Frauen in Trachten tragen Gläser mit Eingemachtem herbei, eine riesige Torte und reichlich weitere Verpflegung. So weit, so gewohnt. Aber dann setzt sich Lotti Baumann, die Präsidentin des Aargauischen Landfrauenverbands (ALVF), im Weihnachtsmannkostüm in einen Sessel. Vier Trachtenfrauen liegen schweizerkreuzförmig im Gras. Und Maria, die ein hübsches Blumenkränzchen im grauen Haar trägt, setzt sich aufs Motorrad.
Landfrauen als Models
Eine Profifotografin lässt ihre Kamera klicken, während weitere Landfrauen geschminkt und frisiert werden. Denn für einmal sind sie Fotomodels. Das Eingemachte und die Torte kommen als Accessoires aufs Bild, der Rest ist Verpflegung. Beim gemütlichen Setting im lauschigen Garten von Vorstandsfrau Vlora Sticher verbinden die Frauen Arbeit und Spass.
Trotz vollem Programm gibt Lotti Baumann fröhlich Auskunft: «Landfrauen sind eben nicht nur die im Service und hinter dem Kuchenbuffet.» Sie hatte die Idee einer Foto-Imagekampagne für die Aargauer Landfrauen auf den Tisch gebracht – und die anderen Vorstandsfrauen hätten sofort mitgezogen, erzählt die Bäuerin aus Beinwil am See. Rund 20 Sujets mit knackigen Slogans haben sie sich ausgedacht: Landfrauen geben Vollgas, Frauen vom Land machen sich ans Eingemachte, Landfrauen stehen auf Traditionen, Frauen vom Land halten zusammen.
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Mitgliederzahl sinkt
Die kreative Truppe macht eine Imagekampagne, weil im Kanton wie in der ganzen Schweiz die Mitglieder des Landfrauenverbands schwinden. Im Aargau in den vergangenen zehn Jahren um rund 2500 auf aktuell 6737 Mitglieder. Für junge Bäuerinnen ist der Beitritt keine Selbstverständlichkeit mehr. Es kommt vor, dass sich ganze Ortsvereine auflösen – manche können den Vorstand nicht mehr besetzen, andere konstituieren sich neu als Frauenverein und sparen den Beitrag an den Dachverband. Lotti Baumann hat ihren Rücktritt als Kantonalpräsidentin jedenfalls frühzeitig angekündigt, damit in Ruhe eine Nachfolgerin gesucht werden kann. Es hat sich noch niemand vorgeschoben.
Zu den strukturellen Herausforderungen ist nun eine aktuelle gekommen: Die Corona-Krise hat die Aktivitäten der Landfrauen eingeschränkt. Das könnte den Mitgliederrückgang verstärken, fürchtet Lotti Baumann. «Wenn die Frauen nur den Beitrag zahlen und dafür nicht viel machen können, leidet die Motivation.» Immerhin gab der Veranstaltungsrückgang Luft für Neues, wie etwa die Imagekampagne. Die Verbandspräsidentin bekommt öfters zu hören, dass sich jemand nicht recht bei den Landfrauen einordnen kann: «Ich arbeite nicht im Stall. Ich habe nicht mal einen Garten. Ich bin keine typische Landfrau.» Gerade dieses Bild der «typischen Landfrau» soll die Kampagne zurechtrücken. Es gibt sie nämlich nicht, sondern eine grosse Vielfalt. Wer beim Landfrauenverband nicht mitmacht, verpasst viel, findet Lotti Baumann. «Bei uns kann sich jede herauspicken, was sie mag. Wir haben keine fixen Verpflichtungen, dafür ein grosses Kursangebot und ein super Netzwerk. Da findet sich immer eine Kollegin, die einen Rat weiss oder mit ins Kino kommt». Kassierin Therese Meier ergänzt: «Ich bezahle als Aktivmitglied bei den Landfrauen Zetzwil 30 Franken Jahresbeitrag, in anderen Vereinen sind die Beiträge höher. Dazu geniessen wir ein vielfältiges Programm im Dorf, im Bezirk und im Kanton.»
Bilder gehen im Wochentakt online
Ab Oktober werden die Bilder der Kampagne im Wochentakt auf den Sozialen Medien verbreitet. Erste Erfahrungen mit solcher Öffentlichkeitsarbeit sammelten die Aargauer Landfrauen im Frühjahr: Sie posierten vor dem Hallwilersee für ein Nein zu den Pflanzenschutz-Initiativen. Ihre Bilder erhielten auf den Sozialen Medien enorme und positive Aufmerksamkeit.
Die neuen Fotos müssen aber erst mal gemacht werden. Hofhund Jimmy und Gastgeberin Vlora Sticher haben den Überblick, die Landfrau hakt Sujet um Sujet auf ihrer Liste ab. Mittlerweile balancieren Marianne und Sandra mit Luftballons auf einem Brett: Frauen vom Land heben auch mal ab.
Der Kantonalverband vermittelt
«Die Funktion des ALVF ist es, zwischen Dachverband und Basis zu vermitteln», sagte Präsidentin Lotti Baumann diesen Frühling an der Online-Delegiertenversammlung – und das sei schwierig. «Unsere Infos dringen nur ganz schwach durch. Frauen, die nicht gezielt nachfragen oder den Newsletter abonnieren, wissen wenig von «oben».» Dass ein Teil des Mitgliederbeitrags dorthin fliesst, können darum nicht alle nachvollziehen.
Der SBLV ist ein einflussreicher Verband
«Oben», das ist der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV). Eine gewichtige und einflussreiche Organisation, die nicht nur der Berufsverband der Bäuerinnen ist, sondern grundsätzlich die beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Bäuerinnen und Landfrauen vertritt, wie es im Leitbild heisst. Als Berufsverband organisiert der SBLV Aus- und Weiterbildung der Bäuerinnen, setzt sich für hauswirtschaftliche Themen und allgemein für die Interessen von Frauen ein.
Unter diesem Dachverband ist der ALFV mit den anderen Kantonalverbänden zusammengeschlossen. Darunter folgen die Bezirksvereine und schliesslich die Ortsvereine.
Aktivitäten finden in Gemeinden statt
Auf dieser untersten Ebene finden die meisten Aktivitäten der Mitglieder statt. Das Angebot an Kursen, Ausflügen und anderen Aktivitäten ist riesig.
Und ja, an vielen Festen sind die Landfrauen für die Festwirtschaft und Backstube zuständig, heute mittlerweile aber in aller Regel gegen Entlöhnung.