Bevor es losgeht, reicht Annelise Moser eine kleine Räucherschale im Kreis herum. Moser ist Drogistin, Naturheil- und Traumatherapeutin. Mit einer Gruppe Frauen, die meisten Bäuerinnen, will sie vom Schwarzsee FR zur Alp Brecca hochsteigen und dort Kräutersalben, -öle und Tinkturen herstellen. Das Räuchern dient als Vorbereitung darauf. Es ist ein alter Brauch zum Reinigen der Aura, und er symbolisiert die Verbindung von Himmel und Erde. Meist wurden hierzulande getrocknete Beinfussgewächse für Räucherrituale verwendet. Mosers Rauch stammt von einer weissen Salbei. "Diese kommt aus Nordamerika und wird im Schamanismus verwendet."
Mystische Stimmung
Das Wetter ist nicht ideal zum Kräutersammeln. Über Nacht hat es heftig geregnet. Die Pflanzen sind nass: "Optimal ist, wenn das Sammelgut trocken ist und ein paar Stunden Sonne genossen hat", erklärt Annelise Moser. Sie spricht mit einer sanften Stimme, eher leise für eine Exkursion im Freien. Trotzdem versteht man jedes Wort. Die Frauen hören interessiert zu. "Wenn wir die Schönheit der Natur mit nach Hause nehmen, ist das auch Kosmetik", fährt die Fachfrau in ihren Erklärungen weiter. Die Kräuter und ihre Heilwirkung seien das Eine. Sich in der Natur aufhalten, offensein für Beobachtungen und Erlebnisse, das Andere.
Normalerweise wandert man die 350 Höhenmeter in etwas mehr als einer Stunde hoch. Die Kräuterfrauengruppe hat drei. Immer wieder stoppt Annelise Moser und erklärt etwas; beispielsweise über das Vergissmeinnicht. Damit mache man am besten eine Tinktur. Ein paar Tropfen davon sollen helfen, dass man mehr bei sich bleiben könne. "Das ist vor allem für Frauen oder Mütter, die zuerst immer für andere da sind", weiss Moser. Es werden fleissig Notizen gemacht. Die Stimmung ist wegen des Nebels, der über den Bergen hängt, mystisch. Hinter bemoosten Steinen oder Baumstrünken, teilweise auch mit Pilzen bewachsen, erwartet man, dass jeden Augenblick ein Sagenwesen auftaucht.
Zur Person
Annelise Moser ist Drogistin, Naturheil- und Traumatherapeutin aus Chandon FR.
"Wenn wir die Schönheit der Natur mit nach Hause nehmen, ist das auch Kosmetik."
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Magie der Gruppe
Zusätzliche Qualität erhält das Kräutersammeln in der Gruppe. "Die Magie der Pflanzen und die Magie durch die Gruppe", erklärt Annelise Moser. Man kann sich zusammen austauschen, Erlebtes teilen und gemeinsam runterkommen. Die Teilnehmerinnen erleben das gleich selber. Die wenigsten kannten sich, doch bereits beim Mittagessen hat man als Aussenstehende das Gefühl, als wären die Frauen seit eh und je miteinander unterwegs. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen während des einfachen Mahls. Es gibt Alpsuppe oder je nach Region auch Chaletsuppe genannt. Zum Dessert darf ein Merengue mit Double Creme, dem typischen Rahm aus dem Kanton Fribourg, nicht fehlen.
Auch bei der Salbenherstellung ist Gemeinschaft gefragt. Alle steuern gesammelte Tannenspitzen bei oder für die Brecca-Salbe ein Gemisch aus Kräutern. Erst nachher werden die selber mitgebrachten Gläser oder Fläschchen, die mit Öl und Alkohol gefüllt sind, befüllt. Die so hergestellten Öle und Tinkturen, können dann zu Hause weiterverarbeitet werden.
Berührung heilt
Durch die Holzwand, die Küche und Stall voneinander trennt, hört man die Rinder kauen und sich drehen. Auf dem Holzherd, der eine wohlige Wärme verströmt, stehen Pfannen mit verschiedenen Pflanzenölen. Nach der Beigabe von Bienenwachs ist es soweit. Die Salben können in die bereitstehenden Tiegel gefüllt werden. "Viele Menschen mögen nichts mehr schlucken. Da hilft oft eine Salbe", so Annelise Moser. Vor allem bei alten Leuten und Kindern sei die Heilung durch die Berührung beim Einreiben sehr gross. "Beim Tablettenschlucken ist man alleine, beim Einreiben einer Salbe braucht es meisten noch Hilfe von jemand anderem."
Urlandschaft Brecca
Die Landschaft Brecca, oberhalb des Schwarzsees FR wurde vor Zehntausenden von Jahren von den Gletschern geformt. Imposante Fels-
wände, Alpweiden bestossen mit Kühen und Rindern, bemooste Urwälder und wunderschöne Bergahorn-Bäume begegnen einem beim Aufstieg zu den verschiedenen Alphütten, die fast allesamt bewirtet sind. Auf den kalkhaltigen Böden spriessen viele Alpenblumen und Pflanzen. Wer Glück hat, begegnet Murmeltieren, Gämsen, Steinböcken oder sogar dem Adler.
Die wilde und zugleich auch etwas verwunschene Gegend der Brecca ist ebenfalls Heimat zahlreicher Sagen. Eine liefert sogar
die Erklärung, weshalb das Wasser des Schwarzees so dunkel ist: Ein Riese soll seine Füsse darin gewaschen haben.
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