Die Anfrage der BauernZeitung, hier in der Arena hin und wieder einen Gastbeitrag zu verfassen, hat mich sehr gefreut. Nach einigen Jahren als Bürofachfrau und Buchhalterin im Familienbetrieb im Agrartechnikbereich habe ich während elf Jahren aktiv dazu beigetragen, einen veralteten kleinen Hof im thurgauischen Amriswil zu einer Existenz mit Direktvermarktung, eigenem Marketing etc. aufzubauen.
Teil eines Familienprojekts
Ich war während elf Jahren Teil eines grossen Familienprojekts, stellte mich der Herausforderung, im Landwirtschaftssektor etwas Neues auf die Beine zu stellen, war mit Herzblut dabei, habe aber auch die Herausforderungen der Landwirtschaft direkt erlebt. Wenn Sie hier Erfahrungen oder Gedanken einer Grünen-Politikerin lesen, lesen Sie diese von einer, die eigene Erfahrungen mit einem Landwirtschaftsbetrieb gesammelt hat, von einer, die einen direkten Bezug zur Landwirtschaft hat.
Einmal Bäuerin – immer Bäuerin! Die Verbindung zur Landwirtschaft bleibt, auch wenn es plötzlich anders kam. Ich musste mich als geschiedene Frau auf einmal einer anderen Herausforderung stellen: mit ü50 galt es den Weg zurück in meinen alten Beruf zu finden. Ich musste mich damit auseinandersetzen, ob die für einen Zweipersonenhaushalt vorgesehene Altersvorsorge auch für zwei Einzelpersonen reicht.
Plötzlich vor finanziellen Schwierigkeiten
Genauso wie in Kleinbetrieben oder bei Frauen, die sich um unbezahlte, aber äusserst wertvolle Familienarbeit kümmern, gilt es auch für auf einem Landwirtschaftsbetrieb mitarbeitende Ehepartner, eine gute Altersvorsorge und Risikoversicherungen abzuschliessen. Das sollte heutzutage selbstverständlich sein, ist es aber leider noch nicht überall.
Im Bericht des Bundesrates «Frauen in der Landwirtschaft» von 2012 steht, dass die in der Landwirtschaft mitarbeitenden Familienmitglieder grundsätzlich von der ALV-Beitragspflicht ausgenommen und deshalb entsprechend nicht versichert sind. Insbesondere im Bereich der Altersvorsorge kann es zudem für Frauen in der Landwirtschaft im Scheidungsfall zu schwierigen Situationen kommen.
In der Regel werden Ersparnisse in den Betrieb investiert, welcher bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zum Ertragswert bewertet wird. Das günstige Wohnen im Alter mit Wohnrecht fällt ebenfalls weg. Im Scheidungsfall können Frauen in der Landwirtschaft bezüglich der Vorsorge in finanzielle Schwierigkeiten gelangen.
Fragen frühzeitig klären
Ist die Vorsorge der mitarbeitenden Frauen auf den Betrieben heute besser geregelt? Stehen sie im Scheidungsfall noch immer derart schlecht da? Diesen Herbst werden wir über die heutige Situation der Frauen in der Landwirtschaft mit einem aktuellen Bericht informiert: zum dritten Mal gab das Bundesamt für Landwirtschaft Anfang 2022 eine Studie in Auftrag, welche die Situation der Frauen in der Landwirtschaft untersuchen soll.
Wann haben Sie sich das letzte Mal damit auseinandergesetzt, wie es für Sie und/oder für Ihre(n) Partner(in) im Alter finanziell aussieht? Wie sähe bei Ihnen die Situation für beide Ehepartner aus, wenn es zu einer Scheidung käme? Das sind Fragen, die nicht erst kurz vor der Pensionierung angeschaut werden müssen, nicht erst, wenn die Trennung vor der Tür steht.
Ich wünsche allen ein gesundes und sorgenfreies Leben bis ins hohe Rentenalter und eine glückliche Partnerschaft bis ans Lebensende. Sollte es plötzlich anders kommen, wünsche ich beiden Partner(innen) eine friedliche und finanziell verkraftbare Lösung.
Zur Autorin
Sandra Reinhart ist Stadträtin von Amriswil und Kantonsrätin des Kantons Thurgau (Grüne). Sie schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.


