Auf der Hegmatte in Schöftland wächst das Wintergetreide dem Frühling entgegen. Auf einem Teil dieser 10 Hektaren grossen Fruchtfolgefläche (FFF) sollen neue Depot- und Werkstatträume der Wynental-Suhrentalbahn (WSB) mit Anschlussgleis entstehen. Auch ein neues Wohngebiet sieht der Gemeinderat hier mittelfristig als Option.
Gleis mitten durchs Land
Gemäss Planungsbericht der Gemeinde Schöftland wurden verschiedene Standorte geprüft und das aktuelle Konzept als beste Lösung betrachtet. «Es ist ein ökologischer Unsinn», findet hingegen Andres Wälty, «mitten auf topfebenem und fruchtbarem Landwirtschaftsland zu bauen, wo es doch mehr als genügend Platz hätte auf dem bereits bebauten Bahn- und Mühleareal».
Wälty ist im Vorstand des Vereins «Pro Landwirtschaftszone Hegmatte». Er steht zusammen mit Hans Lüthy neben dem umstrittenen Feld am Ortsrand von Schöftland und zeigt, wo das Anschlussgleis der Bahn das Land zerschneiden soll. Auch Lüthy hat kein Verständnis für diesen Plan. Er ist einer der Landbesitzer der Hegmatte, rund ein Drittel davon gehört ihm. Er will seine Parzelle nicht für Bauprojekte verkaufen, sondern als Kulturland erhalten. Seine Tochter macht derzeit die Zweitausbildung als Landwirtin.
«Bei Bedarf könnte in Schöftland durch Nutzung von Reserveflächen und innere Verdichtung Wohnraum für über 6000 Bewohner geschaffen werden», sagt Andres Wälty und legt ein Dossier vor, das er und andere Kritiker des Projekts zusammengestellt haben. Der Gemeinderat strebe ein für Schöftland überdimensioniertes Bevölkerungswachstum an, findet er und verweist zudem auf den leer stehenden Wohnraum in der Gemeinde. Auch der WSB-Ausbau sei angrenzend an den heutigen Standort auf dem Mühleareal «absolut machbar».
«Es gibt genug Reserveflächen und Möglichkeit zu innerer Verdichtung.»
Andres Wälty sieht keinen Grund für die Verbauung von Fruchtfolgefläche.
Breiter Widerstand
Die Ansicht von Lüthy und Wälty teilen breite Teile der Schöftler Bevölkerung. Schnell kamen jeweils die Unterschriften zusammen für eine Petition und zwei Gemeindeinitiativen des Vereins «Pro Landwirtschaftszone Hegmatte» gegen die Baupläne auf der grünen Wiese. Auf eine Abstimmung über das Projekt verzichtet der Gemeinderat jedoch mit der Begründung, ein solcher Richtungsentscheid sei nicht reif. Dafür stimmten die Anwesenden an einer stark besuchten Gemeindeversammlung im November 2018 mit Dreiviertel-Mehrheit einem Teilrückweisungsantrag der Bau- und Nutzungsordnung zu. Der Verein forderte dabei, die Hegmatte zu einer Landschaftsschutzzone zu erklären, um eine Verbauung zu verhindern.
Der überarbeitete Planungsbericht ein Jahr später geriet jedoch zu einer bitteren Enttäuschung für die Beschützer der Hegmatte: Diese soll zwar teilweise mit einer Landschaftsschutzzone überlagert werden – vorgesehen bleiben dort jedoch WSB-Gebäude mit Anschlussgleis auf 3,5 Hektaren. Das angestrebte Wohngebiet auf der Hegmatte würde als Zwischenergebnis im Richtplan eingetragen.
«Salamitaktik», kommentiert Andres Wälty: «Die Bahngleise würden die Hegmatte zerschneiden und abwerten, das Land könnte man nicht mehr effizient bewirtschaften. Bei der nächsten Nutzungsplanung wäre es dann kein grosser Schritt mehr, dass dort Wohngebiet entsteht.»
Raumplanung im Aargau
Das Schweizer Stimmvolk steht hinter dem Schutz von Kulturland. Das hat es vor sieben Jahren mit der Zustimmung zum neuen Raumplanungsgesetz gezeigt und mit der Annahme der Ernährungssicherheitsinitiative 2017 bekräftigt.
Hohe Hürden für Einzonung
Entsprechend hat der Aargauer Grosse Rat sein Siedlungsgebiet vor fünf Jahren definiert, Wachstum ist nur noch in den drei städtischen Bezirken möglich. Mit einer Ausnahme: Für Industriezone, Wohnschwerpunkte und öffentliche Bauten besteht ein kantonaler Topf von insgesamt 125 Hektaren. Damit eine Gemeinde aus diesem Topf ein Kontingent bekommt, müssen hohe Hürden überwunden werden und alle anderen Möglichkeiten zur Verdichtung ausgeschöpft sein. Aktuell wollen dies Schöftland mit einem Wohnschwerpunkt oder das benachbarte Hirschthal mit der Erweiterung der Industriezone.
Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau, erklärt: «Die Bevölkerung ist auch angesichts des hohen Leerwohnungsbestandes kritisch und sieht das Potenzial der inneren Verdichtung.» Er gehe deshalb nicht davon aus, dass sämtliche 125 Hektaren aus dem kantonalen Topf bis ins Jahr 2040 gebraucht würden.
Retourkutsche für Bauern
In Schöftland ist der BVA klar gegen eine Überbauung von Kulturland (Kasten links). Aber Ralf Bucher gibt gleichzeitig zu bedenken: «Wir Bauern dürfen vor lauter Kulturlandschutz nicht vergessen, dass auch wir uns entwickeln müssen und darauf angewiesen sind, Fruchtfolgeflächen überbauen zu dürfen. Wenn wir dies allen anderen verwehren, machen wir uns unglaubwürdig und die Retourkutsche wird mit dem Raumplanungsgesetz II kommen und uns in unserer Entwicklung einschränken.»
Keine Sachzwänge schaffen
Das Mitwirkungsverfahren für die Nutzungsplanung der Gemeinde Schöftland ist vor einer Woche abgelaufen. Nun ist Andres Wälty gespannt auf Regierungs- und Grossrat, welche die Richtplanänderung eintragen müssten. «Ich hoffe, dass sie den Widerstand der Bevölkerung gegen das Projekt zur Kenntnis nehmen und es zurückweisen», erklärt er. «Sind die Änderungen erst einmal im Richtplan eingetragen, wären Sachzwänge geschaffen, denen sich die Gemeinde schwer entziehen kann. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht einverstanden wäre», fürchtet er und wirft nochmals einen Blick auf die Hegmatte: «So viel Land vercheibe, ohne dass es nötig wäre.»
Siedlungsentwicklung, Ortsbildschutz und Aufgaben des öffentlichen Verkehrs seien höher zu gewichten als die Schonung von Kulturland, heisst es im Planungsbericht der Gemeinde.
BVA nimmt Stellung
Schon den ersten Planungsbericht der Gemeinde Schöftland hatte der Bauernverband Aargau (BVA) abgelehnt und tut es mit der überarbeiteten Fassung erneut: Es sei eine Zwängerei, schreibt der BVA in seiner Stellungnahme vom 13. Februar. Auf der Hegmatte würde gemäss diesen Plänen eine teure Erschliessung realisiert, unnötig Kulturland verbraucht und die landwirtschaftliche Nutzung sozusagen auf die Insel verbannt. In der Folge müsste der Wohnschwerpunkt zwangsläufig realisiert werden, auch wenn er dannzumal gar nicht mehr nötig wäre. Die Verlegung der Depot- und Werkstattanlagen der Wynental- und Suhrentalbahn an den westlichen Teil der Hegmatte sei künstlich und unnötig, am aktuellen Standort im Dorf sei ein Ausbau möglich und sogar deutlich günstiger.