Mit fast schon einfachen Mitteln soll es möglich sein, auf das Spritzen von Pflanzenschutzmittel gänzlich zu verzichten. Das zumindest verspricht ein Start-Up-Unternehmen aus Kanada am jährlichen Treffen der Bioindustrie ABIM in Basel (siehe Kasten). Die Firma Bee Vectoring Technologies (BVT) hat eine Methode entwickelt, mit der Bestäuber zur Bekämpfung von Botrytis eingesetzt werden können. Die Idee ist dabei so einfach wie grandios: Statt chemischer Pflanzenschutzmittel wird ein natürliches Fungizid gegen den Fäulnispilz eingesetzt. Verteilt wird das Pulver durch Hummeln oder Bienen, die es bei ihren Bestäubungsflügen auf den Blüten hinterlassen.
Eine Zulassung für die Schweiz könnte es bis Ende Jahr geben
In den USA hat das Start-up Unternehmen erst kürzlich seine Zulassung für das Produkt «Bee Vectoring» erhalten. In der Schweiz wurde bereits ein Gesuch von der Firma eingereicht. Christoph Lehnen von BVT hofft auf eine Zulassung noch vor Ende Jahr: «Wir sind uns zu
99 Prozent sicher, dass Bee Vectoring in der Schweiz bewilligt wird. Denn wir arbeiten hier mit einem in der Schweiz natürlich vorkommenden Pilz.» Schädlich für Bienen, Mensch und Umwelt sei dieser nicht, versichert er. Potenzielle Vertriebspartner wären Andermatt Biocontrol oder Koppert.
Bienen bringen einen gutartigen Pilz aus
Doch wie funktioniert überhaupt Bee Vectoring? «Im Bienenstock laufen die Honigbienen oder Hummeln durch einen Behälter. In diesem befindet sich ein Pulver mit dem gutartigen Pilz CR-7, der gegen Botrytis wirkt. Die Bestäuber nehmen diesen mit ihren Hinterbeinen auf und fliegen zurück ins Feld, wo sie ihrer normalen Bestäubungsaktivität nachgehen. Während sie von Blüte zu Blüte fliegen, kommt der gutartige Pilz mit diesen in Kontakt. Hier fängt der Pflanzenschutz an. Der Pilz aktiviert die Abwehrmechanismen der Pflanze und bekämpft gleichzeitig den Fäulnispilz», erklärt Christoph Lehnen.
Lehnen gibt aber zu, dass es bei vielseitigen Landschaften vorkommen kann, dass einzelne Blüten unbehandelt bleiben: «Doch Hummeln beispielsweise markieren die Blüten, die sie schon bestäubt haben. Die nächste weiss also, dass sie eine andere Blüte anfliegen muss. So kann man davon ausgehen, dass der grösste Teil behandelt wurde», verteidigt er.
Diese Methode bringt mehr Erträge
Und was kommt dabei am Ende heraus? «Die Landwirtschaft steht heutzutage sehr unter Druck. Es wird verlangt, weniger Chemikalien einzusetzen, aber auch mehr Ertrag und Qualität zu liefern. Mit unserer Technologie ist das möglich», erzählt Christoph Lehnen. «Das aufwendige und wasserintensive Spritzen der Felder wird überflüssig, es gelangen keine Schadstoffe in das Grundwasser und es bleiben keine Rückstände an den geernteten Früchten oder Pflanzen zurück. Weil wir weniger Chemikalien, Wasser und Maschinen benötigen, erzielen wir eine qualitativ höherwertige Ernte und der Ertrag kann deutlich gesteigert werden», setzt er fort.
Dass das nicht nur leere Versprechnungen sind, beweisen die bisher durchgeführten Studien. «Wir konnten beispielsweise in einem Versuch in der Schweiz eine 100-prozentige Wirkung in den Tomaten feststellen», versichert Lehnen. Die Erträge sowie die Lagerfähigkeit wären zudem besser als bei den konventionellen Behandlungen ausgefallen. «In den USA konnte ein Erdbeerhersteller so einen um 3400 Dollar höheren Gewinn pro Acre erzielen», setzt er fort – das sind etwa 8500 Franken pro Hektare (Ergänzung der Redaktion). Das komme neben dem Mehrertrag und der Spritzmitteleinsparung zusätzlich noch durch die Wasser- (2500 bis 500 l/ha) und Dieseleinsparung (10 bi 20 l/ha) zustande.
Auch für IP-Betriebe anwendbar
Doch Bee Vectoring könne nicht nur auf Biobetrieben eingesetzt werden. «Auch IP-Betriebe profitieren von unserer Methode. Die Bienen können als Basisschutz gegen Botrytis eingesetzt werden. Ist der Druck zu hoch, ist es möglich, noch andere konventionelle Produkte zu spritzen», erzählt Christoph Lehnen. Dafür würden die Bienenstöcke für 24 Stunden geschlossen werden. Danach sei die Bestäubungsarbeit der Bienen wieder ohne Probleme weiter möglich.
Je nach Kultur können Honigbienen (2500 Stück/Box) oder Hummeln (300 Stück/Box) bestellt werden. Hummeln werden für gewöhnlich in Gewächshauskulturen oder im Steinobst eingesetzt. Sie mögen kühlere Bedingungen und fliegen auch bei Regen aus. Honigbienen werden in Feldkulturen verwendet, da sie mehrere Blüten in kurzer Zeit behandeln können. Während der Saison werden zwei bis drei Boxen mit Bestäubern geliefert. Für eine gleichbleibende Wirkung muss der Pilz-Behälter zwei Mal pro Woche ausgewechselt werden. BVT bietet einen Rundum-Service an, der in etwa gleich viel kostet wie eine jährliche, konventionelle Botrytisbehandlung.
ABIM – die Messe für den biologischen Pflanzenschutz
Am 21.-23. Oktober 2019 fand in Basel zum 14. Mal das Annual Biocontrol Industry Meeting (ABIM) mit über 1200 Teilnehmenden statt. ABIM ist die weltweit wichtigste Industriemesse für den biologischen Pflanzenschutz.
Biologische Pflanzenschutzfirmen aus der ganzen Welt trafen sich zum 14. Mal am Annual Biocontrol Industry Meeting (ABIM) (www.abim.ch) im Congress Center Basel. Die Biocontrol Industry hat sich innert 20 Jahren von einem Nischenplayer zu einem Trendsetter entwickelt, denn heute werden für eine nachhaltigere Landwirtschaft dringend neue, umweltschonende Pflanzenschutzmethoden benötigt. Die Wachstumsraten in der Biocontrol Industrie sind um ein Mehrfaches höher als im konventionellen Pflanzenschutz. Am ABIM treffen sich deshalb sowohl die grossen Agro-Konzerne als auch Hunderte von KMUs. Den über 1200 Teilnehmenden wurden die neuesten, praxistauglichen Biocontrol-Produkte vorgestellt. In Workshops wurden aktuelle Trends diskutiert. ABIM ist die Plattform für den Austausch zwischen Industrie, Behörden aus EU und OECD sowie mit Forschung und Beratung. pd