Konservierende Landwirtschaft beantwortet in den Augen von Experten für nachhaltige Entwicklung zahlreiche Fragen der globalen Landwirtschaft zur Klimaveränderung, zur Bodenverarmung und zur Produktivität.

Rückstand auf Grossbauern

Die nachhaltige Anbaumethode hat besonders für Kleinbauern und -bäuerinnen der Entwicklungsländer das Potenzial, nicht nur Ernährungssicherheit zu gewährleisten, sondern Profit zu generieren, welcher ihr Leben und das der ganzen Gesellschaft langfristig verändern kann.

 

Das Conservation Farming (CF) Unit (auf deutsch Einheit für konservierende Landwirtschaft) wurde 1996 in der sambischen Hauptstadt Lusaka gegründet mit dem Ziel, das Leben der ländlichen Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.

 

Mais ist das Hauptnahrungsmittel der Sambier. Der Durchschnittsertrag der Kleinbauern war weniger als zwei Tonnen pro Hektare, derweil die grossen ­kommerziellen Farmer, fast alles Weisse, durchschnittlich zehn Tonnen pro Hektare produzierten. Das hat sich geändert: Einige CF praktizierende Kleinbauern produzieren heute so viel Mais wie ein Grossbauer.

Drei Eckpfeiler des Erfolgs

Die drei Eckpfeiler von CF sind minimale Bodenbearbeitung, möglichst vollständige Bodenbedeckung mit Mulch oder Untersaat sowie eine gute Fruchtfolge. Gesät wird nach dem ersten Regen in bereits vorbereitete Pflanzlöcher. Dieses Vorgehen steht in starkem Kontrast zu der bisher am weitesten verbreiteten Anbaumethode in Sambia.

Hier wird der ganze Acker nach Einsetzen der Regenzeit im November, meist mit der Haue oder mit Ochsen, gepflügt. Vorher ist der Boden nach der Trockenzeit für den Anbau zu hart. Peter Aagaart, Mitbegründer des CF Units, ist überzeugt, dass ein späterer Saattermin den Kulturen überhaupt nicht behagt. So behauptet er zum Saattermin: «Nach dem 15. November gibts pro Tag 1,5 Prozent Ertragseinbusse».

Bis Mitte Dezember, wenn viele Kleinbäuerinnen erst mit der Saat beginnen, sind 45 Prozent Ertrag somit schon verloren. Traditionell werden Ernterückstände verbrannt. Der Boden ist schutzlos der heissen Sonne ausgesetzt und durch das Feuer werden Bodenlebewesen zerstört. Eine Fruchtfolge findet zudem kaum statt.

Influencerinnen gesucht

Die Zahlen auf der Homepage von CF Unit of Zambia sind ­eindrücklich. Im Dürrejahr 2018 / 2019 wurden auf den Feldern der Langzeitanwender von CF durchschnittlich 2158 kg Mais/ha produziert im Vergleich zu 1297 kg/ha bei Nichtanwendern. Erträge von CF-Frauen sind durchschnittlich 78 Prozent höher als bei Nichtanwender-Bäuerinnen.

Will die CF Unit in ein neues Gebiet eindringen, sucht sie zuerst nach Influencern in der ­Gesellschaft, möglichst Frauen, die sie zu Lead-Farmerinnen ausbilden. Diese gut 3000 Personen praktizieren selbst konsequent CF, unterrichten Interessierte und begleiten diese über längere Zeit. Jährlich werden so über 200 000 Farmerinnen ausgebildet, wovon laut Website 54 Prozent CF-Anwender werden.

 

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Jasinta Bulawya, Mpongwe

Mitte Februar reicht Jasintas Mais ihr bereits über den Kopf. In einem bunten Tuch eingeschlagen, trägt sie ein Dutzend reife Maiskolben nach Hause. Januar und Februar sind traditionellerweise die Hungermonate der Kleinbauern in Sambia. Der Mais der letzten Ernte ist aufgebraucht, die neue Ernte aber noch ausstehend. Bei Jasinta gibt es schon lange keinen Hungermonat mehr. Auch in dem Dürrejahr 2018/ 2019 hatten die Witwe und ihre Familie immer genug zu essen.

Eine Organisation ermöglichte ihr 2009 den Besuch eines CF-Kurses. «Das war mein Wendepunkt», sagt die zierliche Bäuerin rückblickend. Zu Hause pflanzte sie ein Versuchsfeld an. Sie bereitete die Pflanzlöcher im Juli, säte beim ersten Regen im November traditionelle Samen statt der teuren Hybride, welche die Müller bevorzugen. Sie arbeitete Kompost und Mist ein, statt Mineraldünger. Das Resultat erstaunte nicht nur sie, sondern alle um sie herum. Eine Frau nach der anderen kam zu ihr und bat sie um Training. Hilfs- und staatliche Organisationen kamen. Heute ist Jasinta eine der Lead-Farmerinnen für CF in ihrer Umgebung, also so etwas wie eine Beraterin.

Im Demonstrationsfeld für den Unterricht ihrer 30 Bäuerinnen wachsen neben Mais noch Sojabohnen und Erdnüsse. Hier findet der praktische Unterricht statt und gleichzeitig wird ihr Feld bearbeitet. Es gibt sonst keine ­Entlöhnung für ihre Trainings. CF ermöglichte es Jasinta, ein neues Backsteinhaus zu erstellen und Kühe und Ochsen zu beschaffen. «Jetzt will ich meinen Schulabschuss nachholen», sagt die 47-Jährige entschlossen.

 

 

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Ruth Nyirongo, Kabwe

In Ruth Nyirongos Gemeinde sehen die Maisfelder alle prächtig aus. Es ist nicht nur, dass der Regen dieses Jahr gnädig fiel. Kümmerliche Maisfelder waren auch hier die Regel, bis die Organisation CF Unit ihre Arbeit in dieser Region aufnahm und Ruth Nyirongo als Lead-Farmerin ausbildete. «Früher hatte ich auf einer Hektare Mais 10 bis 20 Säcke Maiskörner, heute sind es 180 bis 200 Säcke», berichtet die Bäuerin stolz. (Ein Sack ist 50 Kilogramm schwer.)

Als er das sah, stellte ein grösserer Landwirt seinen ganzen Betrieb auf CF um. Aus dem erhöhten Ertrag erwarb er nochmals einen Traktor und mehr Land. Das bewirkte den Durchbruch in der Gegend. «Der weisse Landwirt in unserer Gegend musste seine Erntefelder stets schwer bewachen wegen Diebstahls», erzählt Ruth Nyirongo. «Heute muss er das nicht mehr.» Die Menschen bauen selbst genug Nahrung an. Dafür verlor er einige Arbeiter. Ruth schuftete früher auch auf seinen Feldern, um für Essen und Schulgeld ihrer Familie aufzukommen; Zeit, die den eigenen Feldern verloren ging.

Heute besuchen ihre Kinder das College aus dem Erlös der Farm. Sie hat für sich und ihre Mutter je ein neues Backsteinhaus gebaut. Alle Häuser in ihrer Familiensiedlung haben ein Solarpanel. «Ich sorge für 22 Menschen», erzählt die Bäuerin nicht ohne Stolz. «Kinder, Enkelkinder, meine Mutter, dazu die verwaisten Kinder meines verstorbenen Bruders.» Als CF-Lead-Farmerin hat Ruth Nyirongo 150 Bäuerinnen und Bauern unter sich und ist Vorstandsmitglied des sambischen Bauernverbands. Sie ist eine geachtete Frau in der Gesellschaft. 

 

 

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Agnes Ndililwa, Mpongwe

Einer der ersten Besuchtstage des CF Unit fand 2009 auf der Farm von Agnes Ndililwa statt. Die Besucher konnten nicht genug staunen ob den dicken Maiskolben, über den dichten Teppich von Erdnusspflanzen, und den schweren Sojabohnen-Bestand. Es war Agnes Ndililwas drittes Anbaujahr mit der CF-Methode. Die damals noch klein operierende Lead-Farmerin bewirtschaftete mit ihrer Familie acht Hektaren Land, alles von Hand, und war Mitglied der lokalen Saatzuchtgenossenschaft. Heute ist Agnes Ndililwa eine stolze Farmerin, die 400 Hektaren Landwirtschaftsland besitzt. Davon bewirtschaftet sie

58 Hektaren alles in Handarbeit, mit Hilfe vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. «Die Pflanzlöcher, die von Hand gehackt werden, bringen mehr Ertrag als maschinell gezogene Pflanzlinien», ist ihre Überzeugung. Dass sie die Arbeit so zu organisieren vermag, dass gute Erträge erreicht werden, sagt etwas über ihre Geschäftstüchtigkeit aus. Oft bitten die Menschen sie um Hilfe für Nahrungsmittel oder Schulgelder. «Es ist besser, Menschen zu befähigen, sich selbst zu helfen», ist Agnes Ndililwa überzeugt. Sie verpachtet ihnen gerne ein Stück Land, lehrt ihnen den Umgang mit der CF-Anbaumethode und hilft ihnen mit Samen aus.

Mit den lokalen Bäuerinnen und Bauern gründete sie eine Genossenschaft, wo Geräte gemietet oder gekauft werden können. Saatgut und Dünger ist günstiger und ein besserer Preis der Produkte wird realisiert.  Aus Bettlern wurden stolze Landwirtinnen. Agnes Ndililwa hat sich einen Namen gemacht, die Menschen kommen von weit her um von ihr zu lernen. mst