Frage: Ich, 61, habe gehört, dass dies heute Ihr letzter Artikel ist, den Sie für die BauernZeitung schreiben. Warum hören Sie auf? Sie haben ja den Betrieb schon vor fünf Jahren an die nächste Generation weitergegeben. Sie hätten jetzt Zeit zum Schreiben. Ich habe Ihre Beiträge gerne gelesen und finde es schade.

Antwort: Danke für Ihre Frage und Ihre Wertschätzung. Sie ermöglicht es mir, mich sorgfältig zu verabschieden. Wie ich sehe, sind wir im gleichen Alter – vielleicht regen meine Gedanken Sie zum Nachdenken an.

Ich habe einmal einen Bericht über eine Studie gelesen, bei der 100-jährige Menschen nach ihren Lebensweisheiten befragt wurden. Ihre Antworten wurden mit folgenden sieben Punkten zusammengefasst.

  1. Freundschaften pflegen – auch mit jungen Menschen
  2. Aktiv bleiben und gebraucht werden
  3. Freude an den scheinbar kleinsten Tätigkeiten erlernen
  4. Dinge mit Leidenschaft tun
  5. Knapp essen
  6. Regelmässige Bewegung
  7. Ruhe – beten und meditieren

Auch wenn ich zum Beispiel «nur» 90 Jahre alt werde, sind das noch 29 Jahre – also fast nochmals «eine Generation» lang. Ich möchte diese Jahre bei guter Gesundheit geniessen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich gut auf diesen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten. Auch wenn mir sicher nicht alles perfekt gelingen wird, lohnt es sich trotzdem, diesen Gedanken viel Raum zu geben.

Bewusst Beziehungen aufbauen

Meine konkreten Umsetzungsideen für die sieben Weisheiten sehen so aus: Damit ich Zeit habe, um Freundschaften zu pflegen, habe ich mein Arbeitspensum auf etwa 60 % reduziert. Und weil ich Nonno von sechs wunderbaren Enkelkindern bin, möchte ich bewusst mit ihnen eine gute Beziehung aufbauen. Wenn ich damit erst nach meiner Pensionierung beginne, dann sind die Kinder bereits in der Schule oder im Kindergarten – und haben vermutlich andere Interessen.

So wie ich den zweiten Punkt verstehe, muss ich mir neue Felder suchen, in denen ich möglichst lange aktiv bleiben kann. Und dies ist definitiv nicht in den bisherigen Berufen – weil ich da laufend von jungen und fähigen Leuten eingeholt werde.

Keine Angst vor Leerräumen

Für den dritten Punkt ist es wichtig, dass ich mehr Langeweile und Leerräume in mein Leben hineinbringe. Nur dann habe ich die nötige Offenheit, um die kleinen und unscheinbaren Schätze im Leben zu erkennen.

Ja, ich möchte bis ins hohe Alter das, was ich tue, mit Leidenschaft machen. Das kann ich aber nur, wenn ich mich für den kommenden Lebensabschnitt nicht an die Leidenschaften der Berufszeit klammere, sondern bewusst auf die Suche nach Neuem gehe.

Das Gleichgewicht behalten

Punkt fünf und sechs beantworte ich kombiniert. Auch mein Bauch wächst, wenn ich gleich viel esse und mich immer weniger bewege. Deshalb ist mein neues Lebensmotto: Nur so viel essen, wie mein Körper auch verbraucht. Das heisst, ich darf weniger essen oder ich muss mich mehr bewegen. Und da ich halt schon gern gut esse, muss ich zwingend mehr Zeit für Bewegung freischaufeln.

Der letzte Punkt ist auch nur möglich, wenn ich mich selber weniger wichtig nehme, wenn ich weniger verplante Tage habe und mich auf diese neu gewonnene Ruhe echt einlasse.

Sie sehen: Es spricht alles dafür, nach vier Jahren das Schreiben dieser Beiträge weiterzugeben. Es hat mir viel Freude bereitet. Ich danke der BauernZeitung, dass ich für sie schreiben durfte. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich fast mein ganzes Wissen mitgeteilt. Ab jetzt wäre es alter Wein in neuen Schläuchen. Doch Sie dürfen sich auf die Beiträge meiner Nachfolgerin freuen!

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