Eine klimaneutrale Biolandwirtschaft in der Schweiz – an dieser Vision arbeiten Bio Suisse und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Biolandwirtschaft leiste bereits viel für eine umweltschonende Lebensmittelproduktion, betont Bio Suisse, aber angesichts der Klimakrise brauche es noch mehr Anstrengungen. Der Dachverband der Biobäuerinnen und -bauern entwickelt derzeit mit dem FiBL eine gemeinsame Strategie für Klimaschutzmassnahmen im Biolandbau.
Potenzial beim Rindvieh
«Ja – klimaneutrale Biolandwirtschaft in der Schweiz ist möglich.» Zu diesem Schluss kommt Knut Schmidtke, Direktor für Forschung, Extension und Innovation am FiBL, gestützt auf erste Ergebnisse einer Vorstudie. Im Bereich der Rindviehhaltung sieht der Agrarforscher das grösste Optimierungspotenzial.
Emissionsmindernde Massnahmen in der Rindviehhaltung
Futterbau: Die Zusammensetzung der Fütterung und die Umstellung der Vegetation auf klimaschonendere Pflanzen senkt Emissionen. «Hornklee in der Fütterung von Rindern kann die Emission von Methan im Zuge der Verdauung im Mittel um 20 Prozent deutlich senken, während Spitzwegerich im Grünland zu einer markanten Senkung der Lachgasemissionen beitragen kann», sagt Knut Schmidtke vom FiBL. Beide Pflanzenarten könnten sowohl im Grünland als auch in Kunstwiesen verstärkt eingesät werden, um klimaschonender zu wirtschaften.
Tierbestände und -rassen: Sie sollen der regionalen Grünland-Futterbasis angepasst werden. Dadurch sinkt der Einsatz von Import- und Kraftfutter. Und das reduziert den Stickstoffüberschuss in der Schweizer Landwirtschaft, eines ihrer grossen Nachhaltigkeitsprobleme. Für biotaugliches Rindvieh stehen ab diesem Jahr einige speziell selektionierte KB-Milchviehstiere zur Verfügung.
Nutzungsdauer von Milchvieh: «Durch die Erhöhung der mittleren Anzahl Laktationen von bisher häufig drei bis vier auf sechs bis acht liesse sich bei Milchkühen insgesamt eine Senkung der Emission an Methan erzielen», sagt Knut Schmidtke. Dies würde voraussichtlich auch die mittlere Lebensmilchleistung des Milchkuhbestandes erhöhen. «Es wäre zudem hilfreich, auf der Basis des Einsatzes von hochwertigem Grundfutter aus derNutzung des Grünlandes und Kunstwiesen auch im Biolandbau die mittlere Milchleistung je Milchkuh und Jahr soweit möglich weiter zu erhöhen. Dieses würde zugleich auch eine Senkung der emittierten Methanmengen pro Kilogramm erzeugter Milch bewirken können», erklärt der Agrarforscher.
Die Nutztierhaltung ist für einen grossen Teil der Treibhausgasemissionen der Schweizer Landwirtschaft verantwortlich, dennoch habe sie ihre Berechtigung, betont Knut Schmidtke. Davon ist auch Raphael Peterhans überzeugt, er ist Co-Betriebsleiter von Agrino, einer Betriebsgemeinschaft von drei Biobauernfamilien im aargauischen Remetschwil. Dort wurde Ende September über die Vorstudie informiert.
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Landwirt Peterhans stellte am Medienanlass klar: Auf seinem Betrieb sei es sinnvoll, Grünland und eine Fruchtfolge mit Ackerkulturen einzuplanen und beides mit Tieren zu nutzen. «Für mich ist die Frage nicht, ob wir überhaupt Tiere halten sollen, sondern wie viele, wie wir sie füttern und wie wir Stickstoffverluste verringern.»
Die Betriebsgemeinschaft Agrino betreibt auch eine Biogas- und Photovoltaikanlage. Das sind zwei weitere Ansatzpunkte, die der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen sollen.
Kompensation ist auch nötig
Allerdings ist eine zu hundert Prozent klimaneutrale Bewirtschaftung gemäss Studie nur dann möglich, wenn unvermeidbare Emissionen an Methan und Lachgas parallel durch eine verstärkte CO2-Bindung in der Landwirtschaft kompensiert werden. Hier werden die Leistungen der Düngung von Pflanzenkohle oder die Neuanlage von Agroforstsystemen aufgeführt.
Das Ziel der klimaneutralen Schweizer Biolandwirtschaft soll zudem über die gesamte Branche erreicht werden, nicht auf Stufe der Einzelbetriebe mit ihren sehr unterschiedlichen betrieblichen Gegebenheiten.
Gesellschaft muss Beitrag leisten
Thema der Vorstudie ist schliesslich auch die Rolle der Gesellschaft und ihr Beitrag, etwa in Form von Verhaltensveränderungen oder Konsumsteuerungsinstrumenten. Denn eine klimaneutrale Landwirtschaft ist nicht gratis zu haben. Sie bedeutet für die Bauernfamilien oftmals Investitionen, Mehraufwand oder Minderertrag. Nichts zu tun, sei aber mittelfristig eine viel teurere Variante, waren sich die Fachleute in Remetschwil im Hinblick auf den Klimawandel einig.
Schweiz wäre im Vorsprung
Die Schweiz könnte eine Vorreiterrolle übernehmen: «Wir sind im Biolandbau die ersten in der EU, die sich konsequent mit diesem Thema auseinandersetzen», sagte Knut Schmidtke. Bis Ende Jahr soll die Vorstudie abgeschlossen sein; danach wollen Bio Suisse und FiBL gemeinsam mit der Praxis Ziele definieren und Massnahmen entwickeln.