Mitten im Dorf Schwyz, unmittelbar neben einem Quartierweg, weiden braune Hornkühe neben herrlichen Kirschbäumen. Die Bäume sind im besten Ertragsalter, gepflegt und präsentieren sich in kräftigem Grün. Doch das idyllische Bild trügt. «Dieses Jahr konnten wir infolge der Kirschessigfliege kein einziges Kilogramm Tafelkirschen verkaufen», erklärt Bäuerin Silvia Schelbert etwas nachdenklich. Sie und ihr Mann Xaver bewirtschaften seit rund 30 Jahren das Heimet Obermatt. Anlässlich der damaligen Betriebsübernahme pflanzten die beiden Hochstammkirschbäume, welche heute das Landschaftsbild von Schwyz prägen.

Mehr Direktvermarktung

Rund 130 Hochstammbäume stehen auf der Betriebsfläche der Familie Schelbert. Gut 20 davon sind Kirschbäume. Die Tafelkirschen-Produktion ist ein eher kleiner Betriebszweig, in guten Jahren wird rund eine Tonne verkauft. Die ganze Verkaufsmenge wird direkt vermarktet. «Die zentrale Lage ist sicher ein grosser Vorteil unseres Betriebes», so Xaver Schelbert. Das Angebot im Verkaufsstand des Betriebes Obermatt wird ständig ausgebaut.

Mittlerweile sind ein Milch- und ein grosser Verkaufsautomat in Betrieb. Kraftfutterfreie Milch von Hornkühen, Eier, Süssmostprodukte, Liköre, Schnaps und vieles mehr können so rund um die Uhr eingekauft werden. In normalen Jahren wären aktuell nun auch die Tafelkirschen im Angebot. «Nach dem letztjährigen Frostjahr können wir unseren Kunden heuer leider schon wieder keine Kirschen anbieten», so Xaver Schelbert. Das explosionsartige Auftreten der KEF habe ihn schon sehr überrascht. «Wir haben in unserem Gebiet sonst kaum grössere Kulturen, wo sich die KEF stark entwickeln kann. Und da zudem unsere Kirschbäume letztes Jahr völlig ohne Behang waren, gingen wir dieses Jahr von einem tiefen Druck aus.» Beim Pflanzenschutz verlangt die Dorfnähe viel Fingerspitzengefühl: «Wir können nicht, wie es für die Bekämpfung der KEF nötig wäre, kurz vor der Ernte noch Spritzdurchgänge machen», so Xaver Schelbert.

Kirschen nur für das Fass

Anfang Juni konnten die ersten einzelnen Tafelkirschen für den Eigenbedarf gepflückt werden. Als rund eine Woche später die Haupternte losgehen sollte, war der KEF-Befall bereits so hoch, dass die Tafelkirschen-Ernte gar nicht erst gestartet wurde. «Wir entschieden uns, die noch wenig befallenen späteren Sorten möglichst schnell als Brennkirschen ins Fass zu ernten», so Xaver Schelbert rückblickend. Der Selbstbrenner hofft nun, dass er mit diesen trotz tieferem Zuckergehalt eine anständige Ausbeute erreichen kann. Nach dem letztjährigen Totalausfall gehen auch seine Vorräte an Kirsch langsam zur Neige. Nicht der Kirsch selber sorgt bei den Schelberts für ansprechende Absatzmengen, sondern Spezialitäten wie Likör oder Eierkirsch.

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Bäume stehen lassen

Dass es auf dem Hof Obermatt auch dieses Jahr keine Tafelkirschen zu kaufen gibt, ist natürlich auch der Kundschaft aufgefallen. «Viele erkennen die Problematik und sorgen sich um die ortsbildprägenden Hochstammbäume», so Xaver Schelbert. Er werde aber sicher nicht gleich zur Motorsäge greifen, zu viel Herzblut habe er in die Bäume gesteckt. Als Mitglied diverser Gremien in Vernetzungs- und Landschaftsentwicklungsprojekten kennt er die hohe Bedeutung von Hochstammbäumen für Landschaftsbild und Biodiversität.

Ob auf dem Betrieb Obermatt allerdings ohne neue effiziente Hilfsmittel gegen die KEF in Zukunft noch Kirschbäume gepflanzt werde, bezweifelt er. «Einen Hochstammbaum pflanzt man für die nächste Generation.»

Eher eingenetzte Anlage

Sohn Pirmin Schelbert ist diese nächste Generation. Der Meisterlandwirt wird den Hof in den nächsten Jahren übernehmen. «Wir machten uns in den vergangenen Wochen viele Gedanken über die Zukunft des Tafelkirschenanbaus auf unserem Hof. Und diese Zukunft wird wohl bei einer voll eingenetzten Anlage und nicht bei Hochstammbäumen liegen», erklärt Pirmin Schelbert seine Zukunftsstrategie.

«Ich werde deswegen sicher nicht gleich zur Motorsäge greifen.»

Xaver Schelbert lässt die Hochstammbäume stehen, trotz des Ernteausfalls.

Grosse Schäden auch im Aargau

Auch im Kanton Aargau sorge die Kirschessigfliege (KEF) für grosse Schäden, erklärte Daniel Schnegg, Fachspezialist Obstbau vom LZ Liebegg, auf Anfrage der BauernZeitung. Hart getroffen hat es die Hochstammbäume in der Kirschen-Hochburg Fricktal. Die Chriesi-Verkaufstage des Juraparks Aargau mussten abgesagt werden.

«Es hätte eine schöne Ernte gegeben», erzählt Bäuerin Helen Schmid aus Wittnau, «wir sind gut gestartet.» Doch dann kam die Fliege, und innert weniger Tage lohnte sich das Pflücken nicht mehr. Auch zum Brennen lässt sich das befallene Obst nicht mehr verwerten. Das sei schon in den vergangenen paar Jahren so gewesen, sagt Helen Schmid. Im Hinblick auf den Ertrag würden sich Kirschen-Hochstammbäume unter diesen Bedingungen nicht mehr lohnen. «Schade um das Kulturgut im Fricktal.»

Zukunft der Hochstamm-Kirschbäume ist ungewiss

Der Druck durch die Kirschessigfliege (KEF) ist dieses Jahr in der Region Schwyz und Zug sehr hoch. Vor allem bei Hochstammbäumen sei eine effiziente Bekämpfung aber sehr schwierig, erklärt Kilian Diethelm, Präsident des Schwyzer Kantonalen Obstbauvereins. «Im äusseren Teil des Kantons Schwyz wurden an Hochstammbäumen bis ungefähr am 25. Juni noch Tafelkirschen geerntet, danach war der Befall durch die KEF so hoch, dass die Ernte mehrheitlich abgebrochen werden musste.»

Kaum mehr neue Bäume
Für eine wirtschaftliche Tafelkirschenproduktion mit Hochstammbäumen sieht Diethelm infolge der KEF kaum mehr Hoffnung. Da zudem in seiner Region, im Gegensatz zum Gebiet Rigi-Zug, die Brennkirschenproduktion keine grosse Bedeutung mehr habe, würden auch kaum mehr Hochstammkirschbäume gepflanzt.

Schutz kaum realistisch
«Die Bekämpfung der Kirschessigfliege verlangt professionellen Pflanzenschutz, Schutz durch Einnetzung und eine hohe Feldhygiene. Diese Massnahmen sind bei Hochstammbäumen nicht umsetzbar.» Würden in seinem Gebiet noch Jungbäume gepflanzt, seien das mehrheitlich robuste Apfelsorten für die Mostobstproduktion.«Auch für unsere professionellen Produzenten, welche den Pflanzenschutz optimal durchführten, war das diesjährige Jahr infolge der Kirschessigfliege eine sehr grosse Herausforderung», erklärt Michela D’Onofrio Rogenmoser, die Geschäftsführerin der Zuger Rigi Chriesi AG.Das Erntefenster sei durch den hohen Druck sehr kurz gewesen. Das führte auf den Betrieben zu personellen Engpässen, vor allem bei Produzenten, welche Konservenkirschen für den Backwarenkanal liefern und diese somit von Hand ernten. «Wir konnten unseren Bedarf an diesen Konservenkirschen, die als Backvorlage gestösselt und schockgefroren werden, dieses Jahr noch knapp decken», so Michela D’Onofrio Rogenmoser weiter. Das sei nach dem Frostjahr 2021, wo es im Gebiet Zug-Rigi fast überhaupt keine Kirschen gab, sehr wichtig gewesen. 

Regionale Unterschiede
Die regionalen Unterschiede beim Druck durch die KEF waren sehr gross. «In Gebieten wie dem Steinerberg wurden mehrheitlich schöne Mengen geerntet, in tieferen Lagen hingegen musste vielfach der Grossteil des Ertrages in den Brennkirschenkanal geliefert werden.»