Der bald 71-jährige Josef Gwerder – oder «ds Antönels Sebel», wie man ihn im Tal nennt – sammelt schon seit 50 Jahren Treicheln, «Trychlä» im örtlichen Dialekt. Seine Sammlung umfasst über 200 Stück. Der dreifache Familienvater arbeitete 26 Winter im Eidgenössichen Zeughaus in Seewen SZ und ging im Sommer z Alp. Nach der Aufhebung des Zeughauses war er im Winter als Dachdecker tätig. Seit gut fünf Jahren ist er pensioniert. Doch z Alp geht er nach wie vor mit viel Herzblut.
Blitzschlag im Melkkessel
Heuer verbringt Josef Gwerder schon den 67. Sommer auf der Alp Schwellaui auf 1363 Meter über Meer. Die Alp liegt an der Kantonsgrenze von Schwyz und Glarus. Hier werden 70 Stück Vieh gealpt, davon 20 Kühe. Die Alpmilch wird in der Alpkäserei Pragel-Bödmeren verkäst. Unzählige schöne Stunden hat «Sebel» schon auf der Schwellaui verbracht. Gwerder erinnert sich aber auch an schwierige Zeiten, so zum Beispiel an ein starkes Unwetter, bei dem drei Kälber fortgeschwemmt wurden und zu Tode kamen. Unvergesslich bleibt ihm auch jener Schreckensmoment, als ihm beim Melken ein Blitz den Melkkessel aus den Beinen schlug.
«Das Trychälä des Alpviehs ist schönste Musik.»
Josef Gwerder, Älpler aus Muotathal.
Das «Fahr-Glüüt» auf CD
In Muotathal gibt es nebst Josef Gwerder fünf weitere leidenschaftliche Trychlä-Sammler. Sie alle haben zuhause einen sogenannten «Trychlä-Ruum», in dem sie ihre Sammlerstücke aufbewahren, schön aufgereiht nach Hersteller, Grösse und Klang. Josef Gwerder ist der Einzige unter den Sammler-Kollegen, der z Alp geht und die Trychlä dem Vieh anlegen kann. «Das friedliche Trychälä des Alpviehs ist schönste Musik in meinen Ohren», sagt der urchige Muotathaler.
Allerdings trägt das Vieh beim Weiden nicht die teuersten Trychlä, da die Gefahr des Diebstahls zu gross ist. Doch beim Auf- und Abfahren erklingen auch besonders wertvolle Sammlerstücke wie die Tessiner, Airoler, Römer, Österreicher und andere. Josef Gwerder oder eben ds Antönels Sebel ist denn auch weit übers Muotatal hinaus bekannt für sein besonders schön und harmonisch klingendes «Fahr-Glüüt». Dieses ist sogar auf einer CD verewigt. Diese heisst «Fahr-Glüüt», sie wurde 1999 vom Luzerner Musiker und CD-Produzenten Cyrill Schläpfer herausgegeben und ist auch in Amerika bekannt.
Im Ausland fehlten Treicheln
Wie viel Josef Gwerder seine Trychlä bedeuten, zeigt folgende Episode: «Im Jahr 2014 besuchten wir unsere Tochter Manuela in Neuseeland. In dieser Zeit sahen wir Zehntausende Stück Vieh und Millionen von Schafen. Aber kein einziges Tier trug ein Trychäli», erinnert sich Josef Gwerder. «Das fand ich echt schade, und ich schätze es seither noch mehr, wenn es bei uns auf den Höfen und Alpen schön trychälät.»
20 Kilometer Fussmarsch
Zirka am 10. Juni ist es wieder soweit: Josef Gwerder und dessen Tochter Yvonne fahren mit 40 Stück Vieh vom Dorf Muotathal auf die Schwellaui z Alp. Auf dem rund 20 Kilometer langen Fussmarsch über den Pragelpass werden sie von einigen Helferinnen und Helfern unterstützt. Josef freut sich, dass die älteste Tochter Yvonne dereinst die Alp weiterführen wird. Wie der Vater, kennt sie viele Trychlä anhand ihres Aussehens und des Klangs auf den ersten Blick.