Flink schneidet Claudia Aebersold mit dem Messer eine Blume nach der anderen. Zielstrebig sucht sie den Hang nach passenden Blüten für einen Naturstrauss ab. Sie findet Frauenmantel, Glockenblumen, Margeriten und Sterndolden. Hellgrün, blassviolett, lila, blau und weiss. Allerdings ist sie noch nicht ganz zufrieden. «Es fehlen die grossen Blüten. Bis jetzt habe ich nur zarte und kleine gefunden», sagt Aebersold und steigt weiter den Hang hinauf. Sie pflückt nun direkt unterhalb des Sigriswiler Grats einen Armvoll Farn. Wieder unten angelangt, erklärt sie lachend: «Das passiert mir oft. Beim ‹Blüemelen› vergesse ich die Zeit und alles um mich herum. Ich war schon einige Male erstaunt, wo ich am Ende einer Blumen-Tour gelandet bin.»

Fotoshooting auf der Alp

Auf der heutigen Blumen-Tour wird sie gleich von zwei Personen begleitet. Zum einen von der Journalistin der BauernZeitung, zum anderen schiesst Tina Sturzenegger, Fotografin, Bilder für ein geplantes Landliebe-Buch voller Blumenkreationen. Denn Claudia Aebersold hat mit der Einsendung ihres Alpstrausses vom letzten Jahr einen Platz in diesem Buch gewonnen (siehe Box). Nun pflückt sie einen zweiten solchen Strauss. Allerdings werde der kaum wie der erste werden, warnt Aebersold. «Ich verwende für meine Sträusse, was gerade auf der Matte wächst. Letztes Jahr war ich etwas früher unterwegs. Wir werden also nicht die gleichen Blüten finden.»

 

Das Landliebe-Blumenbuch

Letztes Jahr suchten die Magazine «Schweizer Landliebe» und FrauenLand sowie die BauernZeitung gemeinsam einmalige, florale Beiträge für ein neues Landliebe-Buch, das im Laufe dieses Jahres entstehen soll und im Frühjahr 2021 erscheinen wird.

In einem Voting konnte die Leserschaft der BauernZeitung den letzten Platz im Buch vergeben. Gewonnen hat diesen die Bauerntochter und Floristin ­Claudia Aebersold aus Diemtigen BE mit ihrem Alpstrauss.

Die Fotoshootings fürs Buch sind in vollem Gange. Die BauernZeitung konnte dabei sein, wie Fotografin Tina Sturzenegger unsere Gewinnerin Claudia Aebersold in Szene setzt.

Die Bilder dazu findet man als Fotogalerie.

 

Blumenliebe und die Alp Tröler

Claudia Aebersold ist gelernte Floristin. Doch die Leidenschaft für die Blumen entdeckte sie schon lange vor der Berufslehre. Ihr Vater habe ihr jede Pflanze und jede Blume gezeigt und mit Namen genannt, wenn sie zusammen über die Alpweiden gingen, erzählt die 22-Jährige: «Ich habe dann meiner Mutter jeweils ein Sträussli mit nach Hause gebracht.» Die Alp, das ist neben den Blumen die zweite grosse Leidenschaft der Bauerntochter. «Bereits an meinem dritten Lebenstag zog ich auf die Alp Tröler in der Gemeinde Sigriswil BE. Sechs Jahre lang ging ich mit meiner Familie jeden Sommer dorthin. Es waren unbeschwerte Zeiten und eine sehr glückliche Kindheit», schwärmt Aebersold. 

Den zweiten Sommer mit dem Freund auf der Alp

Ihre Familie ist dann umgezogen ins Diemtigtal. Nun kommt die angefressene Älplerin diesen Sommer zum zweiten Mal mit ihrem Freund Reto Gerber zurück an den Fuss des Sigriswiler Grats, auf die Alp Mittlere Hornegg. Im Frühling sei die Freude jeweils riesig, wenn es wieder auf die Alp gehe. «Hier oben ist das Leben einfach anders. Ich selbst bin ruhiger und gelassener», sagt Aebersold. Auch die Arbeit mit den Tieren gefällt ihr sehr. Zusammen mit ihrem Freund versorgt sie rund 80 Tiere von mehreren Landwirten. Ihre eigenen 14 Simmentalerkühe sowie Guschti und Kälber sind auch mit dabei. 

Jeden Morgen melkt das Paar die Kühe, bevor Aebersold aus der Milch Mutschli macht. Allerdings wehrt sie schnell ab, sie sei erst am Ausprobieren: «Ich habe noch keinen Käserkurs gemacht und Käse mache ich nur immer dann, wenn ich Zeit habe. Ansonsten wird die Milch abgeführt mit dem Milchlastwagen.»

Individuelle Blumenkrationen auf Bestellung 

Claudia Aebersold probiert gerne Dinge aus und kreiert dabei Produkte, die den Leuten eine Freude machen. Wie etwa die Blumenbouquets. Oder die Dessertbuffets, die sie auf Anfrage für Feste von Bekannten und Freunden zusammenstellt. Oder den Käse, den sie ab Alp verkauft. Die Arbeit mit den Händen macht ihr grossen Spass, und sie hat noch viele weitere Ideen im Kopf. «Mein Traum ist es, mich als Floristin selbstständig zu machen», sagt sie. Sie will aber keinen herkömmlichen Blumenladen eröffnen. Der Plan ist, dass Menschen sie anrufen können, um einen Termin abzumachen. Zusammen mit ihren Kunden will Aebersold dann schauen, welche Blumen für den Auftrag infrage kommen. 

Eine individuelle Blumendekoration auf Bestellung also. Dabei will sich die junge Frau auf Natursträusse spezialisieren. Bereits heute hat sie einige solcher Aufträge. Sie durfte schon mehrmals an Hochzeiten die Dekoration übernehmen. Beim Alpaufzug schmückt sie mit viel Liebe zum Detail die eigenen Kühe. Und an Viehschauen hat sie ebenfalls schon als Floristin gewirkt. «Wir können so viele schöne Dinge aus der Natur schöpfen. Allerdings», ergänzt sie und wird kurz sehr ernst, «ist es mir wichtig, dass ich die Natur auch schätze. Den Menschen, die selbst in die Berge gehen und Freude an den Pflanzen haben, lege ich ans Herz, dass sie sich zuerst informieren. Sie sollten keine seltenen Blumen pflücken, nur weil die so schön sind.» Respekt vor der Umwelt, das merkt man, ist Claudia Aebersold ein grosses Anliegen.

Die Lieblingsblume ist das Vergissmeinnicht

Mittlerweile ist die Blumen-Tour zu Ende und die Sammlergruppe zurück auf der Alp.
Vor der Hütte entfernt Claudia Aebersold die Blätter von den Stängeln und beginnt, die Blüten zu büscheln und drapieren. «Ich starte mit dem buschigen Frauenmantel, das gibt die Form vor», erklärt die Floristin. Dann werden nach und nach Glockenblumen, Margeriten und Sterndolden hinzugefügt. Mit kritischem Blick ortet Aebersold Lücken im Bouquet, die sie mit weiteren Blüten füllt. Das Resultat ist ein Strauss in zarten Farben, mit filigranen Blüten und einer grossen Portion Alpsommer. Fertig! Bleibt noch eine ­Frage zu klären: «Meine Lieblingsblume? Das ist das Vergissmeinnicht», sagt Claudia Aebersold. «Aber das ist jetzt leider schon verblüht.»