Vor Jahren kaufte mir mein inzwischen verstorbener Schwiegervater am Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz Basel eine richtig kitschige Schneekugel mit Engel. Eigentlich ist es gar keine Kugel, sondern ein Kügeli (mit Sockel 6 Zentimeter hoch). Dafür ist der Kitsch umso offensichtlicher. Er schenkte es mir, weil er mich gerne hänselte, wenn ich selbst etwas für seinen Geschmack zu Süssliches kaufte. Das Schächtelchen ist wie folgt beschriftet: «Eine wunderschöne, weihnachtliche Schneekugel mit liebevollen kleinen Details und bezauberten (sollte es nicht besser heissen: bezaubernden? oder verzauberten …) Motiven für stimmungsvolle Akzente. Der Sockel ist mit wunderschönen weihnachtlichen Motiven verziert. Der absolute Blickfang! Schneekugeln begeistern einfach jeden und eignen sich hervorragend als Geschenk oder kleines Mitbringsel.» Die Beschreibung trieft noch mehr vor Schnulzigkeit als das Ding selbst.

Engel statt Schoggi

Ich versteckte das Engelchen über die Festtage in den Tannenzweigen. Später versorgte ich es. Als ich mich an die Osterdekoration machte, kam es mir in die Hände. Ich kaufte ein altmodisches Blechosterei mit altertümlichem Motiv und verbarg die Kugel dort drin. Vater freute sich auf feine Osterschoggi – und fand nur die Kitschkugel. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre durch die Stube geflogen.

Nein, kein Schmuck

Als an einer Weihnacht die Bescherung vorüber war, brachte Maman eine grosse Schachtel, wunderbar eingepackt und mit teurer Schlaufe. «Hier erhältst du etwas ganz Spezielles», erklärte sie geheimnisvoll. In Gedanken ging ich die Schaufenster durch, wo ich während der Adventszeit prächtigen Schmuck bestaunt hatte – und hoffte. Vielleicht schenkten mir die Schwiegereltern endlich die schwarze Perlenkette aus Tahiti? Oder das mit Brillanten besetzte Kreuz des Südens aus Algerien? Ich zelebrierte das Auspacken, laaangsam, voller Ehrfurcht, und in seliger Erwartung. Schliesslich kam das Juwel zum Vorschein: Sie haben es erraten, es war dieser Kitschengel; hausbacken lächelnd, ein goldenes Sternchen in der Hand, ein zweites am Kleidchen. Die Flügelchen goldig und das Heiligenscheinchen auch. Wir bringen ihn nicht weg, niemand entsorgt ihn. Manchmal ist er für längere Zeit verschwunden; keiner vermisst ihn. Und dann, wenn niemand mehr an ihn denkt, taucht er auf, in einem Osternest in der Frühlingswiese, oder eingebunden in einen Geburtstagsstrauss. Letztes Jahr brachte ihn der Pöstler in einem grossen, schweren Paket, vollgestopft mit Steinen aus dem Inn, als Absender eine Bekannte im Oberengadin. Die Sendung lief unter «PostPacPriority», war eingeschrieben, mit «Fragile» ausgezeichnet (taxpflichtig) und muss wohl um die 20 Franken Porto gekostet haben. Das Kügelchen kostete ursprünglich sicher keine fünf Franken. Allerdings ist es in der Zwischenzeit recht wertvoll geworden.

Frohe Feiertage 

Dieses Jahr passiert wohl nichts (mehr). Zu präsent ist es momentan in gewissen Köpfen, dass es diese Schneekugel ja noch gibt. Es gilt abzuwarten, bis mir in einiger Zeit ein fabelhafter Gag einfällt. Das Engelchen wünscht Ihnen inzwischen aus dem glitzernden Schneegestöber eine frohe Festzeit.