Frage: Ich, 45, und meine Frau geraten uns immer wieder in die Haare. Wenn ein Thema einigermassen gelöst scheint, kommt der nächste Konflikt. Unsere Gespräche sind immer Kämpfe. Wir finden kein gutes Ende und es geht immer darum, wer Schuld ist und wer Recht hat. Früher konnte ich besser nachgeben, durch diese ewigen Machtkämpfe werde ich aber immer sturer. Manchmal denke ich, meine Frau ist krank – Narzissmus, Borderliner, Autismus oder irgendetwas in diese Richtung. Es kann doch nicht sein, dass jemand nie nachgeben oder sich entschuldigen kann.
Antwort: In meinem Beruf habe ich mit vielen Menschen zu tun, die in einem Hochkonflikt stecken. Ein langjähriger Konflikt, wo man sich von einem Menschen, den man liebte, nicht verstanden fühlt, führt häufig zu einem sturen und kranken Verhalten. Es ist dann schwierig, zu unterscheiden, ob diese Menschen in dieses Verhalten gerutscht sind, weil jemand eine Wahrnehmungseinschränkung (psychische Krankheit) hat, oder ob die Sturheit im Laufe der langen Konfliktzeit entstanden ist.
Subjektiv und objektiv
Die Grafik zu diesem Artikel liegt oft auf dem Beratungstisch, weil sie gut darstellt, was wir im Konfliktverhalten verstehen lernen müssen.
In der Mitte ist der Kegel. So wie ihn der Mann beleuchtet, zeigt sich ein Schattenbild eines Dreiecks. So wie ihn die Frau beleuchtet, zeigt sich ein Schattenbild eines Kreises. Symbolisch entsprechen die Schattenbilder den subjektiven Wahrnehmungen der Situation.
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Kampf ums Rechthaben
Wenn Menschen im Konflikt stehen, dann kämpfen sie darum, wer Recht hat, wer gewinnt. In diesem Kampf fühlen sich beide vom anderen nicht verstanden – und schon gar nicht geliebt. Das führt also nie zu Verständnis und zu friedlichen Lösungen.
Wenn man bei unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmungen gute Gespräche führen möchte, muss man ganz anders vorgehen. Die Gesprächshaltung muss sein: «Ich möchte verstehen, weshalb dir bei diesem Thema etwas ganz anderes wichtig ist als mir.» Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern man will die Sicht des andern verstehen. Mit dieser Haltung werden wir weicher, was eine verständnisvollere Diskussion ermöglicht und eher zu guten Lösungen führt.
Krank oder gesund?
Ich erlebe in meiner Praxis, dass das, was ich oben erklärt habe, nicht für alle Menschen gleich einfach zu verstehen ist. Manche Menschen fühlen sich schneller angegriffen durch eine andere Meinung. Dies kann eine ruhige, verständnisvolle Auseinandersetzung erschweren.
Ich würde an Ihrer Stelle einmal versuchen, im nächsten Gespräch hundertprozentiges Verständnis anzubieten und zu schauen, wie Ihre Frau reagiert. Vielleicht haben Sie einander auch einfach zu wenig Verständnis für die unterschiedlichen Ansichten geschenkt und sind deshalb in ein krankhaftes Verhalten gerutscht.
Fazit: Menschen verhalten sich in langen und starken Konflikten oft stur und krankhaft. Es ist dann nicht ganz einfach, herauszufinden, ob eine Person echt krankhafte Züge hat und dies immer wieder zu Konflikten führt oder ob die lange Konfliktzeit die Menschen zu krankhaftem Verhalten gebracht hat.
Weitere Informationen: www.cornelrimle.ch