Wohl in keinem anderen Kanton sind Kulturland und Fruchtfolgeflächen so unter Druck wie im Kanton Zürich. Immer mehr gehen Bauernfamilien deswegen auf die Barrikaden – zumal vielerorts die Erfahrungen mit den Kantonsbehörden nicht unbedingt positiv sind.
Runder Tisch brachte nichts
«Ja, es gab Gespräche am runden Tisch und Workshops mit uns Bauern. Gebracht hat es nichts», sagt Paul von Euw aus Oberglatt, und sein Nachbar Adrian Zysset doppelt nach: «Kein einziger unserer Vorschläge wurde aufgenommen.» Es geht um den Ausbau und zwei Pistenverlängerungen des Flughafens Zürich. Als Folge davon finden Eingriffe in rund 26 ha Ackerland statt. Dafür hätte von Euw noch Verständnis.
«Das ist von volkswirtschaftlichem Nutzen, und auch ich betrachte mich als Teil der Volkswirtschaft.»
Paul von Euw zum Konkurrenzdruck auf Kulturland
Was ihm massiv querkommt, sind die ökologischen Kompensationsmassnahmen ausserhalb des Flughafenperimeters durch die Pläne des Kantons bezüglich der Glattrevitalisierung.
Zwei Drittel der LN ist bedroht
Insgesamt sind 8,5 ha zwei Parzellen seines Geflügelbetriebs bedroht. «Ich verliere dadurch zwei Drittel meines Eigenlandes», sagt Paul von Euw. Der 13 ha grosse Betrieb hat sich auf die Eierproduktion spezialisiert und verfügt über 7400 Lege- und 7000 Junghennen-Aufzuchtplätze. Neben einer Eiersortieranlage sind auch eine Anlage für die Herstellung von Flüssigeiern sowie eine Futtermühle installiert. «Ich stelle mein Qualitätsfutter selbst her. Meine Eier überzeugen mit Qualität und Geschmack», sagt er. Mit vier Lastwagen werden täglich Eier ausgeliefert. «Ich gebe mein Land nicht kampflos her», sagt von Euw. Und seine langjährige Lebensgefährtin Astrid Zollinger ergänzt mit Nachdruck: «Was die Flughafen Zürich AG und der Kanton wollen, macht keinen Sinn.»
[IMG 2]
Auf seiner 4,5 ha grossen Parzelle an der Rümlangerstrasse soll ein Retentionsbecken gebaut werden. Der Flughafen will darin den Abfluss für die im Winter benötigten Enteisungsmittel ableiten, wo diese von Pflanzen abgebaut würden. Aber im Winter ruht die Vegetation. Da wird nichts abgebaut, zumal dann diese Pflanzen als Sondermüll entsorgt werden müssen. «Sie sollen doch direkt den Abfluss in einem Tank lagern und als Sondermüll entsorgen», sagt Paul von Euw.
Auf den anderen 4 ha grossen Parzelle soll Naturschutzfläche entstehen, das liegt in der Zuständigkeit des Kantons. «Dabei handelt es sich um eine wunderschöne, gut ackerbare Parzelle mit guten Erträgen, die ich immer bodenschonend bewirtschaftet habe», hält der Landwirt fest.
[IMG 4] Die Landwirtschaft werde so an die Wand gefahren, sagt von Euw. Einerseits kämen mit der Agrargesetzgebung immer mehr Vorschriften, so dass Tierhalter gezwungen sind, den Flächenbedarf stetig zu vergrössern, um überhaupt noch Tierhaltung zu betreiben und Mist und Gülle auszubringen. Andererseits entnehme man durch Öko- und Biodiversitätsauflagen sowie Kompensationsmassnahmen seitens der Umweltgesetzgebung Land aus den Fruchtfolgeflächen. Damit würden die heimische Futterproduktion und Hofdüngerverwendung massiv eingeschränkt. «Ich will mein Land behalten», sagt von Euw und weiter: «Was soll ich mit Realersatz? Dann nimmt man den Bauern weiter unten das vom Kanton verpachtete Land weg und gibt es mir.» So bringe der Kanton noch mehr Betriebe in Existenzbedrängnis. Und was ist mit Geld? Dann frage er die Bank, wie er es am schlausten anlegen soll. «Und was sagen die nach vielen Diskussionen? Ich solle Land kaufen, das sei eine sichere Sache. Aber wenn ich grad Land verkauft habe, macht das auch keinen Sinn», antwortet von Euw.
«Kanton spielt nicht mit offenen Karten»
Auf reichlich Ablehnung stiess auch das Vorhaben der Flughafen Zürich AG (FZAG) und des Kantons, den Landwirten einen Berater zur Seite zu stellen, der anhand von Betriebsanalysen Zukunftsszenarien für die einzelnen Betriebe entwickeln sollte. «Gehts noch», sagt von Euw, «als wüssten wir nicht genau, wie unsere Betriebe dastehen.» Der Berater sei nur zum Auskundschaften bestellt.
Gegenwehr ist schwer
Auch sein Nachbar Adrian Zysset schüttelt den Kopf. Er bewirtschaftet heuer von Euws Parzellen. Er ist zudem direkt vom Vorhaben des Kantons betroffen, welcher die Glatt auf einer weiteren Strecke, Sektor D, aufwerten will. Dadurch würde eine 70 m breite Schneise in seinen Wald geschlagen.
«Klar wehre ich mich dagegen. Aber gegen den Kanton ist Gegenwehr schwierig.»
Adrian Zysset ist wenig zuversichtlich
Für den Abschnitt A, zwischen Tolwäg und Fromatt, scheint es so, als sei der Zug abgefahren. Der Bund hat die 2,7 km der Glatt-Revitalisierung entlang des Flughafens im August 2022 genehmigt. Insgesamt gehen so 16,2 ha Landwirtschaftsland verloren, während die Gewässerraumbreite der Glatt mäandrierend zwischen 50 bis 170 m betragen würde. Derzeit laufen beim Kanton die Planungsarbeiten für die Umsetzung. Die bauliche Umsetzung wird frühestens ab 2025 angegangen und dauert rund drei Jahre. Auch konnte laut der Mediensprecherin des Flughafens Zürich mit allen Grundeigentümern – bis auf einen – eine Vereinbarung getroffen werden.
[IMG 3]
Auch Paul von Euw stehen schwierige Verhandlungen bevor. Gefragt nach seinem nächsten Schritt, sagt er: «Ich bin 66 Jahre alt und suche einen Nachfolger für meine Geflügelhaltung.» Er soll jung und unternehmerisch sein und Freude an der Eierproduktion sowie am Kundenkontakt haben.
«Kulturland unter Druck»
Die BauernZeitung thematisiert in einer losen Serie den Kulturlandverlust in der Ostschweiz und besucht in dieser Folge den Geflügelbetrieb von Paul von Euw in Oberglatt ZH.
Bereits erschienen: Familie Huggel aus Bussnang TG (17. März 2023).
[IMG 5]
Kulturland unter Druck: 3 Beispiele aus dem Kanton Zürich
- SBB-Tunnel: Im Landschaftsraum Eich, zwischen Bassersdorf, Dietlikon und Wangen-Brüttisellen, sind Infrastrukturprojekte geplant im Zusammenhang mit dem SBB-Brüttenertunnel, der Glatttalautobahn sowie der Verlegung der Kantonsstrasse. Martin Streit vom Zürcher Bauernverband schätzt, dass sich der Landerwerb durch die SBB auf 11 ha belaufen wird. Für Deponie- und Installationsflächen seien zudem 23 ha eingeplant. Dieses Land kann sieben bis neun Jahre lang nicht bewirtschaftet werden. Die nötigen ökologischen Ersatzmassnahmen für das Bauprojekt werden, auch nach Gesprächen zwischen der IG Eich und den SBB, vollständig auf den SBB-Flächen eingeplant. Die SBB wird das Projekt voraussichtlich Ende Mai auflegen, so hat man 30 Tage Zeit für Einsprachen. «Wir werden überprüfen, ob unsere Vorschläge zur Reduktion der Kompensationsflächen aufgenommen wurden», versichert Kurt Schmid, Präsident der IG Eich aus Brüttisellen. Der Startschuss für den Tunnelbau soll 2026 erfolgen.
- Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF): Die Kantonsstrasse durch das Neeracherried muss saniert werden. Der Kanton will die Strasse aus moorschutzrechtlichen Gründen ins Kulturland verlegen. Dem würden laut Hans Egli aus Steinmaur, Kantonsrat und Präsident der IG Züri Nord, 11 ha zum Opfer fallen. «Eine unnötige, erst noch sehr teure Strassenverlegung», sagt Egli. Zudem überschneidet sich der geplante Strassenverlauf mit dem Planungsperimeter für «Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF). Für die PPF sollen im Raum Neeracherried 45 ha ackerfähiges Land aus der Produktion genommen werden. Dazu kommen im Einzugsgebiet der IG Züri Nord weitere PPF dazu, zusammen gibt das rund 50 ha, die vernässt werden sollen. Insgesamt schätzt Egli den Kulturlandverlust in der Region inklusive Umfahrungsstrasse, PPF, Überbauungen, Gewässerräume, Nagra usw. auf 400 ha. Für den ganzen Kanton Zürich plant der Kanton auf einer Fläche von 1300 ha PPF. Betroffen ist insbesondere auch das Gossauerried.
- Tiefenlager Nördlich Lägern: Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) will in Nördlich Lägern ein Atom-Endlager Bauen. Die Amtsstellen aus Zürich und den angrenzenden Kantonen stehen hinter dem Entscheid. Für das Tiefenlager werden in Stadel beim Haberstal für Hauptzugangs- und Logistikflächen, für Schächte sowie für die Zufahrt und Erschliessung rund 11 ha Land beansprucht. Dazu kommen 1,5 ha temporäre Installationsflächen. Den endgültigen Entscheid über das Tiefenlager treffen Bundesrat, Parlament und allenfalls das Stimmvolk. 2034 sollen erdwissenschaftliche Untersuchungen stattfinden. Der Baubeginn ist auf 2045 geplant, die Inbetriebnahme auf 2050. Auch wenn dies in weiter Ferne erscheint, war es ein Schock für die 18 betroffenen Grundeigentümer. Die Nagra versucht, mit gütlichen Einigungen Enteignungsverfahren zu vermeiden, und führt Gespräche mit den Landbesitzern. Widerstand gegen das Tiefenlager formiert sich im Verein «Nördlich Lägern ohne Tiefenlager.

