Die Kuh als Klimakillerin zu bezeichnen, sei zu kurz gegriffen, wehrte sich Thomas Grüter, Präsident der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), am Polittreffpunkt im Gletschergarten Luzern. Zum Thema «Treiben uns Klimawandel und Konflikte in Deglobalisierung und Protektionismus?» referierten Fachleute und im Anschluss diskutierten Politiker. Die Branche sei gefordert, Lösungen zu bringen, zumal die Milchwirtschaft zum Klimawandel beitrage, andererseits unter diesem aber auch leide. Die Milchproduktion bleibe auch künftig bedeutsam, und immer mehr wachse die Erkenntnis, dass die Kuh Teil eines natürlichen Systems sei, welche Futter auf Flächen veredele, die sonst nicht nutzbar wären.
Weidebasierte Milch
Eva Reinhard, Geschäftsführerin von Agroscope, ging auf negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierproduktion ein, wie z. B. Hitzestress oder ein verändertes Futterangebot. Deshalb prüfe die Forschung beispielsweise trockenheitsresistente Futterbau-Mischungen für Berggebiete und im Tal neue Futterpflanzen wie Sorghumhirsen. Reinhard plädierte für die weidebasierte Milchproduktion, welche kosteneffizient sei und die Konkurrenz von Nahrungs- und Futtermitteln vermindere. Im Fokus stünden aber auch neue Futtermittel wie Mikroalgen als Nährstoffquelle der Zukunft. «Wenn man von Dekarbonisierung redet, sollte man auch vom Selbstversorgungsgrad reden und den Ertrag pro Fläche optimieren», meinte Reinhard. Aus ethischen und moralischen Gründen mache die Produktion im Inland Sinn und trage zu einer nachhaltigeren Land- und Ernährungswirtschaft bei.
Der Klimawandel sei für Nestlé ein grosses Risiko, meinte Daniel Imhof, Head of Agricultural Affairs. Das globale Unternehmen will 2050 Netto-null-Treibhausgasemissionen erreichen. Herausforderungen für Klimaprojekte im Milchsektor seien mangelndes Wissen, der Faktor Zeit und Kosten sowie die Kompetenz, Projekte voranzutreiben. Es brauche mehr Kooperationen in einem effizienteren und ressourcenschonenderen Umfeld. Nestlé sei überzeugt von der Milchproduktion in der Schweiz. Vorteile seien die Regionalität, Vermarktung einer hohen Qualität, Berglandwirtschaft, Ernährungssicherheit sowie die Sensibilität für Nachhaltigkeit.
Führend in Forschung
Die Schweiz habe sich als Epizentrum der weltweiten Forschung und Entwicklung im Bereich der Regenerativen Landwirtschaft etabliert. Deshalb setze sich der Konzern zusammen mit Partnern auch für das Projekt «Klimastar Milch» ein, welches eine Reduktion der Treibhausgasemissionen durch Verminderung der Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz bezwecke. Stichworte sind Optimierung der Fütterung, des Herdenmanagements wie langlebige Kühe und bessere Energie- und Hofdüngernutzung.
Konsumenten aufklären
Rolf Bernhard, Leiter Agronomie und Produktionssysteme bei der Migros, ging auf die Konsumtrends wie Gesundheit, Nachhaltigkeit, Plant-based und Convenience ein. Der Milchkonsum sei rückläufig, der Anteil veganer Drinks habe sich auf tiefem Niveau seit 2019 verdoppelt. Er plädierte dafür, das Wissen im Wertschöpfungssystem bestmöglich zu vernetzen. Dazu müsse auch die Kommunikation mit den Konsumenten verständlicher und transparenter werden. Er wies auf das erfolgreiche Label «Aus der Region. Für die Region» hin. Regionalität bedeute Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit. Im anschliessenden Podium diskutierten National- und Ständeräte aus der Region zur komplexen Thematik. Einig war sich die Runde, dass der Konsum von Schweizer Produkten ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sei. Bezüglich Klimazielen für die Milchwirtschaft brauche es ein Miteinander aller Beteiligten und eine bessere Information. Schuldzuweisungen und Extrempositionen seien keine Lösung.
Gesunder Menschenverstand
Darauf ging im Inputreferat auch Zukunftsforscher David Bossart ein. Die heutige Gesellschaft habe wegen der Reizüberflutung mit Informationen den Überblick verloren. Extreme, ideologische, irrationale und unvernünftige Meinungen würden vorherrschen und Ahnungslose würden meinen, sie hätten eine Ahnung. Es brauche jetzt wieder ein Gedankengut, das auf mehr gesundem Menschenverstand und mehr Vernunft basiere.