Frage: Sie haben in der BauernZeitung vom 7. Juli über die Stufen der Konfliktspirale geschrieben. Bei Stufe neun heisst es: «Der Selbstmord, wo man dem andern mit dieser Tat schaden will.» Das hat mich sehr beschäftigt. Meinem Partner geht es schon viele Jahre schlecht. Ich denke, er hat eine Depression. Aber er will nicht zu einem Arzt gehen und sich auch sonst von niemandem helfen lassen. In der letzten Zeit sagt er immer öfter, dass er sich das Leben nimmt, wenn ich ihn nicht in Ruhe lasse und mache, was er sagt. Entspricht das dem Verhalten dieser Stufe neun?
Antwort: Ihre Frage kann ich Ihnen auf keinen Fall aus der Distanz vollständig beantworten. Ich versuche, Ihnen mit ein paar allgemeinen Beschreibungen Ideen für das weitere Vorgehen zu geben. Im Julibeitrag habe ich dargestellt, dass Konfliktspiralen immer schlimmer werden, wenn man nicht aussteigt. Die Stufe neun bedeutet «Krieg». Sie tritt erst ein, wenn man einander so gekränkt und verletzt hat, dass der entstandene Hass zu einer solchen Tat führen kann. Suiziddrohungen sind dann Machtinstrumente, um den andern «in die Knie zu zwingen». Das trifft auf Ihre Beschreibung nicht zu.
Massive Überforderung?
Ich nehme Bezug auf Ihren zweitletzten Satz. «Er nehme sich das Leben, wenn Sie ihn nicht in Ruhe lassen und machen, was er sagt.» Der erste Teil des Satzes spricht eher für Überforderung und Ohnmacht. Er lässt vermuten, dass Ihr Mann massiv überfordert ist, nie gelernt hat, Hilfe anzunehmen, und keinen Ausweg aus der Situation sieht. Die Aussagen deuten eher auf Burnout und Depression hin.
In einer solchen Situation können durchaus Suizidgedanken stark auftreten. Da ist definitiv Hilfe angesagt. Gibt es weitere Vertrauenspersonen, die sorgfältig mit ihm über mögliche Anlaufstellen reden können? Manchmal hilft die Kombination von konkretem Entlastungsangebot bei der Arbeit, wenn er bereit ist für ein unverbindliches Beratungsgespräch bei einer Fachperson. Lassen Sie sich vom Hausarzt oder weiteren Fachpersonen Ideen liefern.
Oder ein Druckmittel?
Der zweite Teil des Satzes «… und machen, was er sagt» ist etwas problematischer. Suiziddrohungen werden manchmal als Druckmittel eingesetzt. In diesem Fall müssen Sie genauer auf die Beziehungsdynamik schauen. War das schon immer ein Druckmittel oder sagt Ihr Mann das erst, seit es ihm schlecht geht?
Wenn es ein Druckmittel ist, das sich bisher bewährt hat, dann könnte es sinnvoll sein, dies einmal zusammen mit einer Drittperson anzusprechen. Leider kommt dies häufiger vor, als man denkt. Manchmal hat dies lange Tradition. Dann ist es wichtig, dass man diese Frage als ganze Familie sorgfältig anschaut. In diesen Fällen ist es oft so, dass sich die ganze Familie auf das Instrument eingelassen hat. Deshalb braucht es viel Sorgfalt, um eine Veränderung der Umgangsformen einzuleiten.
Was heisst das konkret?
Sie sehen, ich habe viel in der Möglichkeitsform geschrieben. Ihre Frage ist viel zu schwerwiegend, um sie kurz und klar beantworten zu können. Grundsätzlich ist jeder Mensch selber für sein Leben verantwortlich. Also auch für einen allfälligen Suizid. Aber in einer Situation der Überforderung kann es sein, dass man dies nicht mehr gut und reflektiert selber entscheiden kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir Sozialkontakte pflegen und uns diese Menschen in solchen Situationen auch beistehen. Ich wünsche Ihrem Mann, dass er Ihre Fürsorge erkennt und Hilfe annehmen kann!
Weitere Informationen: www.cornelrimle.ch