Frage: Ich, 42, werde fast wahnsinnig. Ich kenne meinen Mann immer weniger. Immer, wenn ich ihn nach seinen Bedürfnissen frage, weicht er aus. Er sagt nur, er will eine harmonische Beziehung, ich soll doch sagen, was wir machen sollen. Wenn dann Ruhe sei, stimme das auch für ihn. Dann explodiere ich erst recht. Ich spüre doch, dass es auch in ihm kocht, aber er sagt nicht, weshalb. Was steckt hinter diesem Beziehungsmuster und wie kommen wir aus dieser Sackgasse heraus?

Antwort: Schon mal vorweg: Dies ist ein sehr verbreitetes Beziehungsmuster. Sie sind also nicht alleine. Und wenn ihr diese Dynamik sorgfältig miteinander besprecht, bestehen gute Chancen für eine Veränderung.

So entsteht Harmonieliebe

Wie die meisten unserer Verhaltensmuster entsteht auch die Harmonieliebe in unserer Kindheit. Ein verbreitetes Erziehungsmuster ist: «Wenn du machst, was ich von dir erwarte, dann habe ich dich gern.»[IMG 2]

Viele Kinder lernen in diesem Muster, dass das Erfüllen der Bedürfnisse anderer zu einem harmonischen Zusammenleben führt. Im Erwachsenenleben, besonders in der Arbeitswelt oder einem Vereinsvorstand, sind diese Menschen sehr beliebt. Sie lesen den Mitmenschen die Wünsche von den Augen ab, sie sind sehr teamfähig, mit ihnen findet man schnell Lösungen.

Stolperstein in der Beziehung

Für Menschen mit diesem Verhaltensmuster ist die Harmonie das wichtigste Bedürfnis. Wenn Sie also Ihren Mann nach seinen Bedürfnissen fragen, ist es eine ehrliche Antwort, wenn er das Bedürfnis nach Harmonie nennt. Und er denkt, dass er diese Harmonie am ehesten erreicht, wenn er Ihre Wünsche erfüllt. In einer langjährigen Beziehung funktioniert dies leider oft nicht so.

Im Bild sehen Sie den destruktiven Verlauf einer Bedürfnisdiskussion zwischen einem harmonieliebenden Mann und einer Frau mit klaren eigenen Bedürfnissen. Wenn die beiden über ein Thema diskutieren müssen, bietet dieser Mann das schraffierte Dreieck als «sein Bedürfnis» an. Insgeheim hofft er, dass sie sein Entgegenkommen erkennt und dass sie sich dann schnell und harmonisch in der Mitte treffen.

Eigene Bedürfnisse ehrlich kommunizieren

Die Frau glaubt, das schraffierte Dreieck sei das Bedürfnis des Mannes. Sie schlägt also die «Lösung» als fairen Konsens vor. Für die Frau ist das stimmig, der Mann eröffnet innerlich ein Konto «übermässig nachgegeben». Im Laufe der Beziehung meidet der Mann immer mehr solche Diskussionen, weil er ja immer verliert. Die Frau spürt diese unausgesprochene Wut und fragt umso intensiver nach seinen Bedürfnissen.

Sehen Sie anhand dieser Darstellung, woran Sie und Ihr Mann arbeiten müssen? Ihr Mann muss unbedingt lernen, seine eigenen Bedürfnisse zu spüren und sie klar auszusprechen. Und Sie müssen vielleicht lernen, Ihre Bedürfnisse ruhiger und weicher anzubringen. Dies, weil Sie sich möglicherweise im Laufe der Zeit an seine ungesunde Anpassungsbereitschaft gewöhnt haben.

Weitere Informationen:www.cornelrimle.ch