Elisabeth, 52-jährig, und Peter, 56-jährig, konnten ihren Betrieb so bewirtschaften und organisieren, wie er zu ihnen passt. Mit viel Arbeit haben sie zusammen viel erreicht und finanziell steht der Betrieb gut da. Die vier Kinder sind erwachsen geworden, nur das jüngste wohnt noch zu Hause. Stolz können sie zurückblicken auf das, was sie erreicht und ermöglicht haben.
Es ist still geworden im Haus. Elisabeth und Peter haben jetzt für sich als Paar wieder mehr Zeit. Beide merken, dass sie in der Beziehung unzufrieden sind und wissen nicht recht, warum. Was ist geblieben von der Liebe, der Neugier und der Leidenschaft für den anderen?
Eine Standortbestimmung vornehmen
Zufriedenheit in der Ehe setzt voraus, dass sie sich weiter entwickeln darf. In der Zeit des Betriebsaufbaus und der Familienjahre ist dies oft ein Balanceakt. Für Elisabeth und Peter ist jetzt die Gelegenheit für eine Standortbestimmung. Folgende Fragen können dabei helfen:
- Was ist schön in der Beziehung und soll ausgebaut werden?
- Welche Bedürfnisse sind erfüllt, welche nicht?
- Gibt es neue gemeinsame Projekte, die beiden Partnern Freude machen?
- Was soll verändert und angepasst werden, weil es möglicherweise den anfänglichen Reiz verloren hat?
- Stimmt die Rollenverteilung auf dem Hof und im Haushalt noch?
- Hat einer der Partner einen langgehegten Wunsch, etwas «Verrücktes», das nun in Erfüllung gehen darf?
Die weitere Entwicklung des einen Partners, kann die Entwicklung des anderen anregen und so ein Gewinn für die Beziehung sein. So geschieht in der Beziehung die wechselseitige Beeinflussung der persönlichen Entwicklung beider Partner.
Partner wachsen gemeinsam an Herausforderungen und Problemen. Sie entwickeln sich gemeinsam aufgrund gemeinsamer Projekte und Freuden. Die Erziehung der Kinder, das Familienleben, die Zusammenarbeit auf dem Betrieb, ein gemeinsames Hobby oder Ferien – alles schafft verbindende Erfahrungen und gemeinsame Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten.
Bedeutet Sicherheit auch Langeweile?
Für eine glückliche Beziehung reicht dies jedoch nicht aus. Es geht nicht nur darum, Freud und Leid zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Beiden Partnern soll es unabhängig voneinander möglich sein, sich weiterzuentwickeln. Die sich verändernden, neuen Bedürfnisse des einen Partners bringen den anderen Partner immer wieder an Grenzen, mit denen er sich auseinandersetzen muss.
Wie weit kann ich dem Partner entgegenkommen, ohne mich selbst zu verleugnen? Diese Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des anderen zwingt beide Partner, sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden und sich zu positionieren. Die Entwicklung beider Partner und die Entwicklung der Beziehung – beides ist wichtig. Beides gleichzeitig ist jedoch nicht immer möglich und ein ständiger Seiltanz.
Das Ignorieren von Veränderungen und das Verharren im Sicherheitsmodus, um Unsicherheit zu vermeiden, kann zu Langeweile und Unzufriedenheit in der Beziehung führen. Manchmal braucht es Mut, sich dem Partner, der Partnerin mit neuen Wünschen zuzumuten. Es kann gelingen, wenn beide einander zuhören, nachfragen und verstehen wollen und mutig Neues ausprobieren. Dies trägt dazu bei, dass beide Partner sich als Individuum gesehen und frei fühlen und die Beziehung mit neuem Schwung lebendig bleibt.
Zur Person: Doris Brönnimann ist Bäuerin und psychosoziale Beraterin SGfB. Den Landwirtschaftsbetrieb im Kanton Bern übergaben sie und ihr Mann vor einiger Zeit der nächsten Generation. In ihrer Praxis in Köniz BE unterstützt sie Menschen bei persönlichen Schwierigkeiten, Sinnkrisen oder bei zwischenmenschlichen Konflikten. In loser Folge schreibt sie über ihren Beratungsalltag.[IMG 2]
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