudigkeit hat aus unserer Sicht aber nicht abgenommen. Ich hege zudem noch etwas die Hoffnung, dass die Inlandproduktion nach der Schliessung der Grenzen und der fehlenden Verfügbarkeit von gewissen Produkten bis zu einem gewissen Grade von der Krise profitieren könnte.

Gilt das für alle Betriebszweige?

Es gibt schon einzelne Betriebszweige, die stark von der Krise betroffen sind. Das sind vor allem Betriebe, welche die Gastronomie direkt beliefern. Da hatten wir Anfragen von Kunden, die bei uns Investitionskredite am Laufen haben, die Rückzahlungen aufzuschieben. Wir haben sofort beschlossen, Stundungsgesuche bei laufenden Krediten unkompliziert zu behandeln und zu bewilligen. In der Regel tätigen die Kreditnehmer die Rückzahlungen zweimal im Jahr: Einmal im Juni und einmal im Oktober. Meistens werden diese Rückzahlungen mit den Direktzahlungen verrechnet. Weil wir im Kanton St. Gallen dieses Jahr die erste Tranche bereits am 20. Mai entrichten, mussten die entsprechenden Gesuche rasch eingereicht werden.

Wie viele solche Gesuche für Stundungen gab es?

Wir hatten 33 Gesuche in dieser Art. Hauptgründe dafür sind der Wegfall von Nebenerwerben oder wegbrechende Absatzkanäle im Gastro- oder Fleischbereich. Auch aus dem Milchbereich gab es Anfragen. Da hatte ich den Eindruck, dass diese Betriebe nicht am Anschlag sind, sondern dass es eher darum geht, mit dem Aufschub der Zahlung einer halben Rate etwas mehr Luft für schwierigere Zeiten zu gewinnen.

Der Bund bietet Betroffenen der Corona-Krise die Möglichkeit an, über ihre Hausbank verbürgte zinslose Kredite von bis zu 500 000 Franken zu beziehen. Dies über eine Laufzeit von fünf Jahren. Diese Möglichkeit steht grundsätzlich auch Landwirten offen. Sollen Sie davon Gebrauch machen?

Wenn es diese Möglichkeit gibt, dann soll man sie auch prüfen. Ich glaube aber nicht, dass viele Landwirtschaftsbetriebe einen solchen Kredit beantragt haben. Voraussetzung dafür ist ja zwingend eine starke Betroffenheit. Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Kreditnehmer zur Rückzahlung verpflichtet. Ein solcher Kredit kann dennoch für den einen oder andern Betrieb eine Möglichkeit sein, die er nutzen kann. Die Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft bietet zwar auch Betriebshilfen für Notfälle an. Dieses Verfahren ist bei uns aber langwierig, weil wir die Finanzierbarkeit und Tragbarkeit genau abklären. Denn wir stehen am Schluss beim Bund in der Haftung. Das Verfahren für einen vom Bund verbürgten Bankkredit ist da wesentlich schneller.

Die Trinkwasser-Initiative und die Initiative für Pestizidverbot sind am Laufen. Die Kritik an der Trinkwasserqualität war bis zur Corona-Krise omnipräsent. Das drückt bei vielen Landwirten auf die Stimmung. Wirkt sich dies auch auf die Bereitschaft für Investitionen aus?

Das kann ich so nicht bestätigen. Wir haben aber festgestellt, dass der Hitzesommer 2018 Auswirkungen auf die Investitionen hatten. Das betrifft weniger die Kreditgenossenschaft, sondern eher die Abteilungen Strukturverbesserungen, Meliorationen. Dort hatten wir recht viele Gesuche zur Verbesserung der Wasserversorgung auf Alpen. Die Bauern haben gemerkt, dass das Wasser ein knappes Gut wird. Es musste in Sommer 2018 teilweise auf die Alp geflogen werden oder mittels Wasserfass auf die Alp transportiert werden. Das war im Alltag sehr mühsam und teuer. Wir haben in diesem und im vergangenen Jahr recht viele Überlegungen zur Verbesserung der Wasserversorgung angestellt.

Und wie steht es mit der Wasserqualität?

Wir hatten einige Gesuche für Waschplätze. Der Kanton St. Gallen vertritt da eine etwas andere Philosophie als andere Kantone. Diese wurde bereits von meinem Vorgänger Roger Peterer eingeleitet. Wir möchten nicht viele kleine und mobile Waschplätze unterstützen, zum Beispiel eine Blache, in der man das Wasser sammelt, um dieses danach in einen provisorischen Tank zu leiten. Wir möchten die Bauern dazu motivieren, korrekte Waschplätze einzurichten und diese idealerweise überbetrieblich zu nutzen. Das kann natürlich auch über einen Lohnunternehmer laufen. Im Bereich Waschplätze und Pflanzenschutz hatten wir teilweise Gesuche für sehr geringe Beträge. So gering, dass man sich fragen muss, ob sich der Verwaltungsaufwand lohnt, bis dann eine recht kleine Summe beim Landwirt ankommt. Das kleinste Gesuch bekam von Kanton und Bund einen Beitrag von je 2000 Franken. Damit will ich keinesfalls die Bedeutung des Gewässerschutzes kleinreden, aber es stellt sich die Frage, ob man nicht die Verfahren für so kleine Beiträge wesentlich vereinfachen sollte. Es wäre zu prüfen, für Kleinstvorhaben mehr Kompetenz an die Kantone zu delegieren. Einen entsprechenden Antrag konnten wir im Rahmen der Anhörung zum Agrarpaket 2021 beim Bund platzieren.

Ein Kredit sticht besonders ins Auge. Es handelt sich um einen Investitionskredit über eine Million Franken im Bereich Spezialkulturen. Worum geht es da?

Das war ein Investitionskredit im Rahmen des Projektes Regionale Entwicklung Netzwerk Pflanzenbau Rheintal 2020. Es geht um die Realisierung eines Lagergebäudes. Dieses dient nicht nur dem betreffenden Gemüsebauern, sondern auch rund 85 weiteren Landwirten. Diese können in diesem Gemüse unter optimalen Bedingungen lagern und verfügen über eine Abnahmegarantie. Der Gemüsebetrieb ist zudem der Handelspartner mit den Abnehmern, mit den Grossverteilern. Bei dieser regionalen Gemüseplattform handelt es sich um einen gemeinschaftlichen Bau. Es ist ein komplexes Konstrukt, bei dem unter anderem sichergestellt werden muss, dass die beteiligten Landwirte tatsächlich profitieren.

Im Jahr 2019 gewährte die Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft 120 Investitionskredite. 49 davon waren Starthilfen. Eine erstaunlich hohe Zahl.

Dazu muss man wissen, dass ein Landwirt bis zum Alter von 35 Jahren eine Starthilfe zu dem Zeitpunkt beziehen kann, an dem er dies will. Im vergangenen Jahr haben einige Landwirte eine Starthilfe bezogen, die bereits vor einigen Jahren begonnen haben. Und das ist in vielen Fällen sinnvoll. Etwa wenn eine Betriebserweiterung absehbar ist. Denn die Höhe der Starthilfe richtet sich nach der Grösse des Betriebe beziehungsweise nach der Zahl der Standard-arbeitskräfte. Aber uns ist ebenfalls aufgefallen, dass wir dieses Jahr recht viele Starthilfen hatten. Darunter einige aufgeschobene. Es gab recht viele Wechsel. Es gab zudem einige recht grosse Betriebe, die von Jungen übernommen wurden. Wir sind erfreut, dass es so viele wagen, in diesen Beruf einzusteigen.