Am 26. Oktober 2020 ist Hans Haslebacher aus Sumiswald im Emmental überraschend verstorben. Vielen ist Haslebacher als langjähriger Gemeindepräsident der Gemeinde Sumiswald in bester Erinnerung. Auch als Verwaltungsratspräsident des Dienstleistungszentrums Sumiswald war er in der ganzen Regio vielen bekannt. Daneben hat Haslebacher aber auch einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Naturfaserproduktion und -verarbeitung geleistet. Nachdem dieser Wirtschaftszweig vor allem aufgrund der Konkurrenz durch die Baumwolle und synthetische Fasern zunehmend verdrängt worden war, ging auch viel Wissen über Anbau und Verarbeitung verloren.

Den Naturfaseranbau etablieren

Im Jahr 2009 wurde das Thema Flachsanbau in der Schweiz wieder aufgegriffen, nachdem die hiesige Produktion über Jahrzehnte stillstand. In einem lockeren Gespräch zwischen dem Betriebsingenieur Martin Klöti und Hans Haslebacher entstand die Idee der Förderung des Schweizer Naturfaseranbaus. Kurz darauf wurde ein Symposium zum Thema abgehalten und die Interessensgemeinschaft IG Niutex wurde gegründet. Der Verein IG Niutex ist ein Netzwerk von interessierten Firmen und Einzelpersonen. Das Ziel des Vereins ist es, die langfristige Produktion von hochqualitativen Textilien und weiteren Produkten aus Naturfasern in der Schweiz zu (re)installieren und wirtschaftlich produktiv zu etablieren.

Keine einfache Aufgabe

Der Maschinenbauingenieur Hans Haslebacher war Mitinitiant der IG Niutex. Er hatte sich dieses Unterfangen wahrscheinlich etwas einfacher vorgestellt. Es musste zuerst intensiv geforscht werden, da in der Schweiz grundlegendes Know-how fehlte. So wurden viele Reisen ins Ausland angetreten und Verarbeitungsstätten besucht. Gleichzeitig nahm die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Forschungstätigkeiten auf. Die HAFL befasste sich insbesondere mit dem Anbau von Hanf, Fasernessel und Flachs. Die grössten Herausforderungen bestanden dabei im Aufbau einer gesamten Wertschöpfungskette, um die Faser aufzuschliessen und zu verspinnen.

Es wächst wieder Flachs

Webstühle und Strickereien finden sich in der Schweiz noch und das Know-how in diesem Bereich ist gross. Aber die entscheidenden Zwischenschritte beim Aufschluss und dem Verspinnen fehlen. Hier setzt das Start-up-Unternehmen Swissflax an. Es wurde von Hans Haslebacher 2014 mitgegründet und mittlerweile wächst dank seines umtriebigen Wirkens auf rund sechs Hektaren im Emmental wieder Schweizer Flachs, welcher auch hierzulande zu Textilien verarbeitet wird. Es gibt wieder Kleider, Teppiche und sogar Schwinghosen aus diesem Schweizer Rohstoff, wobei aber die Zwischenschritte in anderen Teilen Europas gemacht werden müssen. Trotzdem war es die Vision von Hans Haslebacher, diese Schritte wieder hier zu betreiben. Er hinterlässt somit eine Vision, welche Gruppierungen wie die IG Niutex und Swissflax weiter in die Tat umsetzen wollen.

 

Als der Flachs verschwand

«Von einem Gewitter, welches schönen Flachs in die Erde schlägt, dagegen aus der Erde gute Leute.» Schon in Gotthelfs «Käthi die Grossmutter» waren Naturfasern, insbesondere Flachs, ein Thema. Gotthelfs Werk entstand im 19. Jahrhundert; darin steckt viel altes, traditionelles und vor allem lokales Wissen. Die Hochblüte der Naturfaserverarbeitung erlebten die Schweiz und ganz Europa Ende des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert. Es wurden insbesondere Flachs, Nesseln, Hanf und Wolle verarbeitet. Fast jeder Bauernhof im Emmental oder dem Bündner Oberland hat in seinem Estrich noch einen «Brechbock» stehen. Dieses einfache Gerät diente dazu, die Fasern des Flachses aufzuschliessen und für die weitere Verarbeitung nutzbar zu machen. 

Tradition wird teilweise noch gepflegt

Heute wird diese Tradition beispielsweise noch an der «Brächete» im bernischen Zäziwil gepflegt. Zuerst wurde der Aufschluss der Flachsfasern grösstenteils handwerklich vorgenommen, später dann in industrieller Form mit riesigen Maschinen. Während des Zweiten Weltkriegs produzierten hierzulande knapp 11 00 Betriebe auf einer geschätzten Fläche von rund 225 a Flachs für die Textilproduktion. Zeitzeugen dieser Blütejahre gibt es noch heute, wie etwa die Schwob Leinenweberei in Burgdorf oder die Leinenweberei Bern. Der letzte internationale Leinenkongress der CELC (Conferdation Europeen du Lin et du Chanvre) fand 1968 in Interlaken statt.

Die Konkurrenz aus Übersee hält Einzug

Im Lauf der Industriellen Revolution kam die Baumwolle als neue, einfacher zu verarbeitende und damit rentablere Naturfaser auf. Internationaler Handel und ein vereinfachtes und schnelleres Verarbeiten dieser subtropischen Kultur waren den hier heimischen pflanzlichen Naturfasern überlegen. Das Aufkommen dieser Konkurrenz markierte das beginnende Ende der Schweizer Naturfaserproduktion.