Was können wir uns leisten? Was brauchen wir heute und in Zukunft? Die Renten geben wieder zu Reden. Nach der AHV-Abstimmung im letzten September ist das Parlament nun dabei, einen gangbaren Weg für die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) zu finden.

Das Ziel: die Renten und die Finanzierung sichern sowie die Situation der Teilzeitbeschäftigten stärken, insbesondere der Frauen. Dies soll unter anderem mit einer Senkung des Umwandlungssatzes erreicht werden, einer Reduktion der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzugs.

Die BVG-Reform ist im Parlament ein zähes Ringen mit vielen Kompromissen, zu unterschiedlich sind die Ansichten über Aufwand und Ertrag. Das gilt auch für zwei grosse bäuerliche Verbände: Der Schweizer Bauernverband (SBV) beurteilt die Rentenreform anders als der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV).

Verkraftbare Mehrkosten

Der SBV hatte gemeinsam mit anderen Verbänden und Organisationen bei der BVG-Reform einen Mittelweg vorgeschlagen. Dieser sieht unter anderem Folgendes vor:

  • Die Eintrittsschwelle bleibt auf dem aktuellen Niveau
  • Der Koordinationsabzug beträgt neu 60 Prozent des AHV-Lohnes
  • Die Altersgutschriften werden erhöht

Gemäss SBV-Medienmitteilung wären bei dieser Variante die Kosten für die Landwirtschaft um rund 39 Prozent gestiegen, was 17 Millionen Franken entspricht. «Das hätten wir mitgetragen», sagt SBV-Direktor Martin Rufer. Doch der Vorschlag kam beim Parlament nicht an. 

«Nun haben wir eine sehr teure Reform.»

Martin Rufer, SBV-Direktor

Kompromiss im Parlament

Derzeit scheint das Parlament einen anderen Weg zu favorisieren: Die Eintrittsschwelle soll neu bei 19'845 Franken liegen statt wie bisher bei 22'050 Franken. Statt eines fixen Koordinationsabzuges von 25'725 Franken sollen künftig 80 Prozent des Lohnes versichert werden.

«Der aktuelle Vorschlag würde in der Landwirtschaft zu Mehrkosten für die berufliche Vorsorge von 69 Prozent führen», sagt. SBV-Direktor Martin Rufer. Dies entspricht einer Summe von 30 Millionen Franken. «Das ist eine grosse Belastung für die Landwirtschaft.»

Also besser alles beim Alten lassen? «Nein, es braucht eine Reform», so Rufer. Aber: «Es braucht neue, ausgewogene Modelle.» Zudem weist er darauf hin, dass Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen im Rentenalter von Ergänzungsleistungen profitieren können.

Endlich Lösungen

Der SBLV hat einen anderen Blickwinkel. Als einer der grössten Frauenverbände vertritt er die Anliegen von über 500'000 Bäuerinnen und Landfrauen. Rund ein Drittel der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist weiblich. Viele der Bäuerinnen arbeiten Teilzeit, teils angestellt auf den Betrieben, teils in anderen Branchen.

Gut 55 Prozent der Mitglieder sind aber Landfrauen, auch hier ist der Anteil der Teilzeitpensen hoch. «Wir vertreten die Anliegen aller Frauen vom Land, nicht nur der Bäuerin», erklärt SBLV-Präsidentin Anne Challandes zur Position des Verbandes.

Der SBLV ist sich bewusst, dass mit einer Annahme der Reform Mehrkosten auf die Bauernbetriebe zukommen.

«Aber es braucht Verbesserungen für die Frauen, die wurden ihnen bei der AHV-Abstimmung auch zugesagt. Wenn wir es nicht angehen, dann macht es niemand.»

Anne Challandes, SBLV-Präsidentin

Um überhaupt etwas zu bewegen, ist der SBLV inzwischen mit Kompromisslösungen einverstanden. Konkret heisst das nach den langen parlamentarischen Diskussionen:

  • Eine tiefere Eintrittsschwelle von neu 19'845 Franken
  • Der fixe Koordinationsabzug soll wegfallen. Stattdessen sollen 80 Prozent des Lohnes versichert werden, damit tiefe Löhne auch bei der zweiten Säule neu oder besser versichert sind.

«Dies waren nicht unsere ursprünglichen Forderungen», sagt Anne Challandes dazu. «Aber mit dieser Lösung hoffen wir den Frauen in Tieflohnbereichen oder mit Teilzeitstellen helfen zu können.»

Die Reform steht

Inzwischen ist klar: Die Pensionskassen-Reform  ist nach drei Jahren Verhandlungen und Debatten unter Dach und Fach. Das Parlament hat die Vorlage am Freitag in der Schlussabstimmung verabschiedet - der Nationalrat mit 113 zu 69 Stimmen bei 15 Enthaltungen, der Ständerat mit 29 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen, wie die SDA schreibt.  «Der Entscheid ist ein Kompromiss», sagt Anne Challandes. «Aber wir können voll und ganz dahinter stehen.» Wahrscheinlich wird es zu einer Volksabstimmung kommen, denn die Ratslinke droht seit längerem mit einem Referendum.

 

Begriffe der beruflichen Vorsorge
Das BVG ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln, was zum einen am komplexen Thema, zum anderen auch an den Fachausdrücken liegt. Eine kurze Übersicht über die oft verwendeten Begriffe:

Koordinationsabzug: Bisher wird vom massgebenden Lohn fix ein Betrag von 25 725 Franken abgezogen. Dieser ist nicht BVG-versichert. Diese 25 725 Franken entsprechen derzeit 7⁄8 der maximalen AHV-Rente. Der Grund für diesen Koordinationsabzug ist, dass die Pensionskasse nur Beiträge auf den Teil des Lohnes erhebt, der nicht schon durch die AHV abgedeckt ist.
Setzt man den Koordinationsabzug tiefer an, steigen die versicherten Löhne sowie die Sparbeiträge und damit die späteren Renten. Das heisst aber auch, die Angestellten erhalten weniger Lohn, und der Arbeitgeber muss mehr zahlen. 

Eintrittsschwelle: Der jährliche Lohnbetrag, ab welchem die Arbeitnehmenden in der beruflichen Vorsorge obligatorisch versichert sein müssen. 2023 beträgt er 22 050 Franken.

Altersgutschriften: Dies ist der jährliche Betrag, der den Versicherten auf ihr Altersguthaben gutgeschrieben wird, also Sparbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zuzüglich Zinsen. Dazu kommen allenfalls eingebrachten Freizügigkeitsleistungen sowie freiwillige Einkaufszahlungen.

Umwandlungssatz: Die berufliche Vorsorge besteht aus einem obligatorischen und einem überobligatorischen, also freiwilligen Teil. Der Umwandlungssatz zeigt in Prozentangaben an, wie das angesparte Kapital in eine Rente umgewandelt wird. Je höher der Umwandlungsatz, desto mehr Rente gibt es. Die Höhe des Umwandlungssatzes unterscheidet sich von Pensionskasse zu Pensionskasse.