«Nicht alle sind so skeptisch, wie der SBV», sagt Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). In einem Telefongespräch mit der BauernZeitung verteidigte er dieser Tage die Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+). Diese ist unter scharfe Kritik des Schweizer Bauernverbands (SBV) geraten, die Rede ist nun sogar von einem Referendum, sollte sie in dieser Form durchs Parlament gehen, so SBV-Präsident Markus Ritter.

Moderate Kreise begrüssen die Botschaft

Im Detail will Christian Hofer auf die Kritik und die geforderte Rückweisung durch das Parlament nicht eingehen, es sei jetzt Sache der Politik zu bestimmen, wie es mit der Botschaft weitergehe. Er weist aber darauf hin, dass in Umweltkreisen viele Stimmen eine noch schärfere Ökologisierung forderten. Aufgefallen sei ihm auch, dass die moderaten Kreise rund um die Agrarallianz die Stossrichtung der Botschaft durchaus begrüssten.

«Es gibt einen roten Faden»

Er sehe anders als diverse Kritiker durchaus einen roten Faden in der Botschaft: «Die Vorlage hat ja eine gewisse Geschichte», so Hofer. Er sieht sie auch als Alternative des Bundesrats zu den Pflanzenschutz-Initiativen. Trinkwasser und Pflanzenschutzmittel (PSM) seien Themen, welche die Gesellschaft stark beschäftigten, bis tief in die Landwirtschaft. Einerseits solle mit der AP 22+ der ökologische Fussabdruck verkleinert und andererseits die Wertschöpfung erhöht werden. «Es geht letztlich darum, den Gesellschaftsvertrag so weiterzuentwickeln, dass das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft so gut bleibt wie bisher», sagt Hofer.

«Nicht nur eine Zeile lesen»

Viel Kritik muss der Bundesrat für den gemäss Agroscope-Modellrechnungen resultierenden Rückgang des Brutto-Selbstversorgungsgrads von 57 auf 52% in Kauf nehmen. Christian Hofer hat in der momentanen Situation gewisses Verständnis für diese Kritik. Man dürfe in der Botschaft aber nicht nur diese eine Zeile lesen. In Normalzeiten sei es nicht sinnvoll, das maximale Kalorienpotenzial auszuschöpfen, weil damit auch weniger Wertschöpfung generiert würde.

Versorgung hat auch mit Kulturland, Infrastruktur und Wissen zu tun

«Versorgungssicherheit, und das zeigt ja auch die aktuelle Krise, ist eine breit abgestützte Thematik», so Hofer. Man dürfe nicht Produktion gegen Ökologie ausspielen. Die Versorgungssicherheit basiere nicht nur auf der Kalorienproduktion, sondern auch auf der Erhaltung von Kulturland, Infrastruktur und Wissen, das seien Elemente, die mit AP 22+ gestärkt werden. «Vollgas produzieren ohne ökologische Vorschriften reduziert längerfristig die Versorgungssicherheit, weil die Tragfähigkeit der Produktionsfaktoren so nicht mehr gewährleistet ist», sagt er mit Blick auf die geplanten Massnahmen z. B. gegen Bodenverdichtung und für hohen Raufuttereinsatz.

Nach Vorschriften gibt es auch Anreize

Wichtig ist ihm zu betonen, dass man mit der AP 22+ nicht nur Vorschriften macht: «In der ersten Stufe werden die Anforderungen via ÖLN verschärft und in der zweiten Stufe schafft man finanzielle Anreize mit den Produktionssystembeiträgen, bei deren Ausgestaltung der SBV übrigens stark mitgearbeitet hat», sagt Hofer. Darauf könne eine glaubhafte Schweizer Mehrwertstrategie aufbauen. Mit der dritten Stufe schliesslich wolle man die Branchenverantwortung stärken, wie das bei der Erreichung der Absenkpfade vorgesehen ist.

«Absenkpfade fordern viel»

Dass die geplanten Absenkpfade für Nährstoffe und PSM den Produzenten viel abfordern, steht für ihn ausser Zweifel. Im Vordergrund stehe aber nie einfach eine Extensivierung oder ein Abbau der Tierbestände. «Das Ziel wäre es, mit Züchtung oder technischem Fortschritt die Überschüsse zu reduzieren», so Hofer. Wenn man das nicht hinbringe, könne die Reduktion zum Thema werden, «so dass in gewissen Gebieten mit sehr hohen Tierzahlen die Intensität normalisiert wird». Das könne man teilweise aber auch mit Hofdüngerverträgen oder anderen Massnahmen erreichen.

«Digitalisierung ist entscheidet»

Die Umwelt schützen und Mehrwert schaffen könne nicht der Bundesrat selber, das müssten die Marktakteure tun. Dafür bietet man mit der AP 22+ eine gute Basis, so Christian Hofer. Er appelliert an die Selbstverantwortung der Akteure, aus dem angebotenen Set von Massnahmen das Richtige auszuwählen und dann darauf aufzubauen. Dabei dürfe man auch feststellen, dass das Direktzahlungssystem recht stabil sei. «Man macht noch einmal einen Schritt in die gleiche Richtung wie mit der AP 14–17», so Hofer. Ob der befürchtete administrative Mehraufwand verhindert werden können, hänge stark davon ab, «inwieweit wir die Digitalisierung einsetzen können, um zu vereinfachen».