Manchmal reicht ein Satz, damit man völlig verunsichert ist. Bäuerin Catherine Alder erzählt dazu ein Beispiel aus ihrem Leben. Sie gönnte sich vor einiger Zeit einen Bummel durch die Stadt. Per Zufall traf sie eine Bekannte. Man plauderte ein wenig und dabei sagt die Frau: «Du kannst froh sein, dass du so eine weite Bluse anhast, so sieht man deine Speckrollen nicht.»

Selbstsicherheit ade

Mit diesem Satz fiel Catherine Alders hart erkämpfte Selbstsicherheit in sich zusammen. «Ich bin zu dick.» Diese Worte begleiten die Bäuerin seit der Kindheit. Dabei hat sie sich an diesem Morgen so gut gefühlt. «Dieser Spruch hat mich wieder voll umgehauen», sagt sie.

Christian Walter, ihr Lebenspartner, versucht am Abend, sie zu beschwichtigen. «Vielleicht wollte sie dir nur sagen, du hast eine schöne Bluse, wusste aber nicht wie.»

Für Catherine Alter gab es nun zwei Möglichkeiten: Der Interpretation ihres Partners glauben – und über das etwas ungeschickte Kompliment der Kollegin lachen. Oder am alten Denkmuster festhalten («Ich bin zu dick»). Dann nützt es auch nichts, wenn er ihr sagt: «Ich liebe dich so wie du bist, du siehst total gut aus.»

Die Macht der Glaubenssätze

Catherine Alder wurde erzogen mit dem Glaubenssatz «Ich bin erst wertvoll, wenn ich hart arbeiten kann.» Glaubenssätze sind tief verankerte Einstellungen, die im Unterbewusstsein wirken.

Zum Beispiel «Ich muss das allein schaffen.» Oder «Das Leben ist hart.» Oder «Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.» Wir verinnerlichen solche Grundüberzeugungen schon in der Kindheit und sie beeinflussen, wie wir uns selbst und die Umwelt bewerten.

Eigene Grenzen spüren

Schon in jungen Jahren übernahm Catherine Alder mit viel Elan und Herzblut und gemeinsam mit ihrem ersten Mann einen Betrieb. Das erste Kind kam, dann drei weitere. Obwohl die Bäuerin gerne arbeitete, wurde die Belastung für sie zu viel, sie konnte kaum noch.

Sie fühlte sich von ihrem Mann übergangen, als würde er ihre Grenzen und Bedürfnisse nicht respektieren. Sie wusste sich nicht zu wehren. Denn die innere Überzeugung diktierte ihr damals: «Ich darf nie aufgeben» und «Ich bin für das Wohlergehen aller um mich herum verantwortlich.»

Doch schliesslich holte sie sich Hilfe in einer Beratung. Dort lernte sie: «Ich muss mich selbst lieben lernen. Ich bin auch etwas wert und ich darf Grenzen setzten». Schliesslich verliess Catherine Alder ihren Mann und den Betrieb, den sie zusammen aufgebaut hatten. Dies war ein schwerer Schritt, der beide viel kostete.

Sich selbst respektieren

Auch Christian Walter weiss, wie innere Überzeugungen am Selbstbewusstsein nagen können. Schon als Kind hatte er immer wieder das Gefühl, er könne es niemandem recht machen.  «Ich bin nie gut genug» und «Ich bin schuld, dass es nicht vorwärts geht» waren Glaubenssätze, die auch als Erwachsener auf ihm lasteten. Durch solche inneren Überzeugungen versuchte er immer, den Ansprüchen anderer gerecht zu werden.

Auch seine erste Ehe wurde geschieden, darunter litten er und der Betrieb. Heute arbeitet der Bauer auch im Forst. «Dort werde ich geschätzt», sagt er. «Das tut gut.» Catherine Alder und Christian Walter sind heute ein Paar. Sie möchten ihre alten Überzeugungsmuster nicht in die neue Beziehung mitnehmen. Diese abzulegen ist jedoch nicht so leicht.