Bereits im Juni dieses Jahres wurde Martin Haab als Nachfolger von Hans Frei zum Präsident des Zürcher Bauernverband gewählt. An der traditionellen Martini-Medienorientierung vom 11. November fand ganz nebenbei der offizielle Stabwechsel auf kantonaler Ebene statt. Wann und durch wen Hans Frei als Vizepräsident des Schweizer Bauernverbands abgelöst werden wird, ist wegen Covid-19 noch offen. Im Zentrum der Medienorientierung stand aber die Entwicklung der Biodiversität in der Landwirtschaft. Der abtretende Präsident Hans Frei beleuchtete in seinem Referat unter dem Titel «Bis jetzt» die Entwicklung der Biodiversität in den letzten Jahrzehnten. Unter dem Titel «Ab jetzt» formulierte der neue Präsident Martin Haab die Erwartungen des ZBV an eine zukünftige Biodiversitätspolitik. ZBV-Geschäftsführer Ferdi Hodel schliesslich analysierte in seinen Ausführungen den Istzustand (siehe Kasten)
Alle tragen eine Verantwortung
Wenn es um die Erhaltung der Biodiversität geht, tragen alle eine Mitverantwortung. Das sagte ZBV-Geschäftsführer Ferdi Hodel an der Martini-Konferenz. Er wies darauf hin, dass der heute den Landwirten vorgeworfene Verlust an Biodiversität bereits im 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm – und von der Gesellschaft so gewollt war. Etwa mit der Trockenlegung von Moorflächen. Aber auch das enorme Bevölkerungswachstum seit 1900, die wachsende Siedlungsfläche und der steigende Energieverbrauch seien alles Faktoren, welche zu einem immensen Verlust an Biodiversität geführt hätten. Hodel wies darauf hin, dass nicht nur die Landwirtschaft eine Verantwortung für die Belastung der Umwelt trägt. Für Einträge von Plastik und Mikroplastik, für Nanomüll aber auch für Einträge von Medikamenten (und auch von Pestiziden) würden Industrie, Gewerbe und auch Privathaushalte eine Verantwortung tragen.
Mit Zielvorgaben arbeiten
Eine Forderung zog sich wie ein roter Faden durch die drei Referate: Die Biodiversität soll nicht über vom Bund vorgeschriebene Massnahmen gefördert werden, welche von den Landwirten dann umgesetzt werden müssen. Stattdessen müsse die Politik dem jeweiligen Standort angepasste Zielvorgaben formulieren. Massgebend für die Ausrichtung der Direktzahlungen soll sein, ob diese Ziele erfüllt sind. Im Weg, wie diese Ziele erreicht werden, sollen die Landwirte frei sein. Die drei Referenten sprachen sich auch dafür aus, dass es nicht darum gehe, die Biodiversitätsförderflächen zu vergrössern. Ziel müsse es sein, deren Qualität zu erhöhen.
Rege Beteiligung
«Schon während meiner Ausbildung in den 70er-Jahren habe ich mich für die Bodenkunde begeistert», sagte Hans Frei. Ihn habe stets interessiert, welche Möglichkeiten etwa in einem schweren, einem leichten oder einem schwarzen Boden steckten. Ein angemessener Umgang mit Böden gehöre zur guten Landwirtschaftlichen Praxis. Wie Frei weiter darlegte, wurde mit der Agrarreform und der Einführung der Direktzahlungen in den 90er-Jahren dann die Abgeltung für besondere ökologische Bewirtschaftungsmethoden eingeführt.
Diese Zahlungen sind in den letzten 30 Jahren systematische weiterentwickelt worden. Und auch die Landwirte haben sich, wie Frei darlegte, rege an diesen Programmen beteiligt:
- Die Biodiversitätsförderflächen haben sich schweizweit von 1993 bis 2018 mehr als verdoppelt: von 70 500 auf 166 642 Hektaren.
- Mit 10 950 Hektaren entspricht der Anteil der Biodiversitätsförderflächen im Kanton Zürich 15 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
- 77 Prozent der Biodiversitäts förderflächen im Kanton Zürich sind Bestandteil eines Vernetzungsprojekts.
- 73 Prozent der Betriebe im Kanton Zürich beteiligen sich an einem Landschaftsqualitätsprojekt.
Hans Frei wies daraufhin, dass etwa über Pufferstreifen entlang von Gewässern und Gehölzen aber auch über die Festlegung der Gewässerräume und Revitalisierungen der Landwirtschaft erhebliche Produktionsflächen entzogen werden. Der abtretende Präsident des Zürcher Bauernverbands ist deshalb gegen eine Ausweitung der Biodiversitätsförderflächen. Ziel müsse es vielmehr sein, auf möglichst vielen der bestehenden Flächen die Qualitätsstufe 2 zu erreichen.
«Weg ist nicht zielführend»
«Der eingeschlagene Weg ist nicht zielführend.» Dieser Meinung ist auch der neue ZBV-Präsident. Martin Haab sieht im Konzept einer standortangepassten Landwirtschaftspolitik eine eigentliche Win-win-Situation für die Produktion wie auch für die Biodiversität. Bei einem standortangepassten Ansatz könne man etwa berücksichtigen, dass es bei verschiedenen Böden unterschiedlich schwierig ist, Biodiversitätsziele zu erreichen. Dabei seien die regionalen Interessen zu berücksichtigen. Diese seien etwa im Berggebiet anders als im Talgebiet, mit einem teilweise intensiveren Acker- und Gemüsebau.
Landwirte früh ins Boot nehmen
Martin Haab plädierte dafür, bei der Umsetzung von Biodiversitätszielen die Landwirte von Anfang ins Boot zu nehmen und kritisierte: «Wir Bauern setzen in Sachen Biodiversität ständig Massnahmen um, die uns vorgegeben werden – und stehen trotzdem dauernd in der Kritik.» Dabei werde von der Verwaltung nicht berücksichtigt, dass Landwirte ihre Böden kennen und wissen würden, was auf diesen möglich ist und was nicht. Deshalb lehnt Martin Haab eine massnahmenorientierte Bewirtschaftung von Biodiversitätsförderflächen ab und plädiert stattdessen für ein zielorientiertes Vorgehen: Es gelte gemeinsam mit den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern die erreichbaren Ziele einer Biodiversitätsförderfläche zu formulieren. Die Bewirtschafter seien aber frei in der Wahl des Weges, wie diese Ziele zu erreichen seien.
Als Beispiel für ein solches Vorgehen nannte Haab das im Kanton Zürich kürzlich lancierte Ressourcenprojekt «Zielorientierte Biodiversitätsförderung». Dieses soll den einzelnen Betrieben bei der Umsetzung von Massnahmen zur Förderung der Biodiversität mehr einzelbetriebliche Freiheiten gewähren. Das Interesse ist gross. Für die Informationsveranstaltung meldeten sich 122 Personen an.