Rund 160 bis 200 Betriebe würden pro Jahr auf das automatisierte Melken umstellen, schätzt Marcel Schwager, Verkaufsleiter Schweiz bei Lely. Diese gesellen sich zu den rund 1600 Milchwirtschaftsbetrieben, auf denen aktuell bereits Roboter das tägliche Melken besorgen. So steht etwa bei Lely in Kürze schon eine magische Marke an: «Sehr bald wird der 1000. Lely Astronaut in der Schweiz verkauft», freut sich Schwager.
Diese jährliche Zunahme ist in den letzten Jahren mehr oder weniger stabil geblieben; es verfestigt sich damit also auch hierzulande ein Trend, der in vielen Ländern mit stark auf die Viehhaltung ausgerichteter Landwirtschaft schon länger andauert.
Knackpunkt Weiden?
Ein häufig vorgebrachtes Argument, weshalb das Melken mit dem Roboter in der Schweiz schwierig umzusetzen sei, ist die angebliche Unvereinbarkeit des automatisierten Melkens mit der Weidehaltung. Solche Bedenken sind auch Marcel Schwager nicht fremd, doch der Fachmann relativiert: «Bei uns hat das Weiden einen sehr hohen Stellenwert. Wir empfehlen eigentlich jedem Kunden, er soll mindestens eine Teilweide machen, und arbeiten nach dem Grundsatz ‹Lely-Bauern weiden›. Gemäss meiner Schätzung weiden wohl fast 90 % unserer Astronaut-Kunden.» Sogar grosse Betriebe mit zwei bis drei Robotern hätten, seit sie automatisiert Melken, wieder mit dem Weidegang gestartet.
Schwager verweist in diesem Zusammenhang auf ausländische Regionen mit starkem Weidegang. In Irland und Neuseeland etwa sei Lely mit Melkrobotern sehr gut vertreten. Auch in den Niederlanden setzen Milchproduzenten zunehmend auf die Kombination von Roboter und Weide (wir berichteten). «Noch vor zehn Jahren war das eine Minderheit», holt Schwager aus. «Heute werden es sicherlich mehr als 50 % sein. Unter anderem dank der Weideprämie via Milchpreis weiden auch Betriebe mit sehr grossen Herden, also 100 bis 300 Kühen.» Die «Grünfütterung» werde immer wichtiger und in Holland entweder durch Frischgrasfütterung oder durch das Weiden erreicht.
«Alle Rassen funktionieren am Roboter. Gesundheit und Fitness sind wichtig.»
Marcel Schwager, Leiter Verkauf bei Lely Schweiz, ist überzeugt, dass ein gutes Management ausschlaggebend ist.
Wo liegen die Weiden?
«Wenn man das Land nicht direkt rund um den Betrieb hat, funktioniert das Melken mit dem Roboter nicht», sind viele Landwirte überzeugt. Marcel Schwager widerspricht: «Das hat grundsätzlich nichts mit dem Robotermelken zu tun, arrondiertes Weideland ist bei jedem Melksystem von Vorteil.»
Bei Lely betreue man viele Betriebe, die bewusst auf die Weidestrategie setzten, auch ohne gute Arrondierung. «Diese Betriebe entscheiden sich zugunsten des Weidegangs dann für eine eher tiefe Roboterauslastung und lassen dafür die ganze Herde ein- bis zweimal täglich blockweise auf die Weide. Das funktioniert auch bei grösseren Distanzen auf der Strasse», so Schwager.
Fit und gesund
Auf die Frage, welche für Rasse sich Roboterbetriebe entscheiden, hat Marcel Schwager eine kurze und klare Antwort: «Alle Rassen funktionieren am Roboter.» Viel wichtiger als Rasse und Tagesleistung sei, dass eine Kuh gesund und fit sei. Es könne sein, dass eine gesunde, vitale Kuh mit 5000 kg Jahresleistung besser am Roboter funktioniere als eine 12000er-Kuh, die aufgrund mangelhaften Managements ständig mit einer Übersäuerung oder ähnlichem kämpfe.
Man betreue eine in dieser Hinsicht sehr breit aufgestellte Kundschaft, so Marcel Schwager: «Das erstreckt sich vom professionellen Vollweidebetrieb mit weniger als 6000 kg Laktationsleistung bis hin zu Betrieben mit über 14 000 kg Jahrestierleistung. Beides funktioniert bei entsprechend angepasstem Management ausgezeichnet.»
Go with the flow
Viele Landwirte, die sich mit einer möglichen Umstellung auf den Melkroboter auseinandersetzen, fragen sich, wie man Altmelkkühe dazu animiert, an den Roboter zu gehen. Die älteren Tiere könnten dem Roboter gegenüber allzu skeptisch sein, so die Befürchtung. Doch Marcel Schwager winkt ab: «Altmelkkühe sind ja oft sehr gesund und gut auf den Klauen, da sie nicht mehr so einen strengen Alltag haben. Und eine gesunde Kuh geht gerne freiwillig zum Roboter – egal, ob frisch- oder altlaktierend», ist der Ostschweizer überzeugt.
Das angesprochene Phänomen mit den zögerlichen Altmelkkühen kenne man von früher, erklärt Schwager: «Als bei uns die Kühe den Roboter auch noch via ‹K-Flow› seitwärts betreten mussten, konnten wir das auch beobachten. Seit der Einführung unseres ‹I-Flow-Konzepts›, das im Jahr 2011 zusammen mit dem Astronaut A4 eingeführt wurde, gehört dieses Thema jedoch der Vergangenheit an.» Der Vorteil dieses Systems liege darin, dass die Kühe den Lely-Roboter nun gerade betreten und verlassen könnten und zusätzlich während des Melkens immer in der Herde stehen blieben.
«Ganz praktisch konnten wir ausserdem beobachten, dass seit der Einführung des ‹I-Flow-Konzepts› gegen Ende der Laktation bis zu 1 kg Lockfutter weniger benötigt wird», betont Schwager. Er empfiehlt deshalb speziell Biobetrieben, unbedingt auf ein Robotermodell mit «I-Flow» zu setzen.
Marcel Schwager schliesst mit einem Appell: «Oft muss auch ein Umdenken stattfinden. Während Kühe im freien Kuhverkehr entsprechend der Milchleistung zu Beginn der Laktation drei bis vier Melkungen machen, reicht es in den letzten Laktationswochen, wenn die Kuh noch einen Melkintervall zwischen 10 und 14 Stunden erreicht. Dies entspricht der Natur der Kuh und fördert einen stressfreien Übergang in die Galtzeit.»