Die Idee des Projekts für eine bäuerliche Beratung hatte der Vorstand der Obwaldner Landfrauen, sie gingen dann zum Bauernverband Obwalden, welcher die Idee ebenfalls notwendig empfand. Die beiden Vorstände haben das Projekt dem Landwirtschaftsamt von Obwalden vorgebracht. So kam es dazu. Mit einer Projektgruppe und innert etwa sechs Monaten wurde das Ganze ins Leben gerufen.

Ein ganz neues Projekt

«Ich wurde eigentlich ganz plötzlich involviert», berichtet Fränzi Gasser. Im März 2018 habe sie eine Coaching-Ausbildung abgeschlossen und daher kam sie für die Beratungen ins Gespräch.

Beratungen finden seit Mai 2019 statt. «Wir gingen davon aus, dass es bis Ende des ersten Jahres nicht mehr als vier Telefone geben wird», erklärt Fränzi Gasser. «Wir dachten, hier in Obwalden sei es ja sehr ruhig, hier seien die Leute eher bodenständig und hätten nicht sehr viele Probleme», wie Gasser beschreibt. Sie hätten sich hier ordentlich getäuscht.

Vertrauen aufbauen zu den Leuten

Tatsache ist: «Es ist anders, sie sind zwar extrem bodenständig. Aber in unserer «heilen Welt» gibt es viele Probleme auf den Höfen. Die Beratungsstelle baute ein Vertrauen zu den Leuten auf und sie begannen über ihre Probleme zu sprechen. Bis Mitte ­Januar dieses Jahres sind wir bereits bei 40 Anrufen, die reinkamen», das sei gewaltig, meint Fränzi Gasser.

«Ich wurde ganz plötzlich involviert.»

Fränzi Gasser erklärt, wie sie zu den Beratungen kam.

Zwei Betreuungspersonen

«Wir suchten am Anfang Leute, die bereit waren, das Telefon zu betreuen. Das erwies sich aber als schwierig, jemanden zu finden. Es sollten eine Frau und ein Mann sein», so sei es gekommen, dass Fränzi Gasser das Ganze zusammen mit Albert Amschwand übernahm.

«Albert hat einen guten Draht zu den Bauernfamilien, weil er noch als Mitglied bei der Geschäftsführung der Landi Unterwalden AG tätig ist. Er ist die ideale Person für diese Aufgabe. Wir können uns gegenseitig super ergänzen. Es braucht eine Frau und einen Mann für die Beratungen. Fast 90 Prozent aller Männer rufen bei Albert an und die Frauen bei mir. Das ist noch spannend, dieses Verhalten», berichtet Gasser. Es zeige, dass die Rollenabdeckung Mann/Frau enorm wichtig sei.

Das Richtige für jede Person

«Unsere Hauptaufgabe ist das Zuhören und Lösungen finden. Wie geht es im einzelnen Fall weiter?», das sei eine wichtige Frage. Sie hätten eine riesige Liste von weiteren Stellen, wo geholfen werde. «Wir suchen für die jeweilige Person das Richtige heraus. Es gibt aber auch Fälle, in denen wir selber dranbleiben oder mit auf den Weg gehen. Das meiste wird telefonisch abgewickelt. In Einzelfällen waren wir auch schon auf dem Hof, um zum Beispiel eine Familie zusammenzunehmen und Klarheit zu schaffen», erklärt Fränzi Gasser ihre Arbeit. Sie hätten eine gute Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten, Traversa und anderen Hilfsstellen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten

«Ich glaube, bei uns in Obwalden ist es gut, dass die Beratung nicht anonymisiert ist. Wir sind nur sieben Gemeinden. Ich vermute, mich kennen relativ viele. Bei Einigen gibt das ein grosses Vertrauen», meint Fränzi Gasser. Klar könne es bei gewissen Personen auch zu viel Nähe sein. «Die Leute, die nicht zu uns wollen, dürfen sich beim «Sorgenchrattli» und anderen Institutionen melden, die Nummern dazu ist ebenfalls auf unserer Website.»

Fränzi Gasser versteht es gut, dass es auch zu nahe sein kann. Jeder könne selber entscheiden, wer ihm helfen soll.

«Zuhören und Lösungen finden.»

Das ist gemäss Fränzi Gasser die Hauptaufgabe der Berater.

Ruhe dank Corona

«Der Druck ist das grösste Leiden bei den Bauernfamilien. Das macht die Leute fast kaputt», beschreibt Fränzi Gasser die Probleme der Bauern. Bevor Corona kam, sei jeden Tag etwas in der Zeitung gestanden, was die Landwirtschaft betroffen habe. «Leute, die unstabil sind, beziehen solche Themen zu fest auf sich selber. Der Druck ist wahnsinnig gross», so Gasser. Ein weiteres Problem sei die Arbeitsauslastung, viele hätten sehr viel zu tun und würden sich auch nie beklagen. Bei Frauen komme oft die Mehrfachbelastung dazu, einige würden ins Burnout fallen.

«Ich hatte sogar schon Frauen am Telefon, die auf den gepackten Koffern sassen, weil sie einfach nicht mehr konnten», erklärt Fränzi Gasser eine Situation.

Es braucht viel Mut für Hilfe

«Bei den Klienten von meinem Kollegen Albert Amschwand sind die Probleme eher betriebswirtschaftlich», so Fränzi Gasser über die Arbeitsaufteilung. Auch bei ihm seien Doppelbelastung, Überbelastung und Existenzängste Themen, die oft zur Sprache kämen. Oft finden die Bauern: «Diese viele Büroarbeit, immer mehr und mehr, das sei doch gar nicht mehr die ursprüngliche Arbeit eines Landwirten». Fränzi Gasser findet, es brauche sehr viel Mut um bei der Beratung anzurufen. Die Leute würden das auch mitteilen, sie hätten schon lange anrufen wollen. Und zum Schluss käme oft: «Hätte ich doch früher angerufen, es gibt ja Lösungen für meine Probleme», so Gasser.

Lernen sich helfen zu lassen

«Die Erfahrung zeigt, je früher wir ein Problem angehen, umso schneller kommt man aus einem Hamsterrad raus», so Fränzi Gasser. «Bei einem Burnout wird es nur noch schlimmer, der Weg retour in die Normalität geht länger, wenn man wartet. Man denkt immer, man schafft das schon alleine, aber Hilfe annehmen tut gut. Viele schaffen es effektiv nicht alleine.»

«Bei einem Burnout wird es nur schlimmer.»

Man soll sich möglichst früh helfen lassen, erklärt Gasser.

Kärtli als kleine Einnahme

«Wir haben eine einzige Einnahmequelle, das sind Karten, die wir in einigen Läden verkaufen. Ich fotografiere gerne, das ist mein Hobby und die Karten sind mit Fotos von meiner Kamera gemacht», sagt Fränzi Gasser zur Finanzierung des Projekts. Ansonsten seien sie zurzeit auf Spenden und die Zusammenarbeit mit dem Amt für Landwirtschaft angewiesen.

 

Weitere Informationen

Auf der Website der bäuerlichen Beratung und Vermittlung Obwalden kann eine Selbstanalyse gemacht werden. Zudem sind diverse weitere Hilfestellen mit Telefonnummern aufgelistet, wo man sich melden kann.

Weitere Informationen: www.beratung-und-vermittlung-ow.ch