«Bisher standen bei uns für die Süsskartoffel-Ernte rund 30 Personen pro Tag im Einsatz», erzählt Christoph Hagenbuch aus dem aargauischen Oberlunkhofen. Gemeinsam mit seinem Cousin Sebastian baut er seit fünf Jahren Schweizer Süsskartoffeln an. Dieses Jahr gelang Hagenbuchs mit der Inbetriebnahme einer Süsskartoffel-Erntemaschine eine wichtige Verbesserung.

 

Betriebsspiegel

Name Hans und Christoph Hagenbuch

Ort Oberlunkhofen AG

LN 60 ha

Bewirtschaftung ÖLN

Viehbestand 35 Mutterkühe und Nachzucht

Kulturen Kartoffeln, Getreide (Weizen, Dinkel. Brau- gerste), Körnermais, Süsskartoffeln, Kürbisse, Karotten, Spezialwurzelgemüse (Topinambur, Schwarzwurzeln, Pastinaken, Peterliwurzeln, Räbeliechtli und Steckrüben)

Traktoren Landini, Fendt 312, Fendt 516, David Brown, Stapler

Maschinen Heuerntemechanisierung, Kartoffelmechanisierung (Separator, Dammformer, SetzautomatAVR 2-reihig, All-in-one; Kartoffelvollernter AVR Spirit 6200, 2-reihig), Striegel, Dammfräse, Krautschläger, Bewässerungsmechanisierung, Süsskartoffelvollernter

 

Körperlich am Anschlag

Nebst den Herausforderungen im Anbau war die Organisation der Ernte sehr anspruchsvoll, sagt Christoph Hagenbuch. Einerseits musste man für dieses kurze Zeitfenster sehr viele Leute aufbieten. Andererseits war es unmöglich, eine ganze Woche am Stück zu ernten.

«Das Auflesen der Süsskartoffeln war körperlich schlicht und einfach zu anstrengend. Nach zwei Tagen waren alle Helferinnen und Helfer körperlich am Anschlag», so Hagenbuch. Weil die Fläche laufend ausgedehnt wurde, standen die Süsskartoffel-Produzenten unter Zugzwang. «Unser Ziel war es, innerhalb einer kürzeren Zeitspanne mehr Süsskartoffeln ernten zu können.»

Zu diesem Zweck suchten Hagenbuchs nach einer Möglichkeit, die Ernte besser mechanisieren zu können. Bis dahin kamen nur ein Schüttelgraber und Manpower zum Einsatz.

Reekie-Überladeroder umgebaut

Hans Hagenbuch, der Vater von Christoph, ist Miteigentümer der Firma Netagco. Diese verkauft unter anderem Kartoffel-Erntemaschinen. Daher befand sich auf dem Betrieb noch ein alter Überlader des Herstellers Reekie.

Die Idee war, diese Maschine so umzubauen, damit sich die sehr empfindlichen und nicht schalenfesten Süsskartoffeln äusserst schonend ernten lassen. Das klingt einfach, die Umsetzung war jedoch anspruchsvoll.

Geblieben ist die Aufnahme mit den zwei Siebketten, deren Geschwindigkeit und die zugehörigen Rüttler sich manuell regulieren lassen. «Das ist wichtig, weil der Boden nicht überall gleich ist und man immer einen Kompromiss zwischen nicht zu viel Erde auf dem Band und keine Schäden an den Süsskartoffeln finden muss», erklärt Hagenbuch.

Plattform mit Paloxen-Kippgerät aufgebaut

Weiter hinten gelangen die Süsskartoffeln mitsamt der Erde auf ein Verleseband.

Anders als bei der Kartoffelernte entfernt das Personal aber nicht Kluten und Steine, sondern nimmt sorgfältig alle Süsskartoffeln und legt diese auf das Produkteband. Erde und Steine fallen hinten wieder auf das Feld, während das Produkteband die Knollen weiter nach hinten transportiert.

Dort ist am Vollernter eine Plattform mit einem Paloxen-Kippgerät aufgebaut. Die Paloxe kann immer so gekippt werden, dass keine Fallstufen entstehen und die Knollen unbeschädigt in der Kiste landen. Ist die Paloxe voll, wird diese mit einem Hoflader abgeladen. Daneben hat es auf der Plattform Platz für eine weitere Grosspaloxe, die schon bereitsteht. Diese kann von Hand unter das Produkteband gezogen werden.

Zusammen gehts besser

Während des Wechsels der Paloxen ist nur ein sehr kurzer Stopp von rund 20 Sekunden nötig, damit die Paloxe sicher gewechselt werden kann. Der Vollernter verfügt zudem über eine Triebachse, weshalb für die Ernte kein allzu grosser Traktor nötig ist.

Um dieses Projekt stemmen zu können, war es wichtig, zusammenzuarbeiten. «Die Süsskartoffeln sind eine sehr arbeits- und kapitalintensive Kultur. Alleine wäre dieses Projekt nicht zu stemmen gewesen», sind sich Hagenbuchs einig.

Die Basis für den Erfolg sei die Zusammenarbeit ihrer beiden Landwirtschaftsbetriebe und das Zurückgreifen auf das Know-how der Firma Netagco, welche ihre Expertise auch im Bereich der Lagerung und beim Waschen der Süsskartoffeln einbringen konnte.

Kartoffelqualität verbessert

«Ursprünglich dachten wir, dass wir mit der Mechanisierung vor allem die Schlagkraft erhöhen, im Gegenzug die Knollen aber den einen oder anderen Schaden mehr davontragen als bei der Ernte von Hand», sagt Christoph Hagenbuch. Die Realität sieht aber anders aus.

«Der grösste Vorteil des Vollernters ist nebst der Arbeitsorganisation die bessere Qualität der Knollen. Wir haben weniger Schäden, als wenn das Personal die Taschen in die Paloxen kippt. Zudem haben wir kaum Verluste auf dem Feld.»

Mitarbeiter sind begeistert von der Innovation

Ein weiterer Vorteil sei es, dass mit dem Vollernter jeden Tag gearbeitet werden kann, ohne dass Ermüdungserscheinungen beim Personal auftreten. «Insbesondere die Mitarbeitenden, die bereits bei der Handernte mit von der Partie waren, sind begeistert von der Maschine», sagt Hagenbuch.

Weil jeden Tag gearbeitet werden kann, ist es besser möglich, den idealen Zeitpunkt für die Ernte zu erwischen. «Das ist wichtig, weil wir so die Knollen im idealen Stadium ernten und auch hier die Qualität steigern können», sagt Hagenbuch. Zu grosse oder zu kleine Knollen lassen sich nur schwer vermarkten.

Investition war gross

Trägt der Vollernter auch zu Kosteneinsparungen bei? «Höchstens indirekt», sagt Christoph Hagenbuch. Denn: «Die Investition für die Maschine ist mit rund 100 000 Franken ziemlich gross. Die Flächenleistung liegt bei rund 60 Aren pro Tag. Und auch bei der Ernte mit der neuen Maschine braucht es mit zehn Personen einiges an Personal.» Der grösste Vorteil liege in der Steigerung der Qualität und den massiv besseren Arbeitsbedingungen für das Personal.

Die Süsskartoffel-Ernte 2020 ist längst abgeschlossen. Die Maschine befindet sich mittlerweile bei der Firma Netagco in der Revision. «Es gibt einiges, was man noch verbessern kann. Daran arbeiten wir bis zur nächsten Ernte», sagt Hagenbuch. So wird der Vollernter mit einer guten Beleuchtung ausgestattet. So sollten noch mehr Süsskartoffeln in noch kürzerer Zeit geerntet werden können.

 

Von der Bachelorarbeit zum Migroslieferanten

Zum ersten Mal mit Süsskartoffeln in Kontakt kam Sebastian Hagenbuch in seiner Landwirtschaftlichen Lehre bei Familie Hodel in Vechigen BE. Dort konnte man im Herbst einige wenige Knollen, die zwecks eines Experimentes gesetzt worden waren, ernten. Die Knollen waren weder besonders gross noch schön, und dennoch verkauften sie sich am Wochenmarkt in Bern wie warme Weggli.  

Später, an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebens­mittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen BE, ergab sich für Hagenbuch die Möglichkeit, seine Diplomarbeit zum Thema Süsskartoffelanbau in der Schweiz zu schreiben. Dort konnte der angehende Agronom Erfahrungen sammeln und feststellen, dass der Anbau auf dem elterlichen Betrieb grundsätzlich funktioniert. Die Fläche belief sich auf zehn Aren, der gesamte Ertrag wurde direktvermarktet.

«Das Curing (Nacherntebehandlung) haben wir in einem Kühlanhänger mit Elektro-Heizung durchgeführt», erinnert sich Hagenbuch. Später produzierten Hagenbuchs für das Label Batati, und ihre Süsskartoffeln wurden an die Migros verkauft.

Seit 2019 produzieren und vermarkten Hagenbuchs ihre Süsskartoffeln selbstständig und beliefern die Migros direkt. Auch die Nacherntebehandlung und das Waschen erfolgen mittlerweile professionell auf ihrem eigenen Betrieb. Im Jahr 2020 konnten sie einen von der Firma Netagco umgebauten Überlade-Kartoffelroder für die Süsskartoffel-Ernte in Betrieb nehmen und damit fünf Hektaren Süsskartoffeln ernten.